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Dieser Deutsche genießt Putins Vertrauen

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Dieser Deutsche genießt Putins Vertrauen

Im Kreml geht er ein und aus: Matthias Warnig, einer der mächtigsten Männer der russischen Wirtschaft, gehört zu Putins letzten großen Vertrauten im Westen. Die Geschichte einer Männerfreundschaft.

Von Dirk Banse, Florian Flade, Uwe Müller, Eduard Steiner und Daniel Wetzel

Wenn Wladimir Putin in der deutschen Hauptstadt weilt, dann ist ein Abstecher an die Fuggerstraße in Berlin-Schöneberg ein Muss. Denn dort, wo sich Restaurants, Bars und Cafés aneinanderreihen und Regenbogenflaggen im Wind flattern, ist das Lieblingsrestaurant des russischen Präsidenten, das “Café des Artistes”.

“Was der Präsident bestellt, ist eher unspektakulär”, verrät eine junge Serviererin. Entweder esse er Zürcher Geschnetzeltes für 18,50 Euro oder Bœuf Stroganoff für 21 Euro. “Dazu trinkt er ,Radeberger Pils’ aus Sachsen”, erzählt die Dame, angeblich das Lieblingsbier von Putin. “Der Präsident bestellt nie die teuersten Speisen.”

Putins Treue zum “Café des Artistes” ist nicht zufällig, sie hat mit dem Inhaber und Chefkoch Stefan Warnig zu tun. Den hat Putin schon als kleinen Jungen mit seinen eigenen zwei Töchtern spielen sehen. Stefans Vater ist schließlich ein sehr guter Freund des russischen Präsidenten: Matthias Warnig.

Der Deutsche, dem der russische Präsident vertraut, ist 59 Jahre alt, mittelgroß, von bulliger Statur, sein Haarkranz ist silbergrau. Hierzulande glauben die meisten, dass kein Deutscher einen derart engen Draht zum russischen Präsidenten hat wie Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Doch das ist ein Trugschluss.

Warnigs Beziehung zu Putin ist älter und schon gewachsen, bevor der Russe zu einem der mächtigsten Männer der Welt aufstieg. Warnig trifft den Staatspräsidenten weitaus häufiger als Schröder. Oder als die meisten Staats- und Regierungschefs. Während sie oft monatelang auf eine Audienz warten müssen, geht Warnig im Kreml ein und aus. Die beiden Männer sähen sich “in der Regel alle drei Wochen”, heißt es in Moskau.

Warnig und Putin haben viele Gemeinsamkeiten

Matthias Warnig und Wladimir Putin, das ist die Geschichte zweier Menschen, die viel miteinander verbindet. Beide sind sie aufgewachsen in sozialistischen Bruderstaaten, beide sind ehemalige Geheimdienst-Agenten, deren Lebenswege sich vor fast einem Vierteljahrhundert eher zufällig kreuzten. Man fand sich sympathisch, verbrachte viel Zeit miteinander, half sich. Und als Putin ins Zentrum der Macht rückte, stieg Warnig zu einem der mächtigsten Wirtschaftsmanager Russlands auf. Der Deutsche ist einer der wenigen, denen der misstrauische Mann im Kreml noch vertraut.

So einzigartig das Verhältnis zwischen Putin und Warnig ist, so hat es doch auch etwas Exemplarisches. Es verdeutlicht die enge persönliche Verflechtung zwischen der deutschen und russischen Wirtschaft und Politik. Und es steht für jahrzehntelang gewachsene Beziehungen, die es auf fast allen Ebenen gibt. Sie sind der Grund, weshalb die deutsche Wirtschaft sich so schwer mit Sanktionen gegen Russland tut. Manager vom Schlag Warnigs haben sich enge Netzwerke aufgebaut. Netzwerke, deren Arbeit nun durch den Konflikt in der Ukraine erschwert wird, ja vielleicht sogar gefährdet ist.

Auch für Warnig kommen die Einschläge immer näher. Am Donnerstag dieser Woche hat die Europäische Union die wichtigsten Eigner der Rossija Bank auf die schwarze Liste gesetzt: die Putin-Vertrauten Jury Kowaltschuk und Nikolai Schamalow. Zuvor hatten schon die USA das Vermögen der Rossija Bank einfrieren und Transaktionen mit ihr verbieten lassen.

Warnig kennt die beiden Banker gut. Denn er ist seit 2003 Aufsichtsratsmitglied des Kreditinstituts, das als “Bank der Putin-Freunde” gilt. Von den europäisch-amerikanischen Strafmaßnahmen ist außerdem das zweitgrößte Kreditinstitut des Kreml-Staates betroffen, die VTB-Bank mit knapp 100.000 Mitarbeitern. Und auch hier ist Warnig als Kontrolleur mit von der Partie.

Wie ist Warnigs Nähe zu Putin entstanden?

Es gibt aber noch wichtigere Mandate, die der Deutsche innehat – und zwar in der Rohstoffindustrie. Warnig sitzt im Aufsichtsrat von Rosneft, des größten Energiekonzerns der Welt. Auf das Unternehmen entfallen fünf Prozent der globalen Rohöl-Förderung. In Russland wird das Öl von Transneft transportiert, die über ein 70.000 Kilometer langes Leitungsnetz verfügt. Auch hier im Kontrollgremium: Warnig.

Bei Rusal, dem weltgrößten Aluminiumhersteller, ist er sogar Aufsichtsratschef. Den Job soll ihm Putin persönlich verschafft haben, um den heftigen Streit zwischen den Eigentümern, allesamt mächtige Oligarchen, zu schlichten. Beim Gasexport redet er in operativer Funktion mit, als Geschäftsführer der Nord Stream AG, der Betreibergesellschaft der Gaspipeline, die von der russischen Hafenstadt Wyborg durch die Ostsee ins deutsche Lubmin führt. Hier schließt sich der Kreis. Denn Vorsitzender des dortigen Aktionärsausschusses ist noch ein anderer Putin-Freund: Gerhard Schröder.

Die Nähe dieser drei Männer zueinander wurde erst kürzlich dokumentiert. Es war am Abend des 28. April 2014 gegen 22.30 Uhr, als der Altbundeskanzler vor den prunkvollen Jussupow-Palast in Sankt Petersburg auf die Straße trat. Dann rauschte eine schwere schwarze Mercedes-Limousine heran. Aus dem Wagen stieg Wladimir Putin, der Schröder herzlich umarmte und nachträglich zum 70. Geburtstag gratulierte.

Die Fotos dieser Szene sorgten in Deutschland für Empörung. Schließlich steuerte die Ukraine gerade auf einen Bürgerkrieg zu, maßgeblich entfacht durch Russlands Unterstützung für die Separatisten in Donezk und Lugansk. Auf den Fotos war auch ein Mann im dunklen Anzug zu sehen, den in Deutschland kaum jemand zuordnen konnte. Matthias Warnig, der zu der Gala eingeladen hatte.

Warnig und seine Rolle werfen Fragen auf. Wie konnte dieser Mann, über den so wenig bekannt ist, zu einer der Schlüsselpersonen in der russischen Wirtschaft aufsteigen? Vor allem: Wie ist diese Nähe zu Wladimir Putin entstanden? Die Suche nach den Antworten führt weit zurück.

***

Das Jahr 1974. Die Stasi-Offiziere, die gezielt an den Schüler aus der Niederlausitz herangetreten sind, haben leichtes Spiel. Es gehe um nichts weniger als den Sozialismus, den es zu schützen und zu verbessern gelte, erklären sie dem Pennäler. Dafür bräuchten sie talentierte Leute wie ihn. Matthias Warnig, 18 Jahre alt und FDJ-Sekretär, willigt sofort ein. Er verpflichtet sich, hauptamtlicher Mitarbeiter zu werden.

Damit ist der weitere Lebensweg des jungen Mannes vorgezeichnet. Das Ministerium entscheidet für ihn, was er werden soll und was er dafür zu tun hat. Noch kurz vor seinem Abitur stellt er einen Aufnahmeantrag für die SED. Statt Wehrdienst zu leisten, absolviert er eine halbjährige Grundausbildung beim Stasi-Wachregiment.

Am 1. April 1975 beginnt seine Karriere. Warnig wird als Agent in der Auslandsspionageabteilung HVA ausgebildet, er soll ein OibE, ein “Offizier im besonderen Einsatz”, werden. Dafür muss er zur Tarnung ein ziviles Leben führen. Er studiert an der Ostberliner Hochschule für Ökonomie, wo die Kommilitonen nicht wissen, dass sie es mit einem Geheimdienstler zu tun haben. Sein Deckname bei der Stasi: “Ökonom”.

Ein OibE bleibt Warnig auch, als er nach dem Studium vom DDR-Ministerium für Außenhandel eingestellt wird. Es ist eine perfekte Arbeitsstätte für Industriespionage. Privat verläuft das Leben ebenfalls in festen Bahnen. Warnig heiratet an seinem 24. Geburtstag, bald darauf werden sein Sohn Stefan und seine Tochter Claudia geboren.

Wenig später erfüllt sich für den jungen Vater der Traum eines jeden Spions. Er wird ins Feindesland geschickt. Mitsamt Familie siedelt Warnig nach Düsseldorf über und bezieht eine Wohnung im Stadtteil Bilk. Offiziell arbeitet der systemtreue Mann in der DDR-Handelsmission, in der Graf-Adolf-Straße, unweit des Hauptbahnhofs. Unter der Legende eines Handelsvertreters spioniert er. Sein Deckname nun: “Arthur”.

Warnig ist talentiert. Seine lockere, unkomplizierte Art macht es ihm leicht, Kontakte zu knüpfen. Der Stasi-Mann, in der brandenburgischen Provinz geboren, versteht es, sich schnell auf ein neues Umfeld einzulassen. Ob Krupp, Rheinbraun und Thyssen, ob BASF, Data Becker oder Dresdner Bank – der junge Agent gelangt mühelos an sensible Informationen.

Große berufliche Zukunft im verachteten Kapitalismus

Während andere Stasi-Spitzel nach dem Fall der Mauer wegen ihrer Vergangenheit auf Karrieren verzichten müssen, bedeutet die Agententätigkeit für Warnig genau das Gegenteil. Sie ist der erste unverzichtbare Baustein für eine große berufliche Zukunft im verachteten Kapitalismus. Warnig war schon immer in beiden Systemen unterwegs. Da ist es auch nicht mehr hinderlich, dass sein Aufenthalt in der Bundesrepublik abrupt endet.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schöpft Verdacht und überwacht den Mann aus dem Osten. Während der Observationen sprechen die Verfassungsschützer ungeschützt über den Behördenfunk. Die Stasi hört mit. Im August 1989 holt sie Warnig zurück in die Heimat, wo er noch für einige Monate in der Ostberliner Geheimdienst-Zentrale arbeitet.

Noch einen zweiten positiven Nebeneffekt bringt Warnigs erfolgreiche Stasi-Zeit. Er ist bestens vernetzt im DDR-System, ohne allzu sichtbar gewesen zu sein. Als die Regierung von SED-Ministerpräsident Hans Modrow ihre Geschäfte aufnimmt, heuert Wirtschaftsministerin Christa Luft Warnig als Referenten an. Luft sagt, Warnig sei ihr von der Personalabteilung empfohlen worden und habe sich “tatsächlich als versierter und loyaler Fachmann” erwiesen. Kurz darauf sitzt Warnig bei Verhandlungen über die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion mit am Tisch.

Warnig wird wertvoll für die Dresdner Bank

Dort kommt es zu einer weiteren schicksalhaften Begegnung. Während einer Dienstreise nach Bonn begegnet er Wolfgang Röller, dem Vorstandschef der Dresdner Bank. Warnig versteht es sogar, den charismatischen Bankmanager für sich zu begeistern. Röller sucht händeringend Personal für die Expansion gen Osten. “Was wollen Sie machen, wenn es die DDR nicht mehr gibt?”, fragt Röller den jungen Mann. Warnig, 35 Jahre alt, ist planlos und dankbar, als der Bankchef ihm ein Angebot unterbreitet.

Am 20. Mai 1990 startet Warnig beim neuen Arbeitgeber. Aufgabenschwerpunkt: Ostdeutschland und die Treuhandanstalt. Sein Vorgesetzter ist Bernhard Walter, im Vorstand zuständig für die DDR und den Ostblock und später Röllers Nachfolger. Der schickt den neuen Schützling auch nach London, damit er das Bankgeschäft besser kennenlernt.

Warnigs Lernbereitschaft und sein Verständnis vom westlichen System, gepaart mit seiner Erfahrung und seinem Netzwerk im Osten machen ihn schnell wertvoll für die Bank. Schon ein Jahr nach seinem Start hat Walter eine außerordentlich wichtige Mission für ihn: “Sie sprechen doch Russisch?” Nur schlechtes Schulrussisch, erwidert Warnig. Walter entgegnet: “Sie beherrschen die Sprache, es steht ja in Ihrem Lebenslauf.”

Wieder ist Warnig dabei, als Geschichte geschrieben wird: Ob Umschuldungsverhandlungen mit der Sowjetunion oder die ersten Gehversuche der Dresdner Bank im neuen Russland – sein Rat ist gefragt. Vorstand Walter vertraut ihm, beauftragt ihn damit, sich überall im Lande umzuschauen. Er soll sich um nichts anderes kümmern, als die Entwicklung genau zu verfolgen. Anschließend rät Warnig seiner Bank dazu, ein Signal zu setzen. Sein Vorschlag: die Eröffnung einer Repräsentanz in Sankt Petersburg. Die Frankfurter Zentrale willigt ein. Der Projektleiter wird: Warnig.

***

Sankt Petersburg, Oktober 1991. Geduldig sitzt Matthias Warnig im kargen Vorzimmer eines Büros in der Stadtverwaltung. Er hofft, dass ihn endlich der Mann hineinbittet, der hinter der Tür arbeitet: ein gewisser Wladimir Putin. Der ist noch kein Spitzenpolitiker, sondern ein aufstrebender Beamter, zuständig für Außenbeziehungen. Schon damals lässt der heutige Präsident seine Gäste warten. Acht Stunden sind es für Warnig. Der weiß, dass man in Russland “einen langen Atem braucht”, wie er 2007 der “Welt” sagen wird. Wer etwas von jemand anderem braucht und es nicht befehlen kann, muss auch im neuen Russland warten. Und Warnig will etwas Wichtiges von Putin. Ende des Jahres soll die erste Repräsentanz der Dresdner Bank in Sankt Petersburg eröffnet werden. Es ist seine erste Begegnung mit dem Mann, der fortan eine zentrale Rolle in seinem Leben einnehmen sollte.

Weil das Russisch des Deutschen miserabel ist, hat er eine Dolmetscherin dabei. Putin hört ihr einige Minuten zu, bevor er die Geduld verliert. “Lassen Sie den Quatsch, sprechen wir Deutsch, für Übersetzungen habe ich keine Zeit”, herrscht er Warnig an. Der kann mit dem ruppigen Ton gut umgehen. Das Gespräch war jedenfalls ein Erfolg. Die Dresdner Bank kann wie geplant am 12. Dezember 1991 ihre Repräsentanz eröffnen.

Warnig lebt im Hotel, seine Familie bleibt in Deutschland. Vor allem an den Wochenenden fühlt er sich einsam. Putin lädt ihn oft zu sich auf die Datscha ein. Man spricht Deutsch, trinkt deutsches Bier, friesisch-herbes “Jever”, weil Putins Lieblingsmarke “Radeberger” nicht verfügbar ist. Die beiden stellen fest, dass ihr Leben ganz ähnlich verlaufen ist. Beide stammen aus einer Generation, beide heirateten jung, beide haben zwei Kinder. Von Mal zu Mal werden die Gespräche vertrauter, sie wissen, dass sie in dieser neuen Welt so etwas wie Seelenverwandte sind.

Gemeinsamer Winterurlaub der Warnigs und Putins

Ein Schicksalsschlag schweißt die beiden noch enger zusammen. Putins Frau Ljudmila verunglückt 1993 lebensgefährlich bei einem Verkehrsunfall. Warnig handelt sofort. Ljudmila wird in Deutschland operiert, die Dresdner Bank übernimmt die Kosten. Seinem Freund Wladimir vermittelt Warnig zudem die Teilnahme an einem Seminar in Königstein nahe Frankfurt. Es geht um das für Sankt Petersburg wichtige Thema Bankenaufsicht. Putin dürfte solche Engagements als Freundschaftsbeweise gewertet und bis heute nicht vergessen haben.

Damals jedenfalls zeigt er sich erkenntlich: Die Dresdner Bank ist 1993 das erste westliche Geldinstitut in Russland, das eine Vollbank eröffnen kann. Alles “po blatu”, wie es auf Russisch heißt. Man bekommt etwas, weil man sich kennt, schätzt und mag. Putin ist Warnig dankbar, die Dresdner Bank ebenfalls. “Freundschaften schaden nicht”, soll Warnigs Credo sein, wie ein Weggefährte erzählt.

Die Verbindung zwischen den beiden Ex-Agenten hält auch, als Putin sich 1996 umorientieren muss. Sein Förderer, der Sankt Petersburger Bürgermeister Anatoli Sobtschak, verliert die Kommunalwahl. Putin, inzwischen Vizebürgermeister, geht deshalb nach Moskau und übernimmt einen Job in der Präsidialverwaltung des Kremls. Schon im folgenden Winter verbringen die Familien Putin und Warnig gemeinsam einen Winterurlaub im schweizerischen Davos. Von jetzt an dauert es noch drei Jahre, bis Warnig der Freund eines der mächtigsten Männer der Welt ist. Und Warnig allmählich einer der wichtigsten Drahtzieher in der russischen Wirtschaft. Selbst als seine Stasi-Vergangenheit 2005 öffentlich wird, kann ihm das nichts mehr anhaben. Er ist längst zu wichtig.

***

Heimisch ist Warnig in Russland letztendlich nicht geworden. Im deutschen Südwesten hat er Wurzeln geschlagen. Er lebt in einem stattlichen Anwesen bei Freiburg, in idyllischer Lage, mit Blick auf eine Burg. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau Elena, einer Russin, die er Ende der 90er-Jahre in Sankt Petersburg kennenlernte. Das Paar hat noch heute am Rande von Moskau eine Eigentumswohnung in einem zwölfgeschossigen Hochhaus. Als ihr gemeinsames Kind schulpflichtig wurde, verließen sie 2006 die Stadt. Der Junge sollte in Deutschland aufwachsen. Vertraute der Familie berichten, Warnig habe zunächst mit Hamburg oder Berlin geliebäugelt, sich dann aber für ein Domizil in der Nähe der Schweizer Grenze entschieden – wegen des guten Wetters dort.

Es soll auf Dauer sein. Mit der “MW Invest GmbH & Co. KG”, der Vermögensgesellschaft der Familie, an der alle Kinder beteiligt sind, engagiert sich Warnig im Breisgau im Geschäft mit Immobilien. Den Grundstock dafür hat er in Russland gelegt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat er prächtig verdient. Seine Firma soll inzwischen ein Vermögen von mehr als zehn Millionen Euro verwalten. Warnig ist im real existierenden Kapitalismus angekommen. In jener Gesellschaft, die er einst so gehasst hatte.

***

Über all das in der Öffentlichkeit sprechen, das will Warnig nicht. Er meidet die Medien, seine Interviews sind rar. Gefragt, ob er denn Putins Handynummer habe, sagte er einmal: “Die habe ich natürlich nicht.” Und sowieso: Zum Verhältnis mit dem Präsidenten äußert er sich bis heute nicht. Warnig ist keiner, der aus dem Nähkästchen plaudert. Zur Freundschaft gehört eben auch, dass man darüber schweigt. Nur über Umwege ist zu hören, dass Warnig die Rolle Russlands in der Ukraine durchaus kritisch sieht. “Er ist einer der wenigen, die Putin offen die Meinung sagen.”

Dem Verhältnis der beiden Männer zueinander, ihrer Freundschaft, tut das offenbar keinen Abbruch. Längst wollte Warnig seinen Posten als Geschäftsführer von Nord Stream aufgegeben haben. Die Pipeline ist gebaut, jetzt muss sie nur noch gewartet werden. Doch die Aktionäre und wohl auch Putin haben den Manager gebeten, zu bleiben. Zu angespannt ist die Lage. In diesen schwierigen Zeiten ist der Mann aus Brandenburg für Putin noch wichtiger geworden.

Das zeigt auch ein anderer Posten, für den Putin Warnig im Visier hat. Der Staatskonzern Gazprom soll radikal umgebaut werden. Wenn Putin grünes Licht für das Projekt gibt, könnte dabei Matthias Warnig so etwas wie sein Chefberater werden. Ablehnen würde er ein solches Angebot vermutlich nicht. Es fielen ihm “keine rationalen Gründe ein”, sagte Warnig einmal, “warum man in Russland den Ast absägen sollte, auf dem man sitzt”.

 Der Artikel auf welt.de

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De Maizière verliert gegen “Welt”

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De Maizière verliert gegen “Welt”

Bundesinnenminister Thomas de Maizière gilt als penibel, rechtschaffen und preußisch korrekt. Mit diesem speziellen Image kokettiert er gern.  „Manche sagen, ich wirke wie eine Büroklammer“, sagte der Christdemokrat einmal über sich selbst. Doch mitunter agiert der Jurist überraschend anders. Wenn es ihm in den Kram passt, setzt er sich schon mal über das Grundgesetz hinweg.

Was de Maizière nicht leiden kann: Journalisten, die darauf bestehen, Informationen über brisante Vorgänge zu erhalten. Ihre Fragen lässt sein Haus oft unbeantwortet. Besonders restriktiv zeigte sich die Pressestelle des Ministers bei der Kinderporno-Affäre um den Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy. Dabei ist über die pikante Angelegenheit de Maizières Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) gestolpert und das ihm unterstehende Bundeskriminalamt (BKA) wiederholt in Erklärungsnot geraten.

Vielleicht hat das Ministerium gerade deshalb der „Welt“-Gruppe gleich mehrfach Auskünfte verweigert. Das ließ sich das Investigativteam nicht gefallen und zog vor das Berliner Verwaltungsgericht. Mit durchschlagendem Erfolg: Die Richter der 27. Kammer haben jetzt entschieden, dass „die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Inneren“ einen Fragenkatalog der Redaktion vollumfänglich beantworten muss. (Az.: VG 27 L 169.14)

Worum ging es? Im Rahmen der Affäre kam ein Skandal ans Licht, der selbst Abgeordneten verheimlicht worden war: Ebenso wie Edathy hatte sich auch ein leitender BKA-Kriminaldirektor einschlägiges Material bei einem Kinderporno-Händler in Kanada bestellt. Der Spitzenbeamte wurde bereits Ende 2012 zu 120 Tagessätzen verurteilt und verlor den Job. Allerdings bezieht er eine ungewöhnlich üppige Beamtenpension, wie die Welt herausfand.

Deshalb wollte wir von de Maizières Ministerium wissen, wie in vergleichbaren Fällen verfahren worden ist.

Das Innenministerium sei „nicht berechtigt, die begehrte Auskunft zu verweigern“, hat nun das Gericht entschieden. Berührt sei „der Schutzbereich der Pressefreiheit in Artikel 5“ des Grundgesetzes.  Diese Entscheidung stärkt die Pressefreiheit – und dürfte für andere Journalisten eine Ermutigung sein, ihre legitimen Rechte durchzusetzen. De Maizières Haus, das die Kosten des Verfahrens tragen muss, hat sich inzwischen der Entscheidung des Gerichts gebeugt und die erwünschten Auskünfte erteilt.

Beendet ist die Aufklärung damit allerdings noch längst nicht. Denn auch die Opposition im Bundestag fühlt sich durch das Innenministerium schlecht informiert. Seit Anfang Juli beschäftigt sich daher ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Edathy-Affäre. Voraussichtlich werden dort jene Fragekomplexe vertieft, zu denen die „Welt“-Gruppe jetzt erste Antworten erhalten hat.

Der Gerichtsbeschluss:

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Portrait of BND-Boss Schindler on Ozy.com

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Portrait of BND-Boss Schindler on Ozy.com

In the light of the latest intelligence affair between USA and Germany, the scope of the Federal Intelligence Service (BND) has drawn more and more interest also in the US public. In this context, the American Online Service Ozy.comhas asked our reporter Uwe Müller to portrait Gerhard Schindler, who has presided over the BND for about three years.

Since March 2014 Axel Springer has had a minority stake in the US-Start-up Ozy.com and we hope to cooperate a lot more in future. Thanks colleagues, for your interest and the translation.

Ozy

 

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Dieser Mann kennt alle Geheimnisse der Bundesrepublik

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Dieser Mann kennt alle Geheimnisse der Bundesrepublik

Klaus-Dieter Fritsche leitet jeden Dienstag die nachrichtendienstliche Lage im abhörsicheren Raum in der vierten Etage des Kanzleramts. Neuerdings geht es um die große Frage: Wie bewahrt man Frieden?

Von Dirk Banse, Manuel Bewarder , Florian Flade und Uwe Müller

Dienstags, Punkt zehn Uhr, geht es im Kanzleramt um die Geheimnisse der Republik. Jede Woche sitzen etwa 30 Personen im abhörsicheren Raum in der vierten Etage. Auch Kanzleramtschef Peter Altmaier ist fast immer dabei. Hoch konzentriert folgen sie besonders den Vorträgen dreier Männer. Und die drehen sich neuerdings vor allem um die eine, ganz große Frage: Wie bewahrt man den Frieden? Oder vielmehr: Gibt es Krieg?

Was sich dort in den wenigen Stunden bis zum frühen Nachmittag abspielt, in der sogenannten Nachrichtendienstlichen Lage, gehört zum Bestgehüteten der Republik: Die Chefs der drei deutschen Geheimdienste – Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst – erstatten Bericht. Anschließend kommt man meist noch einmal kurz im kleinen Kreis zusammen. Und zwar informell.

Was einst kaum mehr als eine wöchentliche Routine war, ist mittlerweile wieder so wichtig wie im Kalten Krieg. Ob in Syrien, im Irak oder in der Ukraine, es brennt an vielen Stellen auf der Welt. Die internationalen Partner blicken dabei immer häufiger nach Berlin, die Kanzlerin muss Position beziehen und somit ihrer Rolle als mächtigste Frau der Welt gerecht werden.

Je größer die Katastrophe, desto wichtiger der Spion

Der Mann, der das wöchentliche Treffen der Nachrichtendienstchefs leitet, gibt Merkel wichtige Hinweise. Klaus-Dieter Fritsche ist verantwortlicher Staatssekretär für Geheimdienste im Kanzleramt. Brille, Halbglatze, schmale Lippen – bei diesem äußerlich unscheinbaren Beamten laufen die Fäden zusammen. Als er im Januar sein Amt antrat, konnte Fritsche, der zumeist im Hintergrund bleibt, kaum ahnen, wie wichtig sein Job einmal werden würde.

Jahrelang hatten die Geheimen ein Schattendasein gefristet. Doch je größer die Katastrophen, desto wichtiger werden sie. “Angesichts der aktuellen Krisen in der Ukraine und im Irak arbeiten die deutschen Sicherheitsbehörden auf Hochtouren”, sagte Fritsche der “Welt am Sonntag”. Das Erstarken der Terrormiliz IS habe die Dienste überrascht. “Die besondere Rolle, die der IS mittlerweile im Nordirak und in Syrien spielt, war nicht prognostizierbar”, erklärte er. Die Erkenntnisse der Nachrichtendienste würden aufgrund der Krisen bedeutender. “Ihre Informationen sind eine wichtige Basis für die Entscheidungen der Bundesregierung.” Deutschland erlebt somit eine Renaissance der Dienste. Ausgerechnet.

Denn schon aus historischen Gründen ist das Verhältnis zwischen Regierung und den Geheimen hierzulande seit je schwierig. Zuerst die Gestapo, dann die Stasi. Gleich zwei totalitäre Regime haben ihre Geheimdienste als Unterdrückungsinstrumente gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Das ist tief im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert und ein Grund dafür, dass die meisten deutschen Kanzler stets demonstrativ Abstand zu den Diensten wahrten.

Die Mächtigen halten lieber Abstand

Das trifft auch auf Kanzlerin Merkel mit ihrer Sozialisierung in der DDR zu. In ihrer neunjährigen Amtszeit hat sie die BND-Zentrale in Pullach kein einziges Mal besucht. Von Helmut Schmidt ist gar der spöttische Satz überliefert, er fühle sich durch die “Neue Zürcher Zeitung” besser über die Welt informiert als durch die Berichte des BND. Deutlicher kann man seine Geringschätzung kaum ausdrücken.

Zuletzt haben dann Fehltritte das Image der Sicherheitsorgane den grundsätzlichen Glauben an die Fähigkeiten der Geheimdienstler ramponiert. Erst stürzte der NSU den Verfassungsschutz der Bundesrepublik in seine wohl tiefste Krise. Jahrelang konnten die Rechtsterroristen ungehindert durch Deutschland ziehen und morden. Seitdem im vergangenen Jahr der Amerikaner Edward Snowden zudem die globalen Überwachungsmethoden westlicher Geheimdienste enthüllte, muss sich auch der Bundesnachrichtendienst rechtfertigen wie niemals zuvor.

Selbst führende Staatsrechtler erklärten seine Arbeit für verfassungswidrig. Und die Rufe, den Auslandsnachrichtendienst BND abzuschaffen, haben es über die Linke sogar in den Bundestag geschafft. “In Ländern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich haben die Geheimdienste ein ganz anderes Standing als bei uns”, bilanziert der ehemalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck. “Deren Regierungschefs haben auch nicht solche Berührungsängste wie in Deutschland.”

Rohstoff für Entscheidungen

Diametral zu dieser Vorsicht steht der Bedarf der politischen Entscheider hierzulande an exklusiven, nicht öffentlichen Informationen und Einschätzungen in einer unübersichtlichen Weltlage, die sich manchmal im Stundentakt ändert: Was plant Russlands Präsident als Nächstes? Mit welchen Risiken muss man rechnen, wenn man Waffen an die Kurden liefert? Und wird sich vielleicht schon morgen ein Selbstmordattentäter des “Islamischen Staates” (IS) hierzulande in die Luft sprengen?

Das sind Fragen, auf die es nicht die eine Antwort gibt. Aber die Geheimdienste helfen bei der Einschätzung. Denn sie können mit Methoden arbeiten, die anderen Beschaffern von Informationen wie dem diplomatischen Dienst oder Journalisten verschlossen sind: Sie überwachen Telefone und E-Mails und werten Satellitenbilder aus. Die weltweit gesammelten Erkenntnisse werden analysiert und bewertet. So entstehen, wie es im Geheimdienst-Jargon heißt, Lagebilder. Sie sind der Rohstoff für politische Entscheidungen.

Das hat inzwischen auch die Kanzlerin erkannt. Nach ihrer Wiederwahl im vergangenen Herbst schuf sie die Position Fritsches – die NSA-Affäre hatte ihr unmissverständlich vor Augen geführt, dass es einen koordinierenden Kopf für die Arbeit der Geheimdienste brauchte. Mit dem Staatssekretär schuf Merkel eine übergeordnete Instanz. Fritsche lässt sich fast alle Berichte vom BND vorlegen, dem einzigen Dienst, der direkt dem Kanzleramt unterstellt ist. Über die jeweils zuständigen Ministerien erfährt er aber auch das Wichtigste von Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst. “Sekretär 007″ nennt mancher ihn aufgrund seiner Position.

Eine Lobeshymne wird als Frechheit empfunden

Gezielt fiel Merkels Wahl auf den gebürtigen Bamberger. Verlässlich, konservativ, geradlinig – kaum jemand schien besser qualifiziert für den neuen Posten im Kanzleramt. Der ehemalige Verwaltungsrichter hat eine steile Beamtenlaufbahn hingelegt. Vom Büroleiter des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein stieg er nach nur einem Jahr zum Vizepräsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz auf. In der ersten großen Koalition unter Angela Merkel war Fritsche schon einmal im Kanzleramt, aber als Abteilungsleiter. 2009 wechselte er dann ins Innenministerium und wurde Staatssekretär.

Unumstritten ist er dennoch nicht. Als Fritsche Vizepräsident des Verfassungsschutzes war, erklärte er, dass es “keine Anhaltspunkte” für eine “braune RAF” gebe. Zu diesem Zeitpunkt hatte der NSU aber schon mehrere Jahre lang Menschen hingerichtet. Als Fritsche schließlich vom Untersuchungsausschuss befragt wurde, hielt er trotz der unentdeckten Mordserie eine Lobeshymne auf die Sicherheitsbehörden – was viele Abgeordnete als Frechheit empfanden.

Geschadet hat ihm das aber offensichtlich kaum. eine Lehre aus der NSA-Affäre, die dem damaligen Kanzleramtschef Ronald Pofalla gefährlich nahe kam. Doch diese Aufgabe, insbesondere die Betreuung des Untersuchungsausschusses zum Ausspähskandal, mag zwar wichtig bleiben, ist aber angesichts der großen Krisen zweitrangig geworden. Fritsches Jobbeschreibung hat sich innerhalb weniger Monate radikal verändert.

Immer mehr Fragen zu dem Krisengebieten

Jetzt geht es darum, dass die Maschine möglichst reibungslos funktioniert. Die Taktzahl, in dem die Kanzlerin mittlerweile über die Erkenntnisse der Dienste auf dem Laufenden gehalten wird, hat sich enorm erhöht. Seit dem Sommer 2013 hat sich die Zahl der Berichte des BND an das Bundeskanzleramt zu “Ukraine/Russland” nach Informationen dieser Zeitung verdoppelt. Die Menge der Mitteilungen zum Irak schnellte innerhalb der vergangenen Wochen um ein Viertel empor. Mit Blick auf den syrischen Bürgerkrieg liegt die Zahl der Berichte seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau.

Die schriftlichen Anfragen aus dem Deutschen Bundestag hierzu stiegen im vergangenen Jahr aber um ein Drittel, die Unterrichtungen von Bundestagsabgeordneten haben sich beinahe verzehnfacht.

Auch der Melde-Rhythmus im Kanzleramt selbst ist schneller geworden. Täglich in der Früh unterrichtet Fritsche mit seinem Team die Hausspitze über die Entwicklung in den Krisengebieten, im Regelfall berichtet er dann an Kanzleramtschef Altmaier, wenn es brisant wird, gehen seine Infos auch direkt an die Kanzlerin. Im Laufe des Tages reicht der Apparat oftmals weitere Informationen nach. Immer wieder gibt es Rückfragen zu beantworten. Fritsche muss außerdem das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt unterrichten. Alles, was ihn erreicht und was er weiterleitet, läuft über abhörsichere Leitungen.

Schielt Russland auf die baltischen Staaten?

Gerade für den BND ist der Fokus auf die Außenpolitik eine Gelegenheit, sich zu rehabilitieren. In beiden Krisenregionen – Ukraine und Irak – verfügt der BND nach Einschätzung von Sicherheitspolitikern über sehr gute Erkenntnisse.

Nach offiziellen Angaben nahmen 17.000 Soldaten aus Luftwaffe, Marine und Heer teil. Nach außen hin sollte der Eindruck erweckt werden, es handele sich dabei um eine Militärübung in üblicher Größe, nichts Besonderes also. Doch der BND entdeckte im Umfeld des offiziellen Manövers weitere geheime Übungen, an denen zusätzlich rund 30.000 Soldaten beteiligt waren.

Die Provokation ging schließlich noch weiter: Russland legte den Erkenntnissen des Geheimdienstes zufolge kurzzeitig Radaranlagen der Nato lahm und feuerte eine Kurzstreckenrakete vom Typ “Iskander” in Richtung Litauen. Bestückt mit der Attrappe eines Nuklearsprengkopfes ging sie erst kurz vor der Grenze zum Nachbarland zu Boden. “Zapad 2013″ war die umfangreichste Militärübung seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Moskau verhalte sich immer aggressiver, verkündete der BND – eine Warnung, die sich bewahrheiten sollte, wie die Ereignisse dieser Tage belegen.

Chancen zur Rehabilitierung für die Dienste

Aufgrund solcher Erkenntnisse könnte der Auslandsnachrichtendienst vor einer Renaissance stehen. Er könnte in eine Position im politischen Zusammenspiel zurückkehren, die er bereits während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder innehatte. Dieser ließ sich während seiner Amtszeit immer wieder mal direkt vom damaligen BND-Präsidenten August Hanning in Kenntnis setzen. “Ich war wenige Stunden nach den Terroranschlägen am 11. September 2001  in den USA bei Schröder, um unsere Informationen dazu vorzutragen”, erinnert sich Hanning. Auch Außenminister Joschka Fischer fragte oftmals an.

Neben dem BND steigt auch für den Verfassungsschutz, den Inlandsgeheimdienst, die Chance zur Rehabilitierung. Mehr als 2000 Islamisten aus Europa sollen sich inzwischen dem IS angeschlossen haben. Dschihadisten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern werden in der Region im Bombenbau und an Schusswaffen ausgebildet. Viele sind an Gräueltaten wie Massenerschießungen oder Enthauptungen von Geiseln beteiligt. Und einige der europäischen Terrorkämpfer kehren, radikalisiert und kampferprobt, in ihre Heimatländer zurück.

Erst im Mai hatte ein Syrien-Heimkehrer im Jüdischen Museum von Brüssel vier Menschen erschossen. Der französische Extremist war zuvor über den Flughafen Frankfurt in die Europäische Union eingereist. Weil ihn die französischen Behörden nur zur verdeckten Fahndung ausgeschrieben hatten, wurde er nicht festgenommen. Der Islamist konnte ungehindert weiterreisen und ein paar Wochen später zuschlagen.

Deutschland hat Interesse an “Five Eyes”

In ganz Europa warnen Sicherheitspolitiker seitdem noch dringlicher vor der Gefahr der Dschihad-Rückkehrer. Auf der Ebene der Nachrichtendienste soll – so fordern es auch Politiker in Deutschland – die Kooperation mit den internationalen Partnern ausgebaut werden. Ein Attentat wie in Brüssel soll sich nicht wiederholen. In Deutschland bedeuten die Reisebewegungen der Islamisten nach Syrien und in den Irak eine hohe Arbeitsbelastung sowohl für den Inlands- als auch für den Auslandsdienst.

Mehr als 400 Ausreisen zählt der Verfassungsschutz. Rund 100 Islamisten sollen inzwischen zurückgekehrt sein, einige mit Kampferfahrung. Manche von ihnen sollen sich “auffällig unauffällig” verhalten.

Dieses Wissen über die Krisen im Ausland und die möglichen Folgen im Inland – all das landet auf Fritsches Schreibtisch. Umso wichtiger ist die Kooperation mit internationalen Partnern. Erst vor ein paar Tagen kehrte er aus den USA zurück. Unter anderem war er dort, um sich über die Arbeit der “Five Eyes” zu informieren – des mächtigen Nachrichtendienstverbunds, zu dem sich Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland und Amerika zusammengeschlossen haben. Von diesem Wissen möchte auch Deutschland stärker profitieren. Fritsche arbeitet deshalb an einer Vereinbarung über die künftige Zusammenarbeit. Er weiß, dass die deutschen Dienste zwar viel mitbekommen – am Ende aber immer nur über ein paar Puzzleteile des Weltgeschehens verfügen.

Der Artikel auf welt.de

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Der Ex-Stasi-Offizier und seine Flüchtlingsheime

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Der Ex-Stasi-Offizier und seine Flüchtlingsheime

In der DDR jagte Wilfried Pohl Republikflüchtlinge. Heute betreibt er Heime für Asylbewerber. Ein Wandel zum Guten? Seine Heime sorgen immer wieder mit menschenunwürdigen Bedingungen für Schlagzeilen.

Von Ileana Grabitz , Uwe Müller , Lars-Marten Nagel , Johanna Schiele und Vanessa Schlesier, Radebeul

Der Konferenztisch aus braunem Furnierholz hat bessere Tage gesehen, ein abgestandener Geruch liegt über den Möbeln, der Blick raus auf die verfallenen Garagen vor dem Fenster ist trist. Doch die Ordnung besticht. Akkurat stehen Aktenordner im Regal. Der Schreibtisch, das sauber gescheitelte Haar des Chefs signalisieren Disziplin. Wilfried Pohl, 58 Jahre und Betreiber von acht Asylbewerberheimen, hat hier alles im Griff. An der Wand hängt ein Zitat Winston Churchills, als sei es Pohls Lebensmotto. “Es gibt Leute, die halten Unternehmer für einen räudigen Wolf, den man totschlagen muss”, sagte der britische Staatsmann dereinst. “Nur wenige sehen in ihm das Pferd, das den Karren zieht.”

Dass Pohl sich gern ins Zeug legt, ist verbrieft. “Mit Fleiß, Umsicht und Eigeninitiative” habe er stets die ihm übertragenen Aufgaben gelöst, schrieben Chefs früher über ihn, lobten seine Disziplin und Prinzipientreue. Doch die, die ihn auszeichneten, hatten mit dem Kapitalismusverfechter Churchill wenig zu tun: Wilfried Pohl diente als hochrangiger Offizier dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR.

Und was er tat, tat er hundertprozentig. Er jagte im Auftrag der SED-Geheimpolizei Republikflüchtlinge – und sollte dabei auch mit einem Fall zu tun bekommen, der später für Furore sorgte. Er soll Jutta Fleck verhört haben, die damals noch Gallus hieß. Jene Frau, die mit ihren zwei Töchtern fliehen wollte, von ihnen getrennt und allein in die Bundesrepublik abgeschoben wurde – und die später als “Frau vom Checkpoint Charlie” in die Annalen einging.

Bis zu 1500 Flüchtlinge beherbergt der Ex-Stasi-Mann

Dieser Fall ist Geschichte, die Karriere von Wilfried Pohl ist es nicht. Noch immer ist der Mann, der ehedem Republikflüchtlinge einschüchterte, im Geschäft mit Flüchtlingen beschäftigt – allerdings nicht mehr im Dienst der Staatssicherheit, sondern im Dienste deutscher Kommunen. Mit seinen acht Großunterkünften für Flüchtlinge ist Pohl heute einer der größten privaten Betreiber von Asylbewerberheimen. Bis zu 1500 Asylbewerber beherbergt er mit seinen Firmen ITB Dresden und S&L in Oberursel. Doch die Fürsorge für die Menschen in seiner Obhut lässt oftmals zu wünschen übrig. Immer wieder sorgen seine Heime mit menschenunwürdigen Bedingungen für Schlagzeilen. Im “Heim-TÜV”, einem Vergleich der Flüchtlingsherbergen des sächsischen Ausländerbeauftragten, schneiden Pohls Herbergen schlecht ab.

Und die Behörden schauen einfach zu. Nicht einmal die Tatsache, dass sie einem Ex-Stasi-Offizier ihre Flüchtlinge anvertrauen, ist von Interesse. Auf Anfrage antworten die betroffenen Landkreise aus Hessen, Sachsen und Thüringen ähnlich. Pohls Vergangenheit sei unbekannt gewesen, wäre aber für die öffentlichen Ausschreibungen ohnehin nicht relevant gewesen. Grundsätzlich sei man mit seiner Arbeit zufrieden. Der Landkreis Meißen teilt noch mit: “Der Tagessatz pro belegtes Bett beträgt 6,50 Euro und liegt damit weit unter den Sätzen vergleichbarer Anbieter.” Das ist es also. Pohl löst das Asylproblem der Kommunen billiger als die Konkurrenz. Auch für ihn lohnt sich das: Jedenfalls kann sich Pohls Familie heute ein großzügiges lachsfarbenes Einfamilienhaus im Dresdener Speckgürtel leisten.

Der Fall wirft ein Schlaglicht darauf, was bei der Organisation der Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland schiefläuft: Kaum Auflagen gibt es für die privaten Betreiber, wenig Kontrollen, kaum verbindliche Standards. Nur der Preis muss stimmen. Damit ist der Markt zum Tummelplatz für Leute geworden, die in ihren Methoden nicht gerade zimperlich sind – und die Gunst der Stunde schon früh erkannt haben.

Die Karrierewende: Vom Vernehmer ins Flüchtlingsgeschäft

Vor 25 Jahren hatte der zweifache Familienvater mitten im Zentrum der Macht gestanden, binnen weniger Jahre hatte es der gelernte Dreher und einstige Student der Kriminalistik zum Stasi-Hauptmann gebracht, da fiel die Mauer – und Genosse Pohl aus seiner Zeit. Er habe damals Mühe gehabt, mit den Geschehnissen seinen Frieden zu machen, erzählt er. Vernehmer von seinem Schlag brauchte man nicht mehr. Aber Sicherheitsdienstleistungen konnte man im kapitalistischen Westen sehr wohl verkaufen – ein Metier, in dem sich Pohl, der in den 70er-Jahren als NVA-Soldat an der innerdeutschen Grenze Pässe kontrolliert hatte, bestens auskannte. Also sprang er auf den Zug einiger alter Bekannter aus Polizei, Stasi und NVA einfach auf: Man wollte gemeinsam ein Business aufziehen.

Anfang der 90er-Jahre gab es Krieg auf dem Balkan, Flüchtlinge kamen zu Hunderttausenden nach Deutschland, und Pohl und seine Kollegen witterten ihre Chance: Gemeinsam zogen sie über das Land, suchten ausgediente DDR-Liegenschaften, um Herbergen für Flüchtlinge anzubieten. Sie organisierten ein lästiges Problem für die Kommunen, kassierten dafür Dumpingpreise, beide Seiten profitierten.

Man war froh, wieder Arbeit zu haben, doch irgendwann ging es mit Pohl und seinen Kollegen auseinander. Ende der 90er blieb er als einziger Geschäftsführer der ITB Dresden zurück und konnte fortan alleine schalten und walten. Seinen Bruder Werner, einen ehemaligen Stasi-Major aus der Abteilung “Kader und Schulung” in Magdeburg, versorgte er mit. Der wurde Hausmeister in einem Heim für Flüchtlinge im hessischen Oberursel. Dort sind die Zustände seit Jahren besonders unwürdig. 220 Menschen leben dort eingepfercht in zwei Container, das Haus ist voller Kakerlaken, Waschräume und Toiletten sind unerträglich verdreckt und zum Teil unbenutzbar.

“Stets eine gute Geständnisbereitschaft”

Schon zu DDR-Zeiten hatte Pohl offenkundig kein Problem damit, die Menschenwürde zu verletzen. Seit 1982 saß er in der Bautzener Landstraße in Dresden, in der vierten Etage des berüchtigten Gefängnisses für Untersuchungshäftlinge der Stasi. In den Etagen unter ihm hockten die Häftlinge in ihren Zellen, der Willkür ihrer Peiniger ausgeliefert. Seine Vorgesetzten lobten Pohl ausdrücklich dafür, wie er “bei Straftätern im Rahmen von Staatsverbrechen stets eine gute Geständnisbereitschaft” erzielte.

Pflichtbewusstsein prägt Pohl bis heute. Nun eben im Namen der Kommunen Hochtaunuskreis, Landkreis Meißen, Nordsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Erzgebirgskreis und Waltershausen in Thüringen.

Fast ein wenig selbstzufrieden führt der Unternehmer Besucher durch die Flure des Heims in Radebeul nahe Dresden. Der Putztrupp muss gerade fertig geworden sein. Pfützen glänzen auf den Kacheln, die Toiletten sind frisch gewischt. Unter einer nackten Glühbirne bleibt Pohl stehen und berichtet von der Zerstörungswut, die entsteht, wenn 120 Männer auf engstem Raum leben müssen. “Sie haben einfach den Lampenschirm abgeschraubt”, sagt er. Den massiven Metalltisch aus der Küche hätten sie aus dem Fenster geworfen. Sein Hausmeister käme mit den Reparaturen nicht hinterher. Diese Wahrheiten würden seine Kritiker unterschlagen, sagt Pohl.

Doch sein Fall wirft vor allem eine Frage auf: Darf Deutschland Flüchtlinge aus Terror- und Unrechtsstaaten, aus Krieg und Elend, tatsächlich den Kadern der letzten Diktatur auf deutschem Boden überlassen?

Die “Frau vom Checkpoint Charlie” erinnert sich

“Das ist skandalös”, sagt Jutta Fleck. Sie sitzt im “Eiscafé Paradiso” am Wiesbadener Hauptbahnhof. Rosa Uhr, roter Schal, gepunktete Bluse. Bis heute gibt sie sich unangepasst. Mit ihren beiden Töchtern wollte sie 1982 über Rumänien fliehen, flog dann aber auf. Nach monatelangen Verhören stand die Strafe für den “schweren Fall von Republikflucht” fest: dreieinhalb Jahre Gefängnis. Sie war Mitte dreißig.

Die Bundesrepublik kaufte sie kurz vor Ende der Haft frei, aber ihre minderjährigen Töchter blieben beim linientreuen Vater, mussten im DDR-Staatsfernsehen auftreten – während ihre Mutter vom Westen aus zuschauen musste. Drei Jahre kämpfte Fleck um ihre Ausreise. Sie trat in Hungerstreik, sprach beim Außenminister vor, beim Bundeskanzler, selbst beim Papst. Und bei jedem Wetter machte sie sich auf zum Berliner Grenzübergang Checkpoint Charlie, um dort mit selbst gestalteten Plakaten gegen die Trennung von ihren Töchtern zu protestieren. Bis 1988 musste sie sich gedulden, dann ließ man ihre Kinder endlich ausreisen.

Die Verhöre und die perversen Drohungen der Vernehmer kann Fleck bis heute nicht vergessen. “Sie werden Ihre Kinder nie wiedersehen”, habe man ihr angedroht. Vor allem die zornesroten Gesichter ihrer Peiniger, die nicht abließen von ihr, sie wieder und wieder quälten mit ihren Befragungen, sind der heute 68-Jährigen in Erinnerung geblieben. Als sie das Foto von Wilfried Pohl sieht, platzt es aus ihr heraus. “Das war einer der Schlimmsten.”

Pohl sagt, er könne sich nicht an Fleck erinnern, könne aber nichts ausschließen. “Kann sein, dass ich solche Befragungen oder Vernehmungen durchführen musste, möglich.” Fest steht: Im Herbst 1982 waren beide zeitgleich in der Haftanstalt in Dresden.

“Ich war Teil dessen, und dazu stehe ich auch”

Wilfried Pohl, auch das ist verbrieft, stand damals ziemlich unter Druck. Das Studium der Kriminalistik, zu dem ihn die Stasi an die Humboldt-Universität delegiert hatte, war ihm nicht leichtgefallen. Zeitweise sei es ihm nicht gelungen, “den Studienanforderungen gerecht zu werden”, hielten die Genossen fest. Es gab Aussprachen, Selbstkritik und Einträge in die Akte. In Dresden bekam der junge Leutnant und Untersuchungsführer nun erstmals die Chance, sich im Beruf zu beweisen – und Jutta Fleck könnte eine der ersten großen Bewährungsproben für ihn gewesen sein.

Mehr als vier Jahrzehnte sind seither vergangen, fast 24 Jahre Bundesrepublik, Pohl hat sich allen Widrigkeiten zum Trotz etwas aufgebaut. Bis eben noch war er ganz Unternehmer, angesprochen auf seine Vergangenheit, wird er still. “Ich war Teil dessen”, sagt der Mann leise. Er habe immer im Rahmen der DDR-Gesetzlichkeit gehandelt. “Und dazu stehe ich auch.”

Die Antwort auf die Frage, wie das alles mit seiner heutigen Arbeit im Asylgeschäft zusammenpasst, erstaunt angesichts der miserablen Zustände in einigen seiner Heime dann allerdings doch: “Vielleicht”, sagt Pohl, “ist das mein Weg, ein bisschen mit mir selbst ins Reine zu kommen.”

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Reaktionen: Die Wahrheitsliebe der Staatsplünderer

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Reaktionen: Die Wahrheitsliebe der Staatsplünderer

Es war klar, dass die Enthüllungen der „Welt am Sonntag“ über die sechs politischen Stiftungen in Deutschland selbst nicht gerade Begeisterungsstürme auslösen werden. Einige Reaktionen zu dem Titelthema „Die Staatsplünderer“ haben uns dann aber doch überrascht: Mit einer Pressemitteilung versucht die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung, den sie betreffenden Skandal zu bagatellisieren. Die Heinrich-Böll-Stiftung wiederum hat auf ihre Internetseite eine Philippika gestellt. Beide Wortmeldungen verdienen eine Kommentierung.

Die Seidel-Stiftung mit Sitz in München betreibt zwei Bildungsstätten: in Wildbad Kreuth und Kloster Banz. Für solche Tagungs- und Hotelbetriebe hatte der Bundesrechnungshof bereits in den 90er-Jahren verfügt, dass eine Mindestauslastung von 80 Prozent mit „Maßnahmen der politischen Bildung“ erreicht werden muss – ansonsten entfällt der Anspruch auf Förderung. Weder Kreuth noch Banz erreichten die Mindestauslastungs, was die Stiftung allerdings nicht davon abhielt, weiterhin Steuermittel einzusetzen. Als das herauskam, musste sie 1,8 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen. Das geht aus internen Unterlagen des Bundesinnenministeriums hervor, die der „Welt am Sonntag“ exklusiv vorliegen.

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Diese Fakten werden von der Seidel-Stiftung keineswegs bestritten. Allerdings weist sie den „Vorwurf der vorschriftswidrigen Verwendung“ von Steuermitteln „als unzutreffend zurück“. Die vom Rechnungshof vorgegebene Quote sei „rechtlich und faktisch umstritten“, sie sei sogar „fiktiv“ . Diese Argumentation erstaunt dann doch: Denn das ist so, als ob ein Steuerhinterzieher sein Vergehen damit begründet, dass ihn die Gesetze nicht überzeugen. Die Regeln, die der Rechnungshof für Bildungsstätten in ganz Deutschland festgelegt hatte, sind eindeutig. Und sie waren den Verantwortlichen der Stiftung laut den Dokumenten aus dem Innenministerium auch bekannt. Sie seien darauf „wiederholt hingewiesen worden“, heißt es in den Papieren. Dennoch fühlte sich die CSU-nahe Organisation an solche Vorschriften offenkundig nicht gebunden.

Unseren Informationen zufolge ist die Summe der von der Seidel-Stiftung eingesetzten Steuermittel durchaus stattlich: Je nach Berechnung kommt man auf einen Betrag von 8,7 Millionen bis 22 Millionen Euro. Das Innenministerium setzte mit Zustimmung der Stiftung allerdings nur bescheidene zwölf Millionen Euro an, von denen die Stiftung wiederum lediglich 15 Prozent zurückzahlen musste: 1,8 Millionen Euro, die zudem auch noch in drei Raten abgestottert werden durften. Die Seidel-Stiftung stellt dazu fest: „Der außergerichtliche Vergleich ist für alle Beteiligten zukunftsorientiert.“ Den Steuerzahler hat sie dabei wohl außer acht gelassen.

Gleiches gilt für die Böll-Stiftung, die statt Detailkritik gleich Fundamentalkritik übt. Sie unterstellt unserem Artikel in der „Welt am Sonntag“ in ihrer Pressemitteilung „viel Lärm, wenig Substanz“: „Bei Lichte betrachtet, kocht der Artikel im Wesentlichen bereits bekannte und längst geklärte Vorwürfe neu auf.“ So könne von einer „weitgehend unkontrollierten Mittelverwendung” keine Rede sein. Genau dafür haben wir in unserem Beitrag über „Die Staatsplünderer“ jedoch viele Beispiele angeführt. Dokumentiert sind sie in internen Unterlagen von Bundesministerien, die wir erstmals einsehen konnten.

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Ferner will die Böll-Stiftung der Öffentlichkeit weismachen, dass die politischen Stiftungen nicht „bevorzugt aus dem Bundeshaushalt bedient würden“. Das ist allerdings nicht wahr: Tatsächlich kennen die Etats der Stiftungen seit Jahren nur eine Richtung – steil nach oben. Seit Merkels Amtsantritt sind die Mittel um fast 50 Prozent emporgeschnellt, während der Bundesetat gerade einmal um 14 Prozent gestiegen ist.

Wir haben die Stiftungsgeschäftsführerin Livia Cotta während unseres Treffens sogar mit den Zahlen konfrontiert. Sie rechtfertigte dies und und veranschaulichte damit erneut die Hybris der Stiftungen, deren Einnahmen sich völlig von der Entwicklung bei den Löhnen und Gehältern oder von den Preisen abgekoppelt haben.

Schließlich beschwert sich die Böll-Stiftung darüber, dass die „Welt am Sonntag“ Unregelmäßigkeiten bei ihr aufgegriffen hat.  Wir haben aus einer 30 Seiten umfassenden Mitteilung des Bundesrechnungshofes zitiert, der „die Ordnungsmäßigkeit bei der Abrechnung von Global- und Projektmitteln“ bei der Böll-Stiftung in zahlreichen Fällen moniert und dies dem Innenministerium mitgeteilt hatte. Das Ressort ließ die Vorwürfe durch das Bundesverwaltungsamt prüfen. Laut Rechnungshof stellte die Behörde fest, die Böll-Stiftung habe „grob gegen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Wirtschaftsführung verstoßen“. Doch die Stiftung stellt das so dar, als ob es bloß „um rund 20 Euro“  gegangen sei. So viel zum Thema Wahrheitsliebe.

 

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Das Kartell der Staatsplünderer

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Das Kartell der Staatsplünderer

Weil die Finanzierung der Parteien schwierig ist, pumpen die Parlamentarier immer mehr Geld in ihre Stiftungen. Millionen landen dort, wo sie nicht hingehören. Fehlende Transparenz macht das möglich.

Kloster Banz in Oberfranken wird ebenso wie die Tagungsstätte in Wildbad Kreuth von der Hanns-Seidel-Stiftung betrieben. Kritikerhalten die Verwendung von Steuermitteln für intransparent  Foto: picture alliance / dpa

 

Von Martin Lutz und Uwe Müller

Es lag eine Nacht der langen Messer hinter ihm, als Edmund Stoiber im Januar 2007 mit bleichem Gesicht vor die Kameras trat. “Ich kann, aber ich muss nicht”, sagte er. Kurz zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident noch angekündigt, bis 2013 regieren zu wollen. Doch die CSU wollte endlich jenen Mann loswerden, der den Freistaat schon eine halbe Ewigkeit regiert hatte. Stoiber beugte sich schließlich.

Wieder einmal war in Wildbad Kreuth Geschichte geschrieben worden. In dem gelb getünchten Prachtbau vor einer Alpenkulisse hatten sich Parteifreunde darauf verständigt, Stoibers Karriere als Regierungschef zu beenden. Wildbad Kreuth, das ist der alljährliche Schauplatz der Winterklausur der CSU. Immer wieder werden hier kunstvolle Intrigen, mutige Beschlüsse und wüste Attacken erdacht.

Seit jeher steht der Ort für den Selbstbehauptungswillen der weiß-blauen Volkspartei. Ein Symbol, ein Wallfahrtsort der CSU. Um das Haus rankt sich jetzt allerdings auch ein Skandal, der den Steuerzahler schon viele Millionen Euro gekostet hat. In seinem Zentrum steht die Denkfabrik der Partei, die Hanns-Seidel-Stiftung. Sie unterhält den Tagungs- und Hotelbetrieb mit 120 Zimmern, der tiefrote Zahlen schreibt.

Die Verluste beglichen die Stiftungsoberen jahrelang mit Steuermitteln. Dabei verstießen sie gegen Vorschriften des Bundesrechnungshofes. Als staatliche Kontrolleure dies aufdeckten und auf Wiedergutmachung drängten, waren die Verantwortlichen uneinsichtig. Ein Bundesminister der CSU sorgte dafür, dass es eine Lösung ganz im Sinne der eigenen Stiftung gab. Die delikate Angelegenheit, von der noch die Rede sein wird, wurde wie ein Staatsgeheimnis gehütet.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Praktiken der politischen Stiftungen in Deutschland. Diese Organisationen, insgesamt sechs an der Zahl, haben nach Recherchen der “Welt am Sonntag” fragwürdige Methoden entwickelt, um ihre Besitzstände zu sichern. Sie scheinen geradezu im Geld zu schwimmen. Politiker haben, wie im Fall der Seidel-Stiftung, viel dafür getan, dass es so kam. Warum päppeln sie die Stiftungen? Und was machen die eigentlich mit dem ganzen Geld?

Zweifelhafte Kontrolle der Geldverwendung

Die politischen Stiftungen haben drei Aufgaben: Im Inland sollen sie das politische Engagement der Bürger und den akademischen Nachwuchs fördern, im Ausland beim Aufbau von Demokratien helfen. So weit die Theorie. Tatsächlich aber kontrolliert niemand wirklich, ob und wie sie das tun. Der Bürger hat praktisch keinen Einblick. Und weil die Einrichtungen unter besonderem Schutz der Politik stehen, sind staatliche Kontrollbehörden oft machtlos, wenn sie Unregelmäßigkeiten abstellen wollen.

Nun werden die Stiftungen vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüft. Die Richter wollen über eine Klage entscheiden, in der der Vorwurf erhoben wird, das Stiftungswesen diene letztlich dazu, die etablierten Parteien in verdeckter Form zu finanzieren. Laut Grundgesetz wäre das nicht statthaft. Die Stiftungen dürfen keinen Wahlkampf machen und auch nicht Steuergelder für Parteiarbeit einsetzen. Es ist ihnen verboten, Erfüllungsgehilfen der jeweiligen Mutterpartei zu sein. Die Entscheidung des Gerichts, die in den nächsten Monaten fallen soll, könnte von großer Bedeutung für das politische System der Republik sein.

Mitte April dieses Jahres, zu Besuch bei der Friedrich-Naumann-Stiftung, die eng mit der FDP verbunden ist und in einer berühmten Potsdamer Villa residiert. Als die Edelmeile noch Kaiserstraße hieß, wohnten in dieser Gegend die Schönen und Reichen: Marlene Dietrich, Heinz Rühmann oder Marika Rökk. Nach dem Weltkrieg zog US-Präsident Harry S. Truman während der Potsdamer Siegerkonferenz in das heutige Stiftungsgebäude ein, das seitdem auch “Little White House” genannt wird.

Rolf Berndt, im April noch Geschäftsführer der Stiftung, sitzt im Prunkzimmer des Gründerzeitbaus, in einem lichtdurchfluteten Zimmer im ersten Stock. Sein Büro ist im Stil der klassischen Moderne eingerichtet. Blickt Berndt durch die Fenster, sieht er einen prächtigen Park und den Griebnitzsee. In Potsdam gibt es kaum eine schönere Aussicht. Seit zwanzig Jahren übt Berndt seine Funktion aus, länger als alle seine Kollegen in den anderen Stiftungen. Er nimmt sich viel Zeit, die großen Verdienste des Stiftungswesens zu erklären.

“Ronald Reagan, der Deutschland Anfang der 80er-Jahre besuchte, war sehr vom System der politischen Stiftungen in Deutschland beeindruckt”, sagt Berndt. Seine Stiftung setze sich weltweit für Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft ein. “Damit wollen wir auch einen Beitrag zur Demokratisierung politischer Systeme leisten.”

Selbstbewusstsein durch internationale Anerkennung

Der Polit-Manager, der früher FDP-Bundesgeschäftsführer war, kommt viel herum und ist meist ein gern gesehener Gast. Die südkoreanische Hanyang-Universität in Seoul hat ihm die Ehrendoktorwürde verliehen. Das Gespräch mit Berndt, wie auch das mit seinen Kollegen aller anderen Stiftungen zeigt: An Selbstbewusstsein mangelt es ihnen nicht. Kein Wunder, denn die Apparate, denen sie vorstehen, sind gewaltig.

Das größte Budget hat die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah), dicht gefolgt von der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah). Aber auch die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne-nah), die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah), die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke-nah) und die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP-nah) verfügen über beachtliche Etats.

Alle zusammen beschäftigen ein Heer von mehr als 2000 Angestellten. In den Auslandsbüros arbeiten noch einmal etwa so viele “Ortskräfte”, darunter Dolmetscher, Fahrer und Köche. Während Deutschland rund um den Globus gut 150 Botschaften unterhält, leisten sich die Stiftungen insgesamt fast doppelt so viele Vertretungen und Büros.

Selbst ein Fossilien-Museum im Portfolio

Ihre Immobilien sind über die gesamte Republik verstreut. Sie besitzen eigene Akademien, angegliederte Verlage, Bibliotheken sowie Archive zur Geschichte der jeweiligen Partei. Sie geben die Marx-Engels-Werke heraus und betreiben das Karl-Marx-Haus in Trier. Sie haben beachtliche Kunstschätze, selbst ein Museum mit Fossilien und orientalischen Exponaten zählt zum Portfolio. Und sie bieten verdienten Politikern nach der aktiven Laufbahn eine attraktive Betätigung.

Der frühere SPD-Chef und Ministerpräsident Kurt Beck ist heute Vorsitzender der Ebert-Stiftung, der ehemalige Präsident des EU-Parlaments Hans-Gert Pöttering (CDU) sitzt auf dem Chefsessel der Adenauer-Stiftung. Die Grüne Kerstin Müller, einst Staatsministerin im Auswärtigen Amt, leitet als Direktorin das Israel-Büro der Böll-Stiftung.

Auch viele amtierende Politiker engagieren sich in den Stiftungen. Ob Bundestagspräsident Nobert Lammert, Kanzlerin Angela Merkel, mehrere Bundesminister (Frank-Walter Steinmeier, Manuela Schwesig, Barbara Hendricks, Alexander Dobrindt), Fraktionsvorsitzende (Volker Kauder, Thomas Oppermann, Gregor Gysi), Parteichefs (Horst Seehofer, Katja Kipping, Bernd Riexinger, Christian Lindner) sowie Ministerpräsidenten (Hannelore Kraft, Annegret Kramp-Karrenbauer, Christine Lieberknecht) – sie alle nehmen Einfluss in den Gremien. Politik, Parteien und Stiftungen bilden ein engmaschiges Geflecht. Manchmal ist es zu eng.

Eine Beamtin des Finanzamtes nahm sich neun Tage Zeit, um die Unterlagen aus der Buchhaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung anzusehen. Und sie wunderte sich von Tag zu Tag mehr. Was sie da vor sich hatte, war aus steuerrechtlicher Sicht sehr heikel. Die Stiftung hatte offenbar regelrechte Gelage von Bereichsleitern geltend gemacht, obwohl die Freigrenze von 40 Euro pro Person und Mahlzeit überschritten worden war. Zudem waren Beschäftigte der Stiftung mit Geschenken bedacht worden, ohne dass dafür Umsatzsteuer entrichtet worden wäre. Dann kam auch noch eine Dienstwagenaffäre ans Licht.

Geschäftsführer Berndt und Stiftungschef Wolfgang Gerhardt, früher Parteivorsitzender und Fraktionschef der FDP, hatten ihre Autos jahrelang für private Fahrten genutzt, obwohl ihnen dies laut Finanzamt nicht erlaubt war. Die Fahrtenbücher waren schlampig geführt. Die Behörde forderte die Stiftung auf, allein dafür gut 85.000 Euro nachzuversteuern. Unter dem Strich bleibt: Eine Organisation, die von Steuermitteln lebt, hat gegen Steuergesetze verstoßen.

Berndt, der in dieser Woche sein Amt aus Altersgründen aufgab, teilte in einer schriftlichen Antwort mit: “Von einem ,Eingeständnis eines Fehlverhaltens’ kann überhaupt keine Rede sein.” Seine Stiftung habe abwägen müssen, ob sie sich auf einen langen und teuren Rechtsstreit einlassen solle.

Warum sich die Umfeldorganisationen der Parteien so etwas überhaupt erlauben können? Die Antwort ist einfach: Sie nehmen es nicht so genau. Und sie bekommen ihr Geld, so oder so. Wie viel genau, das ist nicht leicht herauszufinden. Denn im Bundeshaushalt gibt es keine Gesamtsumme, die sich auf einen Blick erfassen ließe. Die Staatsgelder, die an die Stiftungen fließen, sind in vielen einzelnen Haushaltsposten versteckt.

Macht man sich die Mühe, alles zusammenzutragen, wird deutlich, dass die Stiftungen äußerst freigiebig bedacht werden – und auch die Steigerungsraten von Jahr zu Jahr sind enorm. So fließt ihnen in diesem Jahr fast eine halbe Milliarde Euro zu. Die Parteien selbst erhalten ein Drittel dieser Summe. Dabei hatte nach der Wiedervereinigung noch eine Kommission zur Parteienfinanzierung, die der damalige Präsident Richard von Weizsäcker ins Leben gerufen hatte, bei den politischen Stiftungen eine “weise Beschränkung” angemahnt.

“Die Zuwachsrate des gesamten Bundeshaushalts sollte grundsätzlich nicht überschritten werden”, schrieben die Experten in ihren Abschlussbericht eins. Doch darum schert sich heute keiner mehr. Spätestens nachdem CDU-Chefin Angela Merkel 2005 mit ihrer ersten großen Koalition gestartet war, uferte die Finanzierung der Stiftungen völlig aus.

Ihre Etats sind bis einschließlich 2014 um fast 50 Prozent in die Höhe geschossen, während der Bundeshaushalt lediglich um knapp 14 Prozent angestiegen ist. Die Stiftungen bekommen immer mehr Geld, auch Lohnentwicklung, Preissteigerung oder Wirtschaftswachstum sind da weit zurückgeblieben. Man könnte auch sagen: Die Zuwächse bei den Stiftungen haben mit der Lebensrealität der Deutschen wenig zu tun.

Das fällt auch deswegen nicht auf, weil das Bezahlsystem eben vollkommen undurchsichtig ist. Lediglich die Finanzierung durch das Bundesinnenministerium ist leicht zu durchschauen. Es stellt die Basisausstattung: die sogenannten Globalzuschüsse. Diese Mittel sind für die Stiftungen besonders wertvoll, sie werden pauschal ausgezahlt. Wofür das Geld genau verwendet wird? Fast egal. Die Ausgaben müssen nur irgendwie unter die Rubrik “politische Bildung” fallen. Zu den Globalzuschüssen kommen dann noch diverse Sondertöpfe.

Sogar für die Klimaschutzförderung Geld kassiert

Beispielsweise im Entwicklungshilfeministerium. Es hatte Geld für den Klimaschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern ausgereicht. Dabei wurden laut einem internen Vermerk des Ministeriums vom 7. November 2011 die Stiftungen kurzerhand zu “wichtigen Partnern” auserkoren. Sie seien damit “bei der Mittelverteilung gegenüber anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen” – die drei folgenden Worte sind bezeichnenderweise fett gedruckt – “deutlich bevorzugt berücksichtigt” worden. Nicht nur hier.

Die Stiftungen werden auch vom Auswärtigen Amt gesponsert. Für die Stipendiaten der Parteiinstitute wiederum ist das Bildungsministerium zuständig. Das macht insgesamt vier Bundesressorts, die Jahr für Jahr nach jeweils eigenen Maßstäben Beträge in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe verteilen. Wer soll da noch durchblicken?

Schon im Dezember 2013 hatte die “Welt am Sonntag” bei mehreren Ministerien Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt. Es dient dazu, staatliches Handeln transparent zu machen, und schreibt Behörden vor: “Der Informationszugang soll innerhalb eines Monats erfolgen.” Tatsächlich musste die Redaktion bis zu acht Monate darauf warten. Erst nachdem die Redaktion eine Klage wegen Untätigkeit angedroht hatte, wurden die letzten Akten vom Entwicklungshilfeministerium zur Verfügung gestellt. Darin fand sich ein aufschlussreiches Protokoll.

Das Gesetz über die Informationsfreiheit empfand der damalige FDP-Ressortchef Dirk Niebel offenbar als lästig. Ebenso wie drei Stiftungsvorstände, die sich in einem Gespräch mit ihm über die Transparenzvorschrift beschwert hatten. Niebel sagte laut Protokoll, er teile deren Einschätzung “über Gefahren des IFG”. Ein Minister kritisiert also ein Gesetz, zu dessen Einhaltung er verpflichtet ist und das die Stiftungen fürchten.

Interna sollen nicht publik werden und die Bürger nicht erfahren, wie reibungslos das Zusammenspiel zwischen Regierung, Parteien und Stiftungen funktioniert. Und die sonst übliche Kontrolle, sie gilt für Stiftungen nur eingeschränkt.

Merkel ist der Adenauer-Stiftung besonders dankbar

Kanzlerin Angela Merkel erzählt manchmal, dass sie ohne die Konrad-Adenauer-Stiftung niemals das geworden wäre, was sie heute ist. Die Geschichte geht so: Nachdem in Ost-Berlin die Mauer gefallen war, engagierte sie sich im Demokratischen Aufbruch. Die Oppositionsgruppe beauftragte sie mit der Betreuung von Journalisten, die von der befreundeten Adenauer-Stiftung eingeladen worden waren.

Für so etwas sei sie nicht legitimiert, erklärte die gelernte Physikerin. Deshalb ernannten ihre Mitstreiter sie kurzerhand zur Parteisprecherin. Was sich daraus entwickelte, hat Deutschlands mächtigste Frau nicht vergessen: “So begann eine Karriere, die mich in das Amt einer Regierungssprecherin in der letzten DDR-Regierung führte, und ich danke noch heute der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Organisation dieser journalistischen Veranstaltung!” Eine Stiftung war das Sprungbrett zu Beginn ihrer Laufbahn. So etwas verbindet.

Merkel, die der Mitgliederversammlung und dem Vorstand angehört, ist überzeugt: “Wir brauchen die politischen Stiftungen und wir brauchen die Konrad-Adenauer-Stiftung in ganz besonderer Weise.” Damit gibt sie den Takt vor, dem die Abgeordneten aller Fraktionen im Bundestag gern folgen. Und so laufen die Budgetverhandlungen des Parlaments mit den Stiftungen völlig anders ab als sonst üblich.

Die Mitglieder des Haushaltsausschusses suchen gewöhnlich nicht diejenigen auf, denen der Staat Geld zuweist. Für die Stiftungen machen sie schon mal eine Ausnahme. Am 18. März dieses Jahres kam in der Berliner Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung eine illustre Runde zusammen. An einem langen Konferenztisch im ersten Stock des Gebäudes nahmen 30 Personen Platz: die Chefs der Stiftungen, einige Vertreter des Innenministeriums und eben die Haushälter der Fraktionen. Wegen der Bundestagswahl wurde über den Etat 2014 erst während des laufenden Jahres beraten.

Zu dem sogenannten Stiftungsgespräch kamen die Haushälter als Freunde. Während sie sonst fast jeden Posten im Bundeshaushalt ausgiebig prüfen, mitunter drastische Korrekturen vornehmen und Minister zum Rapport laden, müssen sich die Stiftungen nicht einmal die Mühe machen, ihre Forderungen großartig zu begründen. Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf, wenn man das vertrauliche Sitzungsprotokoll liest.

Die Vertreter der Stiftungen verlangten von den Abgeordneten beispielsweise, die Globalzuschüsse aus dem Innenministerium kräftig aufzustocken. Auf die 98 Millionen Euro sollten mindestens vier Millionen draufgelegt werden. Mit dem forschen Auftreten der Geldempfänger hatte die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch, kein Problem. Im Gegenteil, die Linken-Politikerin riet ihnen sogar dazu, noch viel offensiver aufzutreten. Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, “verschämt um Mittel zu bitten”, sagte sie laut Protokoll. Was nicht erstaunen muss: Lötzsch war lange stellvertretende Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Unter ihrer Leitung beschloss der Haushaltsausschuss, den Stiftungen viel mehr zu geben, als diese sich zunächst selbst gewünscht hatten: Statt Globalzuschüssen in Höhe von 102 Millionen Euro waren es am Ende 116 Millionen Euro. Zusammen mit den Projektmitteln erhalten die parteinahen Einrichtungen in diesem Jahr insgesamt 466 Millionen Euro – im Vorjahr hatten die Haushälter noch 32 Millionen weniger bewilligt. Das entspricht einem Plus von 7,4 Prozent. Der Bundeshaushalt dagegen soll um 3,7 Prozent schrumpfen. Die Stiftungen beziehen auch noch Geld von den Bundesländern und aus Brüssel. Damit ist man bei rund einer halben Milliarde Euro.

Wer auf diese Weise bedacht wird, ist gern selbst großzügig. Den Stiftungen haftet der Ruf an, das “Reisebüro für Bundestagsabgeordnete” zu sein. Dutzende von Parlamentariern nutzen das Angebot der Stiftungen für Auslandsaufenthalte. Einzeln betrachtet handelt es sich meist um kleinere Beträge, die in der Summe aber zu Buche schlagen.

Abgeordnete begeben sich so schnell in eine Grauzone, wie das Beispiel von SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider zeigt. Ihm bezahlte die Friedrich-Ebert-Stiftung sieben Auslandsreisen vollständig oder teilweise. Im März und September 2011 besuchte der Sozialdemokrat Diskussionsrunden in Paris und Warschau, die Stiftung trug Hotel- und Flugkosten. Die Kosten der Reise sind das eine. Das andere ist, dass dieses Sponsoring in jene Zeit fiel, in der Schneider haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion war und somit darüber mitentschied, wie viel Geld den Stiftungen zugutekommt. Das erweckt den bösen Schein eines Interessenkonflikts. Schneider beteuert, es habe keinen gegeben: “Das gilt erst recht für weitergehende Vermutungen und Behauptungen.”

Ein kurioser Fall aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung belegt, für welche Reisezwecke Politiker auf Kosten der Allgemeinheit ferne Länder erkunden. Brandenburgs stellvertretender Ministerpräsident Helmuth Markov flog im Februar dieses Jahres sechs Tage nach Neu Delhi, um eine Veranstaltung gegen den Neoliberalismus zu besuchen.

Diesen glaubt die Stiftung selbst 6000 Kilometer von der Heimat entfernt bekämpfen zu müssen. Markov, ein Landesjustizminister der Linken, wollte da nicht fehlen. Anlass für den Indien-Trip war das dreijährige “Jubiläum” des dortigen Büros der Stiftung. Sie übernahm Kosten in Höhe von insgesamt 1425 Euro, wie Markovs Büro mitteilte. Ein Glanzstück für die Demokratie sind solche Verhältnisse jedenfalls nicht. Warum findet sich niemand, der da einschreitet?

Seidel-Stiftung darf nur 40 Mitglieder haben

Die Stiftungen werden von exklusiven politischen Zirkeln gesteuert, in denen handverlesene Persönlichkeiten das Sagen haben. Nur die Friedrich-Naumann-Stiftung ist eine echte Stiftung. Alle anderen Einrichtungen sind eingetragene Vereine. Allerdings: Normalbürger sind dort unerwünscht. Die Hanns-Seidel-Stiftung etwa darf laut Satzung maximal 40 Mitglieder haben. Und die verfügen fast alle über ein CSU-Parteibuch. Die Mitgliedschaft erlischt nach vier Jahren. Wer bleiben und wer neu dazukommen darf, entscheidet der Vorstand. Ihm gehören 14 verdiente Parteigranden an, darunter Theo Waigel, Edmund Stoiber und Horst Seehofer.

In einem derart geschlossenen System sind sich alle einig. Geht es um Belange der Stiftungen, regiert in Berlin eine ganz große Koalition. Ihr gehören selbst hartgesottene Oppositionspolitiker an, die Linke inklusive. Haushaltsausschusschefin Lötzsch etwa rechtfertigt offensiv die Bevorzugung der Stiftungen. Ausgerechnet die Oppositionspolitikerin Lötzsch sagt: “Die Koalitionsvereinbarung hat die Bedeutung der politischen Stiftungen deutlich gemacht. Dem folgen nun Taten.”

Als die Linke noch PDS hieß, hatte sie das Stiftungswesen heftig angeprangert. Damals hatte sie die Bundesregierung ständig mit Anfragen über tatsächliche oder vermeintliche Skandale in den Stiftungen bombardiert. Ab 1999 schwenkte die Partei allerdings auf Kuschelkurs. Denn seitdem kommt auch ihre Rosa-Luxemburg-Stiftung in den Genuss staatlicher Mittel. Gut 350 Millionen Euro waren es bislang.

Auch die Linke bekommt nun eine Stiftungszentrale

Nun kommt ein hübsches Extra dazu: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung darf als Letzte der sechs politischen Stiftungen mit Steuergeldern ein neues Hauptquartier bauen. Es soll im Berliner Szeneviertel Friedrichshain gegenüber der berühmten East-Side-Gallery entstehen und rund 6000 Quadratmeter Geschossfläche haben. Dafür stehen gut 20 Millionen Euro bereit, die bis 2018 abgerufen werden können.

Das folgt der Logik, dass man auch das kriegt, was die anderen haben. Adenauer-Stiftung und die Ebert-Stiftung hatten bereits in den 90er-Jahren repräsentative Neubauten in der Hauptstadt errichtet. Registriert sind die Vereine von beiden aber nach wie vor in Bonn. Dort hat die Stiftung der SPD noch einen riesigen Bürokomplex.

Nach der Wiedervereinigung verdoppelte sie also quasi ihre Infrastruktur. Die christdemokratische Konkurrenz hat sich jetzt immerhin von ihrem Stammhaus in St. Augustin bei Bonn getrennt – aber nur, um mit den Erlösen in Berlin vis-à-vis der CDU-Zentrale noch ein weiteres Haus zu bauen.

Zurück nach Wildbad Kreuth, zu dem verlustreichen Wallfahrtsort der CSU, wo die Hanns-Seidel-Stiftung Fördermittel in Millionenhöhe versenkt hat. Jeder Bürger, der den Staat in vergleichbarer Weise schröpfen würde, müsste sich auf einiges gefasst machen. Gegen Steuerhinterzieher etwa wird hart vorgegangen. Bei Steuerverschwendung im Reich der Stiftungen gelten hingegen andere Maßstäbe.

Bildungsstätten dürfen nur dann subventioniert werden, wenn sie mindestens zu 80 Prozent mit “Maßnahmen der politischen Bildungsarbeit” ausgelastet sind. So hatte es der Bundesrechnungshof einst festgelegt. Wird seine Vorgabe nicht erfüllt, entfällt jeglicher Anspruch auf Förderung. Genau das war in Wildbad Kreuth der Fall – ebenso wie bei der zweiten Tagungsstätte der Hanns-Seidel-Stiftung, dem Kloster Banz in Oberfranken. Trotzdem setzte sie für beide Häuser Steuergelder ein, die vom Bundesinnenministerium kamen.

Diesen Missbrauch konnten Kontrolleure des Bundesverwaltungsamtes rückwirkend für den Zeitraum von 2003 bis 2006 nachweisen. Sie forderten von der Stiftung gut 3,3 Millionen Euro zurück, die sich jedoch dagegen sperrte. Lange passierte nichts. Die Auslastung in Kreuth und Banz blieb weiterhin viel zu niedrig.

Im Zeitraum von 2003 bis 2011, also nicht nur in den vom Amt geprüften Jahren, hat die Stiftung insgesamt zwölf Millionen Euro Steuergeld eingesetzt. So jedenfalls hat es das Bundesinnenministerium berechnet.

Das hat mit Hans-Peter Friedrich zu tun, damals noch Innenminister. Der CSU-Politiker entschied sich für den Vorschlag seiner Beamten, sich gütlich mit der Seidel-Stiftung zu einigen. Kurz darauf lag der Entwurf eines “Außergerichtlichen Vergleichs” vor. Am 7. März 2012 unterschrieben ihn Vertreter des Ministeriums und der Stiftung. Für die Stiftung endete die Affäre damit äußerst glimpflich: Sie musste mit 1,8 Millionen Euro nur einen Bruchteil zurückerstatten. Dafür wurden drei Raten vereinbart, die letzten 600.000 Euro werden in diesem November fällig. Zudem kam Friedrich der Stiftung auch noch mit einer Sonderregelung entgegen. Kreuth und Banz müssen nicht mehr zu 80 Prozent ausgelastet sein, um in den Genuss von Steuergeldern zu kommen. Damit konfrontiert, richtete Friedrichs Büro aus, der Chef sei wegen einer Dienstreise “nicht erreichbar”.

Stiftungsgeschäftsführer Peter Witterauf bestreitet, Steuermittel missbräuchlich verwendet zu haben. Die Auslastungsquote für die Bildungsstätten sei “rechtlich immer umstritten” gewesen. “Deshalb hat die Stiftung auch nie eine Rückzahlungsforderung für gerechtfertigt gehalten”, sagte Witterauf.

Nicht einmal unter der Ägide von Innenminister Otto Schily (SPD), der als harter Hund gilt, wurde die fragwürdige Sonderbehandlung der Stiftungen ernsthaft infrage gestellt. Profiteur damals: die Konrad-Adenauer-Stiftung, die in Norditalien die Villa La Collina am Comer See besitzt. Sie hatte Adenauers ehemaliges Urlaubsdomizil Ende der 70er-Jahre erworben. Seinerzeit hatte das Innenministerium den Ankauf und Ausbau mit 8,2 Millionen D-Mark ermöglicht.

Villa überwiegend als Hotel genutzt

Im Jahr 1998, als Schily Minister wurde, gab es enormen Ärger. Der Rechnungshof monierte, die Villa werde “überwiegend als Hotelbetrieb mit touristisch-kommerzieller Nutzung” geführt. Die Stiftung musste zusagen, das italienische Schmuckstück zu veräußern. Angeblich fand sich aber kein Käufer.

Daraufhin schaltete die Kontrollbehörde Schilys Haus ein, ohne Erfolg. Nun unterrichtete sie das Parlament und klagte: “Das Bundesinnenministerium hat die zweckwidrige Verwendung der Bildungsstätte als Hotel fortwährend hingenommen. Es verzichtete darauf, einen für solche Fälle in seinen Förderbestimmungen vorgesehenen Ausgleich zu verlangen.”

Die Abgeordneten dachten aber ihrerseits nicht daran, die Mittel für La Collina zu sperren. Stattdessen griffen sie zu einem Trick und erhoben die Villa im Juni 2004 in den Rang einer “Erinnerungsstätte von nationaler Bedeutung”. Damit waren die Förderrichtlinien ausgehebelt. Eine nationale Erinnerungsstätte auf ausländischem Boden – eine solche Konstruktion gibt es wohl nur, wenn es den politischen Stiftungen nützt.

Innenminister sind für sie meist verständnisvolle Partner. In der ersten Amtszeit von Thomas de Maizière (CDU) hatte die Heinrich-Böll-Stiftung für Scherereien gesorgt. Wieder war es der Rechnungshof, der Missstände enthüllte und in einem 30-seitigen Dossier festhielt. Daraus geht hervor, dass die föderal aufgebaute Böll-Stiftung Globalmittel an ihre 16 Landesstiftungen weitergeleitet hatte. Damit wurden Projekte unterstützt, die aus Sicht der Prüfer nicht förderungswürdig waren.

Kleine Schiebereien – große Nachsicht

Es muss ein “erhebliches Interesse des Bundes” vorliegen, um Zuschüsse des Innenministeriums beziehen zu dürfen. Diese Voraussetzung war laut Rechnungshof in vielen Fällen nicht gegeben – etwa bei dem internationalen Künstlerworkshop mit dem merkwürdigen Titel “Seinsichten aus Welten” oder dem Ernährungskolloquium “Treffpunkt des guten Geschmacks”.

Dennoch verzichteten de Maizières Beamte darauf, die Böll-Stiftung in Regress zu nehmen. Ein Ministeriumssprecher sagte dazu: “In einer Abwägung zwischen der tatsächlichen Verwendung der Mittel und der Bedeutung von Formverstößen ist das Bundesinnenministerium zum Ergebnis gekommen, dass eine Rückforderung unverhältnismäßig ist.” Die Stiftung lässt überhaupt kein Unrechtsbewusstsein erkennen: “Die Förderrichtlinien wurden und werden befolgt.” Kleine Schiebereien, nachträgliche Regeländerungen, große Nachsicht – nichts scheint unmöglich, wenn es um die politischen Stiftungen geht. Mitunter wird sogar das Grundgesetz ignoriert.

Naumann-Stiftungslenker Berndt war hocherfreut – und teilte das auch seinen Mitarbeitern in einem internen Rundschreiben am 11. Juni dieses Jahres mit: “Mit höheren Zuwendungen im Jahr 2014 gewinnen wir Gestaltungsspielraum für das oberste Stiftungsziel, unseren Beitrag zur Rückkehr der FDP in den Deutschen Bundestag zu leisten.”

Mit dem Distanzangebot nimmt man es nicht so genau

Am 29. September bekräftigte er dies in einem weiteren Schreiben. Darin heißt es, der neu gewählte Vorstand werde die Stiftung “strategisch, organisatorisch-strukturell und inhaltlich” auf dieses Ziel hin ausrichten. Berndt hat offenbar eine rote Linie übersehen. Eine Linie, die durch das Grundgesetz vorgegeben ist.

Dazu muss man wissen, dass die Karlsruher Verfassungsrichter mit einem Urteil aus dem Jahr 1986 verbindliche Grundsätze für die Arbeit der politischen Stiftungen festgelegt hatten. Diese müssen personell, finanziell und rechtlich unabhängig von den Parteien sein und außerdem politische Bildung “selbstständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit” anbieten. Die Organisationen wurden damals verpflichtet, “die gebotene Distanz zu den jeweiligen Parteien zu wahren”. Diese Vorgabe der Richter ging als “Distanzgebot” in die Rechtsgeschichte ein.

Bei der Naumann-Stiftung nimmt man es damit nicht so genau. Sonst würde man das Überleben der FDP nicht zum obersten Ziel erklären. Menschlich nachvollziehbar ist diese Ignoranz allemal: Die Freidemokraten kämpfen ums Überleben. Kehren sie auch bei der nächsten Wahl nicht mehr in den Bundestag zurück, müsste die Stiftung in ihrer jetzigen Form abgewickelt werden. Dann würde der Bund seine Förderung einstellen.

Die Stiftung als Rettungsanker für die FDP

Für die Liberalen ist das ein Horrorszenario – so etwas hat es noch nie gegeben. Mehr als 450 fest angestellte und freie Stiftungsmitarbeiter verlören ihren Job, Büros im In- und Ausland müssten geschlossen werden. Um dieses Szenario abzuwenden, lassen sich die Verantwortlichen in der Stiftung einiges einfallen.

Das zeigt ein vertrauliches Gutachten, das sie bei der Unternehmensberatung Kienbaum in Auftrag gab. In dem Papier, Mitte März 2014 auf einer Klausur des Stiftungsvorstands präsentiert, heißt es: “Mit der finanziellen Ausstattung verfügt die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit über das mit Abstand größte Budget aller Organisationen der liberalen Familie.”

Auch diese Feststellung ist nur schwer mit dem Distanzgebot in Einklang zu bringen. Berndt sagt dazu, seine Stiftung habe nun einmal “ein natürliches Interesse an der parlamentarischen Repräsentanz der liberalen Partei”. Für ihn heiligt der Zweck offenbar die Mittel. Noch deutlicher drückt es der Politik-Praktiker Christian Lindner aus, der Chef der FDP. “Auch die Friedrich-Naumann-Stiftung hat auf meine Anregung hin dankenswerterweise eine Dialogoffensive zu liberalen Politikinhalten aufgenommen, die es in Umfang und Intensität so noch nicht gegeben hat”, schrieb er am 28. April dieses Jahres an seine Führungskräfte.

Das lässt sich wohl nur so verstehen: In seiner Not will er Geld, Personal und Veranstaltungsorte der Stiftung für die Parteiarbeit nutzen. Eine Instanz, die da Einhalt gebieten würde, fehlt. Weder die Regierung noch ihre Ministerien und auch nicht der Bundestag tun etwas. Bei so einem Schulterschluss können selbst staatliche Prüfer wenig ausrichten, wie der Umgang mit etlichen entdeckten Regelverstößen nahelegt. Was für jede Demokratie wesentlich ist, fehlt bei den Stiftungen fast völlig: die Einbettung in ein System gegenseitiger Kontrolle. Wenn da nicht eine ganz kleine Partei wäre, die jetzt das Bundesverfassungsgericht angerufen hat.

Kritiker setzen auf die Verfassungsrichter

Mit dem Aktenzeichen 2 BvE 4/12 ist die Klage versehen, über die der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in den nächsten Monaten entscheiden will. Eingereicht hat sie eine Splitterpartei: Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) möchte die “verdeckte Staatsfinanzierung der Parlamentsparteien” verbieten lassen. Dazu gehört für sie nicht zuletzt die Förderung der politischen Stiftungen, die “gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien” verstoße. Die ÖDP hofft auf ein Urteil, das schärfer ausfällt als das 1986 verfügte Distanzgebot. In der Tat legen die Verfassungsrichter inzwischen strengere Maßstäbe an die Parteienfinanzierung an. Trotzdem ist das Brett dick, das gebohrt werden soll.

Die Öko-Demokraten konnten erst kürzlich in Karlsruhe einen spektakulären Sieg feiern. Zusammen mit anderen kleineren Parteien brachten sie die Drei-Prozent-Klausel bei der Europawahl zu Fall. Selbst wenn die ÖDP mit dem neuen Verfahren nur teilweise Erfolg hätte, wäre das für die etablierten Parteien und ihre Stiftungen ein schwerer Schlag.

Die Verfassungsrichter könnten darauf drängen, die Zuwendungen und ihre Zuwächse zu deckeln. Sie könnten verlangen, dass eine Brandmauer zwischen den Stiftungen und ihren jeweiligen Parteien errichtet wird. Sie könnten darauf bestehen, dass das Parlament die Arbeit der Stiftungen in einem Gesetz regelt – denn noch wirken diese in einem gesetzlosen Zustand.

In Karlsruhe steht also viel auf dem Spiel – für die etablierten Parteien, ihre Stiftungen und den Politikbetrieb insgesamt. Das aktuelle System der Stiftungen hat offenkundig etliche Makel. In ihm sind Skandale, die den Steuerzahler viel Geld kosten, anscheinend unvermeidlich. Und bei vielen Vorgängen fragt man sich, ob es da mit rechten Dingen zugeht. Fest steht: Die Distanz zu den Parteien fehlt oftmals – und niemand kontrolliert die politischen Stiftungen ernsthaft.

Auf den Richtern lastet nun eine große Verantwortung. Vor diesem Hintergrund ist eine Personalie irritierend: die des Berichterstatters für das Verfahren. Er nimmt unter den acht Verfassungsrichtern des Zweiten Senats eine Sonderstellung ein, schon deshalb, weil er das Urteil durch seine Ausführungen und sein Votum vorbereitet. Bei diesem Juristen handelt es sich um Peter Müller, von 1999 bis 2011 CDU-Ministerpräsident des Saarlandes.

Ihn hat die Konrad-Adenauer-Stiftung das halbe Leben lang begleitet. Schon während seines Studiums war er ihr Stipendiat und nahm an Seminaren im In- und Ausland teil. Den Verdacht, dass der ehemalige Politiker voreingenommen sein könnte, weist das Gericht weit von sich. Ein Sprecher erklärt, Müllers früheres Amt “rechtfertigt grundsätzlich nicht bereits die Besorgnis der Befangenheit”. Wäre schön, wenn sich das bewahrheitet.

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60 Terroristen aus Deutschland für den IS gestorben

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60 Terroristen aus Deutschland für den IS gestorben

Mindestens 60 Personen aus Deutschland sind bislang bei Kämpfen für den IS gefallen. 550 Personen hätten sich in das Kampfgebiet in Syrien und im Irak aufgemacht, so Verfassungsschutzchef Maaßen.

Von Manuel Bewarder , Florian Flade und Uwe Müller

Die größte Bedrohung für die innere Sicherheit stellt der islamistische Terror dar. Das sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen bereits, als es den “Islamischen Staat” (IS) noch gar nicht gab. Im Interview spricht der 51-Jährige über die Anziehungskraft des IS, russische Propaganda in der Ukraine-Krise und Neonazis, die den Protest gegen Flüchtlingsheime kapern. Zum Gespräch empfängt Maaßen im Berliner Dienstgebäude im Stadtteil Alt-Treptow.

Welt am Sonntag: Herr Maaßen, die Ukraine-Krise spitzt sich weiter zu. Sind die russischen Geheimdienste hierzulande aktiver geworden?

Hans-Georg Maaßen: Die russischen Nachrichtendienste sind in Deutschland seit Jahren auf einem hohen Niveau aktiv. Insoweit sehen wir hier keine gesteigerten Aktivitäten. Jetzt beschäftigen sie sich aber mit anderen Themen wie der deutschen Ukraine- oder der Energie-Politik. Überhaupt interessiert die Dienste: Wie stellt sich Deutschland und die westliche Wertegemeinschaft gegenüber Russland auf?

Welt am Sonntag: Wie normal ist die Ausweisung eines Diplomaten am russischen Generalkonsulat in Bonn? Er soll beim Spionieren ertappt worden sein.

Maaßen: Ausweisungen von Diplomaten kommen bisweilen vor. Nachrichtendienste müssen nicht immer eine Rolle dabei spielen.

Welt am Sonntag: Hat sich die Methodik der Russen verändert?

Maaßen: Die Russen haben seit jeher das gleiche Vorgehen bei der Informationsgewinnung. Interessante Personen werden gezielt auf Tagungen oder Events angesprochen und abgeschöpft. Wir stellen auch fest, dass die russischen Dienste versuchen, Personen direkt als Quellen zu gewinnen. Neben diesen Aktivitäten sind russische Dienste zugleich auf dem Gebiet der Cyberspionage sehr aktiv.

Welt am Sonntag: Welche Rolle spielen Desinformation und Propaganda für Moskau?

Maaßen: Es herrscht ein Wettbewerb an Meinungen, wie die Situation in der Ukraine einzuordnen ist. Allerdings beschäftigen wir uns erst mit dem Phänomen, wenn wir den Eindruck haben, dass ein ausländischer Dienst versucht, Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. In Teilen bemerken wir in Internetblogs oder Foren, dass in deutscher Sprache äußerst prorussische Positionen gepostet werden. Hier stellen wir uns die Frage, wer dahintersteckt. Die Zuordnung zu einem russischen Dienst ist sehr schwer zu treffen. Aber wir sehen mit Sorge, wenn versucht wird, auf die Meinungsbildung Einfluss in Deutschland zu nehmen – allerdings längst nicht so offensiv wie in manchen osteuropäischen Staaten.

Welt am Sonntag: Der Staatssender “Russia Today” hat nun eine deutsche Redaktion. Ziel ist, eine “Gegenöffentlichkeit” zu den großen Medien herzustellen.

Maaßen: Man muss unterscheiden zwischen Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen, was ohne Weiteres legitim ist, was alle Staaten machen, und dem Versuch von Desinformation durch Nachrichtendienste und Propaganda.

Welt am Sonntag: Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass russische Dienste alte Stasi-Kader oder deren Kinder zu einer Zusammenarbeit bewegen wollen?

Maaßen: Wir mutmaßen, dass es zwischen alten Stasi-Kadern und russischen Nachrichtendiensten nach wie vor enge Beziehungen gibt. Allerdings können wir nicht erkennen, dass diese Ex-Kader Zugang zu Regierungsstellen in Deutschland haben oder in der Lage sind, maßgeblich auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen.

Welt am Sonntag: Jüngst ist der Fall eines in der Sowjetunion geborenen Bundeswehrsoldaten bekannt geworden, der zu den Separatisten in die Ostukraine desertiert ist. Kommt das häufiger vor?

Maaßen: In Einzelfällen nehmen wir zur Kenntnis, dass Personen aus Deutschland in die Ukraine reisen. Zum Teil schlagen sie sich auf die Seite der Separatisten, zum Teil auf die andere Seite. Wir schauen uns deshalb auch extremistische Phänomenbereiche in Deutschland an, also wie sich Rechts- und Linksextremisten zur Ukraine-Krise verhalten. In Teilen der rechtsextremistischen Szene gibt es Bewunderung und Anhänger für die russische Position. Wir sehen allerdings nicht, dass es damit korrespondierende Reisen gibt. Höchstens in Einzelfällen führt dies zu tatsächlichen Ausreisen.

Welt am Sonntag: Bei Islamisten haben Sie es mit höheren Ausreisezahlen zu tun.

Maaßen: Wir sind besorgt über die hohe Zahl der Ausreisen. Gerade in den letzten sechs Wochen ist diese noch stärker angestiegen. Mittlerweile zählen wir 550 Personen. So viele haben sich aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak aufgemacht. Rund 60 dieser aus Deutschland stammenden Personen wurden bisher getötet oder haben sich umgebracht – mindestens neun davon bei Selbstmordanschlägen. Das ist ein trauriger Erfolg für die islamistische Propaganda.

Welt am Sonntag: Wie unterscheidet sich der Kampf gegen den IS  im Vergleich zu dem gegen al-Qaida?

Maaßen: In Waziristan war es eine Terrorgruppe, die in Tälern hauste und von dort aus den globalen Dschihad betreiben wollte. Wir haben es jetzt mit einem Staatsbildungsprojekt zu tun, wo der selbst ernannte Kalif al-Bagdadi vorgibt, einen Staat gegründet zu haben mit Regierung, Steuern, mit Gouverneuren und dergleichen. Hier findet ein Krieg mit konventionellen Waffen statt. Kein Krieg, der mit Heckenschützen auf der einen und Drohnen auf der anderen Seite geführt wird. Das ist eine deutlich andere Situation.

Welt am Sonntag: Wer ist bei den deutschen Anhängern beliebter? IS oder al-Qaida?

Maaßen: Da besteht eine große Rivalität. Seit dem Sommer beobachten wir aber, dass die deutliche Mehrheit mittlerweile zum IS hält. Das liegt auch am brutalen Handeln der Organisation. Viele denken: Der IS ist ein Erfolgsmodell.

Welt am Sonntag: Der IS nennt Deutschland als Top-Terrorziel. Wie groß ist die Gefahr?

Maaßen: Als Teil der westlichen Wertegemeinschaft sind wir natürlich Ziel von IS und auch von al-Qaida, die darf man nicht außer Acht lassen. Beide stehen miteinander im Wettbewerb um die Gunst der Anhänger. Wir sitzen in einem Boot mit den USA, Großbritannien, Frankreich und allen anderen westlichen Staaten. Die Situation ist besorgniserregend, aber wir müssen keine Angst haben. Wir sollten uns darauf einstellen, dass Anschläge auch bei uns passieren können, auch wenn wir natürlich alles tun, um das zu verhindern. Man muss einfach wissen: Es besteht eine gewisse Gefahr.

Welt am Sonntag: Von den Deutschen, die sich dem IS angeschlossen haben, sind viele wieder hier. Haben Sie alle im Blick?

Maaßen: Bislang gehen wir von rund 180 Rückkehrern aus. Bei ihnen prüfen wir, welche Maßnahmen zur Überwachung eingeleitet werden müssen. Mit Blick auf unsere endlichen Ressourcen und der Tatsache, dass wir diese Menschen nicht rund um die Uhr bewachen können, müssen wir mit Augenmaß vorgehen.

Welt am Sonntag: Für das Jahr 2015 hat Ihnen der Bundestag weniger Geld bewilligt, als Sie gefordert haben. Inwieweit schränkt Sie das im Kampf gegen den IS ein?

Maaßen: Nicht nur die Nachrichtendienste sind verantwortlich für die Sicherheit in diesem Land. Auch andere tragen Verantwortung. Das Parlament, so habe ich es letzte Woche verstanden, hat das erkannt und will uns bei unserer Arbeit unterstützen.

Welt am Sonntag: Die IS-Propaganda findet auf Twitter, Facebook und Co. statt. Müssen die Firmen derartiges Material schneller und nachhaltig löschen?

Maaßen: Die sozialen Netzwerke spielen derzeit eine große Rolle in der Kommunikation der jungen Dschihadisten in Syrien und Irak und ihrer Anhänger und Freunde in Deutschland. Wir und andere deutsche Sicherheitsbehörden stehen deshalb mit den nationalen und internationalen Betreibern der Plattformen in einem engen Informationsaustausch und informieren diese über derartige Propagandaaktivitäten. So leisten wir einen Beitrag dafür, dass diese Kommunikation so gut es geht eingeschränkt wird.

Welt am Sonntag: Die Konflikte der Welt werden auch bei uns ausgetragen. Müssen wir mit weiteren Straßenschlachten rechnen?

Maaßen: Nahezu jeder Konflikt auf der Welt kann sich auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirken. Dabei kann es auch zu Wechselwirkungen zwischen den Beteiligten und zu einem Aufschaukeln der Gewalt kommen. Das wird uns mit Blick auf den Konflikt in Syrien und im Irak noch einige Zeit beschäftigen. Die Herausforderung könnte dadurch für die Sicherheitsbehörden noch größer werden.

Welt am Sonntag: Bislang hat sich der Verfassungsschutz nicht gezielt um Hooligans gekümmert. War das ein Fehler?

Maaßen: Auch nach den Vorfällen in Köln oder Hannover haben wir bisher nicht feststellen können, dass die Hooligans selbst eine extremistische Gruppierung sind. Wir wissen aber, dass es auch rechtsextremistische Hooligans gibt. Diese müssen wir weiter im Blick behalten.

Welt am Sonntag: Die weltweiten Krisen sorgen hierzulande für hohe Flüchtlingszahlen. Mancherorts gibt es Proteste gegen Heime. Gehen da normale Bürger auf die Straße – oder Rechtsextreme?

Maaßen: Den Versuch, sich den Unmut der Bürger beim Thema Flüchtlinge zunutze zu machen, stellen wir seit einiger Zeit fest. Die NPD und andere rechtsextremistische Gruppierungen versuchen gezielt, bürgerliche Demonstrationen für sich zu vereinnahmen. Teilweise gelingt das auch.

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Das undurchsichtige Stasi-Geflecht der Linken

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Das undurchsichtige Stasi-Geflecht der Linken

Die Linke streitet darüber, ob die DDR ein Unrechtsstaat war – ihr Firmenvermögen hat sie aber einem Ex-Stasi-Netzwerk anvertraut. Bis zuletzt mittendrin: Bodo Ramelow. Die Union greift ihn scharf an.

Von Martin Lutz und Uwe Müller

Katja Kipping hat schon angenehmere Talkshows erlebt. Als die Chefin der Linkspartei zuletzt bei “Maybrit Illner” saß, ging es richtig zur Sache. “Einigkeit und Recht und Unrecht: Wer hat noch Angst vor roten Socken?” hieß das Thema der Sendung kurz vor dem 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls – und die Frau mit den roten Haaren tat sich schwer, die Angriffe der anderen Gesprächsteilnehmer abzuwehren. Sie habe kein Problem, das SED-Regime als “Unrechtsstaat” zu bezeichnen, sagte Kipping. Aber es sei falsch, in dieser Frage Menschen etwas aufzunötigen. “Bekenntnisse, die wir alle nachreden sollten, das hatten wir in der DDR genug.”

Die Linke wird den Geruch der Diktaturpartei nicht los. Besonders, wenn bedeutende Gedenktage anstehen, geraten die Genossen unter Rechtfertigungsdruck. Spätestens dann werden unselige Erinnerungen wach, und der Linken bleibt nichts anderes übrig, als Stellung zu beziehen. Nur ein Tag verging nach Kippings Auftritt bei Illner, bis sich die Linke-Spitze für die Machenschaften ihrer Vorgängerpartei entschuldigte. “Heute erneuern wir die Entschuldigung für begangenes Unrecht”, heißt es in einem Manifest, das Kipping und ihr Co-Vorsitzender Bernd Riexinger mit Gregor Gysi veröffentlichten. Das Dreigestirn verlangt darin eine Erinnerungspolitik, die “kein Unrecht verschweigt”, “allen Opfern den gleichen Respekt erweist” sowie “großen und kleinen Tätern auf der Spur bleibt”.

Den Opfern Respekt erweisen? Tätern auf der Spur bleiben? Diese hehren Forderungen, das belegen Recherchen der “Welt am Sonntag”, sind an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Denn insgeheim hat die Partei alte Kader, die früher wichtige Räder im Getriebe des Regimes waren, erneut für ihre Sache eingespannt. Nach Informationen der “Welt am Sonntag” wird das Firmenvermögen der Linken von mehreren ehemaligen hochkarätigen Stasi-Mitarbeitern verwaltet. In einem undurchsichtigen Geflecht ziehen bis heute gleich mehrere Ex-Agenten die Strippen, die einst im Tricksen und Tarnen geschult worden waren und ihre Mitbürger mitunter in arge Bedrängnis brachten.

Eine Geschichte mit langem Vorlauf

Ausgerechnet der Mann, der sich Anfang Dezember zum ersten Ministerpräsidenten der Linken in der Geschichte der Bundesrepublik wählen lassen möchte, war bis vor Kurzem in das Netzwerk eingebunden – Bodo Ramelow, Thüringer Spitzenkandidat der Linken. Diese Geschichte hat einen langen Vorlauf. Der Politiker entwickelte zunächst Konzepte rund um ein Bauprojekt in Berlin, bei dem fragwürdige Gestalten noch eine Rolle spielen sollten. Dann ließ sich Ramelow am 12. August dieses Jahres in einer Immobilienfirma, an der die Linke beteiligt ist, zum Co-Geschäftsführer machen. Der Partner an seiner Seite war ein altgedienter Stasi-Offizier.

Vermutlich wäre Ramelow heute noch in dieser Position. Dann aber ergab sich die Möglichkeit für eine rot-rot-grüne Koalition unter seiner Führung. Daraufhin zog sich der Pragmatiker aus einer Reihe von Ehrenämtern zurück und legte am 13. Oktober den Geschäftsführerposten in der Hauptstadt nieder. Seitdem beteuert Ramelow unablässig, die Aufarbeitung des DDR-Unrechtsstaats werde “das Fundament” seiner Regierung sein. Er verspricht zudem, niemanden in sein Kabinett zu berufen, der “direkt oder indirekt mit dem Sicherheitssystem der DDR zusammengearbeitet” habe.

Bloß: Wie passt das zu seiner geschäftlichen Liaison mit einem Ex-Stasi-Mann? Ramelow empört diese Frage. Es sei “ehrabschneidend”, aus seinem Engagement “eine Stasi-Geschichte” zu machen. Er habe sich lediglich in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung in die Pflicht nehmen lassen, als es um den Bau der neuen Zentrale für die Denkfabrik der Linken ging – “alles ehrenamtlich und unentgeltlich”. Bereits seit drei Jahren sei er mit dem Projekt befasst, in das gut 20 Millionen Euro Steuergeld fließen. Im Sommer, als es galt, eine Option für ein Grundstück zu sichern, habe er auch als Geschäftsführer Verantwortung übernommen. Ramelow: “Ich verstehe nicht, was es daran auszusetzen gibt.”

Scharfe Kritik aus der Union

Die Union sieht das anderes: “In Deutschland darf es keinen Ministerpräsidenten geben, der mit hohen Ex-Stasi-Leuten heute noch gemeinsame Sache macht”, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der “Welt”. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel müsse “jetzt die Notbremse ziehen”, forderte Scheuer. “Mit solchen Leuten geht eine anständige Partei keine Koalition ein. SPD und Grüne dürfen nicht jemanden zum Ministerpräsidenten machen, der ein Strippenzieher im Ex-Stasi-Netzwerk ist.”

Thüringens amtierende Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) reagierte ebenfalls empört: “An Stelle der Grünen und der SED-Opfer würde ich dies als Verhöhnung empfinden”, sagte die CDU-Landesvorsitzende der “Thüringer Allgemeinen”.

Die gesamte Präambel des rot-rot-grünen Koalitionsvertrages werde damit “ad absurdum geführt”, kritisierte Lieberknecht. “Wenn Stasi-Täter in einem undurchsichtigen Firmengeflecht der Linkspartei mit unvorstellbaren Summen hantieren, um sich Macht und Einfluss zu sichern, dann ist das ein Skandal.”

Ramelow reagierte mit einem wortreichen “Tagebuch”-Eintrag  auf seiner Website. Allerdings sagte er darin nichts zu der Zusammenarbeit mit Schindler und dessen Vergangenheit.

Warum bekleiden Ex-Stasi-Mitarbeiter sensible Positionen?

Unbestreitbar ist in jedem Fall, dass Ramelow Teil einer Firmenstruktur war, in der Stasi-Mitarbeiter fast überall das Sagen haben: als Gesellschafter, Geschäftsführer und Prokuristen. Die Parteichefs Kipping und Riexinger zeigen in dieser Sache nicht gerade kritisches Bewusstsein. Einen direkt an sie gerichteten Fragenkatalog der “Welt am Sonntag” wollten sie nicht beantworten. Stattdessen ließen sie über einen Sprecher ausrichten, dass “alle Teilhaberinnen und Teilhaber, Gesellschafterinnen und Gesellschafter juristisch korrekt arbeiten”.

Das Führungsduo ist laut Parteisatzung mit dem Bundesvorstand für “die finanziellen Mittel und das Vermögen” der Linken verantwortlich. Doch das Wort Verantwortung scheint bloß eine leere Floskel zu sein. Kipping will mit den Stasi-Fällen offenbar nichts zu tun haben. Sie war beim Mauerfall elf Jahre alt und reklamiert für sich die Gnade der späten Geburt. Riexinger wiederum versichert, für ihn als Baden-Württemberger sei die DDR nie ein Vorbild gewesen, und für Spitzel habe er sowieso “kein Verständnis”. Weshalb dürfen dann unter seiner Ägide frühere Leistungsträger aus Erich Mielkes Repressionsapparat sensible Positionen bekleiden?

“Stasi in den Tagebau”, hatten die Leipziger im Herbst 1989 auf ihren Montagsdemonstrationen skandiert. Kurz darauf übernahm Gregor Gysi die SED, die später in PDS umgetauft wurde. Trotzdem machten Stasi-Kader in der Partei weiter Karriere. Einige von ihnen, die der SED einst als Schild und Schwert gedient hatten, mutierten sogar zu Hütern des Schatzes der Linken. Bei den Besitztümern handelt es sich nicht um die SED-Milliarden, die Anfang der 90er-Jahre über dubiose Kanäle in schwarzen Kassen verschwanden. Es geht allein um das Vermögen, dass die Linke rechtmäßig erhielt. 1995 war mit der Bundesrepublik ein abschließender Vergleich besiegelt worden. Damals bekam die PDS mehrere Immobilien, darunter ein Hotel und den Verlag des Parteiblatts “Neues Deutschland”. Das Ganze war laut Experten damals einen zweistelligen Millionenbetrag wert. Zusammen mit anschließend erworbenem Vermögen konstruierte die Partei dafür ein kleines Firmenreich, das stark verschachtelt und intransparent ist.

Im Handelsregister finden sich beispielsweise mehrere Gesellschafter, die ihre Anteile scheinbar auf eigene Rechnung halten. Tatsächlich haben die Sozialisten mit diesen Personen nach Informationen der “Welt am Sonntag” nicht näher bekannte Treuhandvereinbarungen geschlossen, was die Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres erkennen kann. Ein solches Konstrukt hätten sich selbst von der Linken gescholtene Kapitalisten nicht besser ausdenken können.

Obskure Vereine, die das SED-Regime verherrlichen

Doch zurück zu Bodo Ramelow. Der Landesvater in spe teilte sich zwei Monate lang die Geschäftsführung mit einem früheren Elite-Tschekisten: Matthias Schindler. Der war gerade 33 Jahre alt und die Mauer stand kurz vor dem Fall, als ihm die Spionageabteilung HVA der Staatssicherheit die Leitung eines wichtigen Referates übertrug. Schindlers Truppe kümmerte sich um die DDR-Botschaften in Afrika sowie in Latein- und Mittelamerika, wo sie ein Netz von Informanten unterhielt.

Nach Auflösung des Geheimdienstes 1990 sattelte der Offizier zum Geschäftsmann um. Dazu passend schönte er seinen Lebenslauf und behauptete, von 1985 bis 1990 “in der Außenwirtschaft” tätig gewesen zu sein. Doch die Tarnung flog Anfang 2008 auf, als das ARD-Magazin “Klartext” Schindler der biografischen Lüge bezichtigte. Das “Neue Deutschland” druckte kurz darauf ein Gefälligkeitsinterview, verschwieg den Lesern aber, dass der Gesprächspartner auch Gesellschafter des Verlags war.

Die Beteiligungsfirma Communio, die mehrheitlich Schindler gehört, hält 50 Prozent an der Neues Deutschland Verlag und Druckerei GmbH. Auf eigene Rechnung? Als Treuhandvermögen? Dazu schweigt Schindler, und die Partei will ebenfalls keine Auskunft geben. Noch größer ist Schindlers Einfluss bei der Grundstücksgesellschaft Franz-Mehring-Platz 1 mbH, der das Bürogebäude des “Neuen Deutschland” in Berlin-Friedrichshain gehört.

Dort residieren neben der Redaktion etliche obskure Vereine, die das SED-Regime nach wie vor verherrlichen, wie etwa das “Ostdeutsche Kuratorium der Verbände”. Der Großmieter allerdings ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die nun gleich in der Nähe ihr neues Hauptquartier bauen will. Drei Millionen Euro hat das Grundstück für das künftige Gebäude zwischen dem Ostbahnhof und der berühmten East Side Gallery gekostet.

Bei dem Vorhaben ist Schindler ebenfalls mit von der Partie. Für die neue Prachtimmobilie wurde die Grundstücksgesellschaft Straße der Pariser Kommune 8 GmbH & Co. KG geschaffen. Als persönlich haftender Gesellschafter fungiert die von Schindler geführte Immobilienfirma Franz-Mehring-Platz 1, wo Bodo Ramelow bis vor wenigen Wochen auf dem Chefsessel saß.

Ein gnadenloser Richter als Gesellschafter

Dieses Unternehmen hat ausweislich einer der “Welt am Sonntag” vorliegenden Vollmacht eine Firma als Hausverwalter eingesetzt, die einem früheren Vorgesetzten von Schindler gehört: Fritz Arnd Augustin, einst Oberst in der Spionageabteilung. Und mit noch jemandem ist Schindler eng verbandelt: mit dem Rechtsanwalt Tilo Hejhal. Der hatte als Student an der Ost-Berliner Humboldt-Universität unter dem Decknamen IM “Gottfried” gespitzelt.

Hejhal, der für die Linkspartei wichtige Prozesse führt, war mit Ramelow bis vor Kurzem im Trägerverein der Linken Medienakademie (LiMA) verbunden. Der Politiker war dort Vorstandsmitglied, der Anwalt ist nach wie vor Vorsitzender. Die LiMA, die viele Seminare anbietet und in der linken Szene hohes Ansehen genießt, wird maßgeblich von der Rosa-Luxemburg-Stiftung finanziert. Sie hat Medienpartner wie die “taz” und die Ver.di-Mitgliederzeitung “Publik”.

Mit seiner Vergangenheit konfrontiert, sagt Hejhal: “Meine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit war Unrecht.” Als Anwalt habe er inzwischen “die hohe Bedeutung eines Rechtsstaates” erleben dürfen. Vor 1990 sorgte er laut seiner IM-Akte dafür, dass die Stasi gegen die von ihm angeschwärzten Mitbürger “Überprüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen” einleitete.

Ein anderer Jurist, Joachim Philipp, arbeitet für die zentrale Firmenholding der Linkspartei – die Föderative Verlags-, Consulting- und Handelsgesellschaft, kurz Fevac genannt. Als die GmbH 1992 ins Leben gerufen wurde, war der heute 57-jährige Philipp einer der drei Gesellschafter. Auf Fotos wirkt er wie ein honoriger Herr. Dabei blickt er auf eine Karriere als gnadenloser Richter am Ost-Berliner Militärgericht zurück, der Angeklagte oft für viele Jahre ins Zuchthaus schickte.

Die Linke hat noch viel aufzuarbeiten

Die Militärgerichtsbarkeit steht in besonderer Weise für die Willkürjustiz der DDR. Dort wurden nicht zuletzt politische Fälle verhandelt, in denen die Stasi die Ermittlungen geführt hatte. Im Mai 1984 verhängte Philipp eine einjährige Freiheitsstrafe gegen einen frustrierten Stasi-Leutnant. Angeblich hatte der einer Freundin “Hinweise für die Abfassung eines rechtswidrigen Antrags” auf Ausreise aus der DDR gegeben, was ihm als Straftat ausgelegt wurde.

Dabei hatte er seine Bekannte lediglich auf gültige Gesetze und internationale Abkommen aufmerksam gemacht. An ihm wurde ein Exempel statuiert, ganz im Sinne der Stasi. Pikant daran: Nur einen Monat zuvor hatte sein Richter einen Pakt mit dem Geheimdienst geschlossen. Gleich bei dem ersten Treffen mit seinem späteren Führungsoffizier berichtete Philipp über Angehörige seiner Familie und über Kollegen am Gericht. Heute bestreitet er, überzogene Urteile gefällt zu haben, und findet für seine Laufbahn als IM “Achim” drei Worte: “Das war falsch.”

Philipp hält mit Ruth Kampa 60 Prozent der Fevac-Anteile. Ex-Stasi-Kader halten also in der Parteiholding die Mehrheit, denn auch Kampa hat eine einschlägige Vita. Die Top-Agentin wurde zu Spionageeinsätzen ins Ausland geschickt. Als die “Welt” das im vorigen Jahr enthüllte (Link: http://www.welt.de/120617880) , waren selbst Genossen empört. Schließlich war Kampa Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag – und damit die rechte Hand von Gysi. Doch der ließ Kampa wegen der Stasi-Sache nicht fallen, sondern machte sie zur Justiziarin der Fraktion. Kipping und Riexinger sahen ebenfalls keinen Anlass, sich von der Vermögensverwalterin zu trennen.

Die “Welt am Sonntag” hätte von den Parteichefs gern gewusst, wie es möglich ist, dass hohe Geheimdienstoffiziere, diskreditierte Stasi-Zuträger und spitzelnde Richter das Parteivermögen verwalten. Doch Kipping und Riexinger äußern sich nicht “zu Personen und biografischen Daten, da dies nicht mit ihrer Tätigkeit in Verbindung steht”. Ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall macht dies deutlich, dass die Linke in eigener Sache noch viel aufzuarbeiten hat.

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Wer Böses dabei denkt

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Wer Böses dabei denkt

Ein Dresdner Richter hat beantragt, die Immunität von Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow aufzuheben. Warum jetzt?

Von Claudia Ehrenstein , Uwe Müller , Miriam Hollstein , Claus Christian Malzahn

Kaum im Amt, bahnt sich ein Kleinkrieg zwischen dem neuen Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) und einem Richter aus der sächsischen Landeshauptstadt Dresden  an. Der Vorfall, um den es geht, liegt zwar fünf Jahre zurück. Dass er gerade jetzt, kurz nach der Inthronisierung Ramelows zum ersten linken Regierungschef, politisch und juristisch relevant wird, sorgt für wilde Spekulationen.

Am 13. Februar 2010 hatte Ramelow an einer Demonstration gegen einen “Trauermarsch” der rechtsextremen Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland anlässlich der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 protestiert. Daraufhin leitete die Dresdner Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Blockade gegen ihn ein. Ramelow hätte die Gegendemonstration maßgeblich mitorganisiert und in besonderem Maße die genehmigte Demonstration der Landsmannschaft behindert, so der Vorwurf.

Das Angebot, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen, lehnte Ramelow jedoch ab. Schließlich wurde das Verfahren im April dieses Jahres wegen Geringfügigkeit eingestellt, unter Auflage der Kostenteilung. Ramelow sollte für seine eigenen Anwaltskosten aufkommen. Dagegen hatte er sich gewehrt und Rechtsmittel eingelegt. “Ich akzeptiere keinen Freispruch zweiter Klasse”, sagte Ramelow. “Es geht hier nicht um mich, sondern um die Frage, ob man zu Demonstrationen gehen kann oder nicht.” Das Dresdner Landgericht war der Beschwerde gefolgt und hatte die Einstellung aufgehoben. Seither ist das Verfahren wieder offen.

Nun – also acht Monate später – hat das Amtsgericht Dresden beim Präsidenten des Thüringer Landtags die Aufhebung von Ramelows Immunität beantragt. Darüber, dass dieser Antrag zwei Tage vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten abgeschickt wurde, sei er “irritiert”, sagte Ramelow der “Welt”. Nicht der Antrag auf Aufhebung der Immunität stört ihn dabei, sondern das Datum: “Ein Schalk, der Böses dabei denkt.”

Eine sächsische Intervention des Gerichts in die politische Willensbildung Thüringens? Das lässt sich kaum nachweisen. Ramelow verteidigt sich unter anderem mit dem Hinweis, er sei bei der Demo als “Vermittler” zwischen Polizei und Blockierern aufgetreten. Das hätte auch der Polizeieinsatzleiter ausgesagt. Deshalb habe er Widerspruch gegen die Übernahme der Anwaltskoseten eingelegt. Dann passierte monatelang nichts. Erst am 3. Dezember wandte sich der zuständige Richter in einem Brief an den Thüringer Landtagspräsidenten. Nun muss der Justizausschuss entscheiden, ob dem Antrag stattgegeben und Ramelows Immunität aufgehoben wird. Einem neuerlichen Verfahren sieht Ramelow “gelassen” entgegen: “Ich möchte, dass nichts an mir hängen bleibt.”

Wegen der bei den Linken festgeschriebenen Trennung von Amt und Mandat wird Ramelow sein Landtagsmandat ohnehin niederlegen. Das Amt des Ministerpräsidenten allein bietet keine Immunität. Gregor Gysi, der Fraktionschef der Linken im Bundestag, forderte den Thüringer Landtag nun auf, der Aufhebung der Immunität nicht zuzustimmen. “Der Antrag des Richters, die Immunität von Bodo Ramelow aufzuheben und das Strafverfahren fortzusetzen, zeigt eine politische Motivation. So etwas ist immer schlecht”, sagte Gysi der “Welt”. Der Richter hätte das monatelang tun können und sei nun erst zur Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten tätig geworden, kritisierte Gysi. Verfahren gegen Linke, die gegen Nazi-Aufmärsche demonstriert haben, halte er grundsätzlich für “völlig daneben”.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wies den Vorwurf Gysis zurück und verteidigte die Unabhängigkeit der sächsischen Justiz im Zusammenhang mit dem beantragten Verfahren. “Eine der Errungenschaften der Friedlichen Revolution ist die Unabhängigkeit der Justiz. Die wird auch in Sachsen gewahrt. Alles andere wären Unterstellungen, die zu beweisen sind”, sagte Tillich der “Leipziger Volkszeitung”. Eine Sprecherin des Dresdner Amtsgerichts bestätigte auf Anfrage der “Welt” lediglich, dass der Antrag zur Aufhebung der Immunität Ramelows beim Thüringer Landtag eingereicht wurde.

Zu der Frage, warum das Verfahren gerade jetzt weitergeführt werden soll, machte die Sprecherin zunächst keine Angaben. Später erklärte sie, der Antrag sei gestellt worden, da Ramelow nach den Wahlen in Thüringen als Landtagsabgeordneter erneut Immunität besitze. Diese stehe dem anhängigen Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht entgegen. Eine Entscheidung über die Eröffnung einer Hauptverhandlung sei damit nicht gefallen.

Ramelow ist nicht der einzige Politiker, der wegen der Teilnahme an der Gegendemonstration am 13. Februar 2010 ins Visier der Ermittler geraten war. Auch gegen den Fraktionsvorsitzenden der Linken im hessischen Landtag, Willi van Ooyen, war ein Verfahren eingeleitet worden. Auch ihm drohte zunächst eine Geldbuße, später wurde das Verfahren eingestellt. Van (Link: http://www.welt.de/motor/fahrberichte-tests/vans/) Ooyen sollte lediglich seine Anwaltskosten zahlen, was er, anders als Ramelow, akzeptierte. Ebenso wie seine Co-Vorsitzende im hessischen Landtag, Janine Wissler, gegen die auch ein Verfahren eingeleitet worden war. Nur für den sächsischen Linken André Hahn, der ebenfalls an der Demonstration teilgenommen hatte, wurden die Anwaltskosten von der Staatskasse übernommen.

Der Artikel auf welt.de

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Stasi baut bei Linken-Stiftung mit

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Stasi baut bei Linken-Stiftung mit

Geplanter Neubau der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Berliner Ostbahnhof Quelle: André Hack, Bochum / xella / WELT

Geplanter Neubau der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Berliner Ostbahnhof Quelle: André Hack, Bochum / xella / WELT

Wenn es ums Geld geht, verspricht die Rosa-Luxemburg-Stiftung höchste Transparenz. Die Denkfabrik der Linkspartei finanziert sich schließlich fast vollständig aus Steuermitteln. Deshalb verpflichtet sie sich, wie alle parteinahen Stiftungen, die vom Staat zur Verfügung gestellten Ressourcen „mit größtmöglichem Nutzen“ einzusetzen und darüber „öffentlich Rechenschaft“ abzugeben.

Doch ganz offensichtlich nimmt es die Stiftung mit ihren hehren Grundsätzen selbst nicht so genau. Ausgerechnet zur größten Investition in ihrer 25-jährigen Geschichte verweigert sie beharrlich Auskünfte. Es geht um den Bau ihres Hauptquartiers, das im Berliner Stadtteil Friedrichshain zwischen Ostbahnhof und East Side Gallery entstehen soll. Dafür muss der Steuerzahler gut 20 Millionen Euro aufbringen.

Für das Vorhaben war bereits im Sommer 2013 eine Projektfirma gegründet worden, die Grundstücksgesellsschaft Straße der Pariser Kommune 8 GmbH & Co.KG. Wie die „Welt am Sonntag“ jüngst enthüllte, sitzen in diesem Unternehmen gleich mehrere, ehemals hochrangige Stasi-Leute an den Schalthebeln. (siehe Organigramm „Die Stasi-Connection“)

Organigramm Blog Kopie

Viel Steuergeld fließt mithin in eine Struktur, in der ehemalige Geheimdienstkader das Sagen haben. Das wirft viele Fragen auf. Unter anderem die, wie es zu der heiklen Liaison zwischen der Stiftung und Ex-Mitarbeitern von Erich Mielkes Geheimpolizei kommen konnte, auf welchen Vereinbarungen diese Partnerschaft beruht und wer in dieser Konstellation wie profitiert.

Antworten darauf verweigert die Stiftung allerdings beharrlich. Selbst mehrmalige Nachfragen halfen nicht weiter. „Vielen Dank für Ihr Interesse. Wir haben der gestrigen Mail nichts hinzuzufügen“, teilte die Stiftung am 10. Dezember mit, wünschte „schöne Feiertage“ und vertröstete auf das nächste Jahr: „Gern können wir für Anfang Januar 2015 einen Termin für ein Hintergrundgespräch vereinbaren.“

So sieht also die viel beschworene Transparenz aus, zu der sich die Stiftung gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet hat. Die Angelegenheit ist freilich politisch heikel. Denn bis vor wenigen Wochen war im Vorstand ein Mann für den Neubau der Stiftungszentrale zuständig, der mittlerweile Deutschlands erster Ministerpräsident der Linken ist: der Thüringer Bodo Ramelow. Auch er wollte Fragen, weshalb er dabei Stasi-Leute einspannte, nicht beantworten. In einer Stellungnahme zur Veröffentlichung der „Welt am Sonntag“  findet sich an keiner einzigen Stelle das Wort „Stasi“.

Stattdessen behauptet Ramelow, bei dem Projekt laufe alles „transparent und nachvollziehbar“. Er habe es nach seinem Rückzug aus der Stiftung „in gute Hände übergeben“. Damit meint er offenbar Leute wie Matthias Schindler, der einst hochrangiger Offizier der Spionageabteilung der DDR-Staatssicherheit war und seit 1990 als Geschäftsmann tätig ist.

Bodo Ramelow, Matthias Schindler: Partner beim Neubau Quelle: Getty Images / BStU / WELT

Bodo Ramelow, Matthias Schindler: Partner beim Neubau Quelle: Getty Images / BStU / WELT

 

Schindler besitzt über die hauptsächlich von ihm gehaltene Beteiligungsgesellschaft Communio 50 Prozent der Anteile an der Neues Deutschland Druckerei und Verlag GmbH. Noch größer ist sein Einfluss auf die Grundstücksgesellschaft Franz-Mehring-Straße 1, der der Bürokomplex an der gleichnamigen Adresse in Berlin-Friedrichshain gehört. Hier residieren unter anderem die Redaktion des Parteiorgans „Neues  Deutschland“ und bislang die Stiftung.

Das Grundstück für ihren Neubau ist 1363 Quadratmeter groß und hat 2,8 Millionen Euro gekostet. Erworben hat es nicht etwa die Stiftung, sondern die Firma Straße der Pariser Kommune 8 GmbH & Co.KG, die fest im Griff von Schindler ist. Auch dieser verweigert jede Auskunft – etwa dazu, wie er mit Ramelow bei dem Stiftungsneubau zusammengearbeitet hat und wie sein Engagement vergütet wird.

 

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Kouachi-Brüder standen auf deutscher Terrorliste

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Kouachi-Brüder standen auf deutscher Terrorliste

Die Täter von Paris standen bei deutschen Behörden namentlich im Computer. Sie hatten zwar keinen Kontakt zur deutschen Dschihadisten-Szene, doch ist die Terrorgefahr hierzulande ebenfalls gestiegen.

Von Dirk Banse, Martin Lutz,  Uwe Müller

Kaum waren die Namen der Attentäter bekannt, hakten die deutschen Sicherheitsbehörden in Paris nach. Sie wollten umgehend wissen, ob die Terroristen Kontakte in die hiesige Dschihadistenszene hatten. Die Entwarnung kam rasch. Ein Vertreter der Berliner Sicherheitskreise sagte: “Unsere französischen Kollegen teilten uns mit, dass die erfasste Kommunikation keine deutsche Kennung hat. Es wurden auch keine Telefonate mit der deutschen Vorwahl 0049 registriert.”

Die Erleichterung in Berlin war groß. Zumindest eine konkrete Bedrohung, dass es zu ähnlichen Szenen wie im Nachbarland kommen könnte, war damit weniger wahrscheinlich. Die deutschen Sicherheitsbehörden wussten zu diesem Zeitpunkt allerdings längst, dass die Brüder Saïd und Chérif Kouachi, 34 und 32 Jahre alt, als gewaltbereite Islamisten galten. Ihre Daten waren in deutschen Computern gespeichert. Frankreich hatte die Namen ins Schengener Informationssystem eingespeist.

Wären die Kouachi-Brüder nach Deutschland gereist und dabei in eine Polizeikontrolle geraten, hätte man dies den Franzosen gemeldet. Die Kooperation der beiden Länder gilt als vorbildlich. Das zeigte sich besonders in dieser Woche, in der die Franzosen ihre Erkenntnisse ständig an die Deutschen übermittelten. Sicherheitskreisen zufolge würden andere EU-Staaten in vergleichbaren Situationen deutlich zurückhaltender agieren. Während die Deutschen fast ausschließlich auf die Informationen der befreundeten Geheimdienste angewiesen waren, hatten amerikanische Kollegen eigene Erkenntnisse. Sie unterrichteten die Partner in Europa darüber, dass einer der Kouachi-Brüder 2011 im Jemen in einem Terrorcamp von al-Qaida ausgebildet worden war. Er soll sich auch im Sultanat Oman aufgehalten haben, wo die Gesetze der Scharia gelten. Die Brüder standen auf der Flugverbotsliste der Amerikaner.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat inzwischen eine interne Analyse zur Bedrohungslage erarbeitet. Besondere Formen der Islamkritik können sich demnach “bundesweit als Tatimpuls für islamistisch motivierte Gewalt gegen Privatpersonen, Medien(vertreter), öffentliche Sicherheitsorgane und deren Personal eignen”, heißt es in dem Papier. Das BKA schließt insbesondere Terroranschläge auf Redaktionen deutscher Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender nicht aus. Dazu könne es “jederzeit” kommen. Seit dieser Einschätzung patrouillieren Sicherheitskräfte vor Medienhäusern, insbesondere in Berlin und Hamburg. Die Wiesbadener Behörde befürchtet, dass Terroristen auf “möglichst hohe Opferzahlen und ein Maximum an infrastrukturellem und wirtschaftlichem Schaden” zielen – “bei größtmöglicher medialer Aufmerksamkeit”.

Beunruhigend sei, heißt es in Sicherheitskreisen, dass die Behörden zu wenig Personal hätten, um alle als besonders gefährlich eingestuften Dschihadisten lückenlos zu überwachen. Etwa 550 von ihnen sind in jüngster Zeit nach Syrien oder Irak ausgereist. Rund 180 davon sind inzwischen zurückgekehrt. Wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft bei der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in Nordrhein-Westfalen am Samstag den 24-jährigen Nils D. festgenommen. Er soll im Oktober 2013 nach Syrien ausgereist sein und sich zumindest bis zu seiner Rückkehr im November 2014 als Mitglied an dieser terroristischen Vereinigung beteiligt haben. Ein Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen in Frankreich bestehe nicht, teilte die Generalbundesanwaltschaft mit.

Zu Beginn des Jahres war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der “Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat” gegen den Beschuldigten eingeleitet worden. “Falls es in Deutschland zu einem Terroranschlag kommen sollte, könnte es also gut sein, dass wir den oder die Täter bereits als Gefährder auf der Liste hatten”, sagte ein einflussreicher Beamter. Durch die Ereignisse in Frankreich sei die Anschlagsgefahr insgesamt größer geworden, auch weil man Nachahmer fürchten müsse. Gleichwohl sei es unmöglich, alle gewaltbereiten Islamisten rund um die Uhr zu observieren.

Austausch von Fluggastdaten soll endlich kommen

Nachdem die französischen Einsatzkräfte den Terrorspuk beendet hatten, werden die Ereignisse der letzten Tage auf höchster politischer Ebene besprochen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wird an diesem Sonntag von seinem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve in Paris empfangen. Er will mit weiteren EU-Amtskollegen eine Erklärung abgeben. Die Runde plant zudem, über erste Konsequenzen zu beraten. Nach Informationen de “Welt” wollen die EU-Staaten das seit Längerem geplante Abkommen über den Austausch von Fluggastdaten (PNR) endlich auf den Weg bringen. Das Thema soll beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 12. Februar in Brüssel eine Rolle spielen.

Fluggesellschaften speichern sogenannte PNR-Daten (Passenger Name Record). Dazu gehören sämtliche Buchungs- und Flugdaten mit bis zu 60 Einzelangaben wie Anschriften, E-Mail-Adressen und Kreditkartennummern der Fluggäste. Hätten die europäischen Sicherheitsbehörden darauf Zugriff, könnten sie Profile über Reisen von Extremisten anlegen. Damit wäre es möglich, verdächtige Bewegungen von Kämpfern aus dem Irak und Syrien, die nach Europa zurückkehren wollen, frühzeitig auszumachen.

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Pegida-Demos im Visier von Terroristen?

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Pegida-Demos im Visier von Terroristen?

Im Internet rufen Islamisten nach den Morden in Paris zu Anschlägen in ganz Europa auf. Als Ziel wird dabei auch Deutschland genannt. Das geht aus einem internen Papier des Bundeskriminalamts hervor.

Der islamistische Terrorist Amedy Coulibaly ermordete am 8. und 9. Januar in Paris fünf Menschen, bevor die Polizei ihn tötete. Er und die Kouachi-Brüder, die den Anschlag auf die “Charlie Hebdo”-Redaktion verübten, könnten Vorbilder für andere Fanatiker sein, befürchtet das Bundeskriminalamt            Foto: AFP

 

Von Florian Flade, Martin Lutz, Uwe Müller

Das Bundeskriminalamt (BKA) ist besorgt über die Sympathiebekundungen von Islamisten für die Attentäter von Paris. Der Grund: Im Internet werden die Attentate der Kouachi-Brüder und Amedy Coulibalys zunehmend bejubelt. Das BKA registriert auch offene Aufrufe zu Terroranschlägen – unter anderem in Deutschland.

In einem geheimen Lagebild der Wiesbadener Behörde (“VS- Nur für den Dienstgebrauch”), das 25 Seiten umfasst und der “Welt” vorliegt, heißt es: “Der Anschlag kann allerdings auch als Initial für in Deutschland lebende/aufhältige und tatgeneigte Personen wirken.” Allerdings würden den deutschen Sicherheitsbehörden “konkretisierende Erkenntnisse oder Hinweise” derzeit nicht vorliegen.

Seit einigen Tagen verzeichnet das BKA allerdings besorgniserregende Äußerungen im Internet. Sowohl auf einschlägigen deutschen Seiten als auch in arabischsprachigen Foren würden “der Anschlag auf das Redaktionsbüro des Satiremagazins ,Charlie Hebdo’ begrüßt bzw. gerechtfertigt sowie die Attentäter beglückwünscht”. Zudem gebe es beim Kurznachrichtendienst Twitter den arabischsprachigen Hashtag “Wir haben den Propheten gerächt”.

Deutschland wird als nächstes Anschlagsziel genannt

Ein polizeibekannter Islamist rief laut dem Lagebild am 7. und 8. Januar in deutscher Sprache zu Anschlägen auf. Dabei erklärte er, es reiche aus, wenn gelegentlich Terroranschläge verübt würden. In der EU gebe es noch genug Ziele; Deutschland sei das “nächste Ziel”.

Nach Informationen der “Welt” konkretisierte der Extremist am Montag seine Drohung. Er schrieb nun, er hasse die Ungläubigen und werde sie bis zum Tod bekämpfen. Der Mann bezeichnete die bundesweiten Pegida-Demonstrationen als “Schweinemärsche” und nannte sie als potenzielles Anschlagsziel.

Laut BKA forderte auch der österreichische Dschihadist Mohamed Mahmoud, der sich nach Informationen der “Welt” aktuell in Syrien aufhält, seine Glaubensbrüder über Twitter auf, Attentate in Deutschland und Österreich zu verüben. Die Rede ist vom “Abschlachten” sogenannter Ungläubiger.

Drohungen gegen Wilders, Rushdie und andere

Wie die Anschläge von Paris inzwischen für Propagandazwecke missbraucht werden, belegt ein Video, auf das BKA-Ermittler in dem Internetforum “Shumukh al-Islam” stießen. Dort hat ein Nutzer, dessen übersetzter Name “Wachsamkeit und Härte” bedeutet, einen Film mit dem Titel “Oh Gesandter Allahs, wir haben uns gerächt” eingestellt. Unterlegt mit dschihadistischen Gesängen, wird darin zu Mordanschlägen aufgerufen.

Zu sehen ist im Video auch ein Poster mit Bildern von prominenten Islamkritikern, unter ihnen der dänische Zeichner Kurt Westergaard, der niederländische Politiker Gert Wilders und der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie. Gezeigt wird außerdem mit Stéphane Charbonnier der von den Kouachi-Brüdern ermordete Chefredakteur von “Charlie Hebdo”. Sein Gesicht ist mit einem roten Kreuz versehen.

Die BKA-Analyse weist zudem darauf hin, dass mit islamfeindlichen “Resonanzstraftaten” zu rechnen ist. In Frankreich seien solche Delikte bereits registriert worden. “Derartige Reaktionen sind daher grundsätzlich auch in Deutschland nicht auszuschließen.”

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Die dubiosen Gestalten hinter der Legida-Bewegung

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Die dubiosen Gestalten hinter der Legida-Bewegung

Das Leipziger Legida-Bündnis gilt als entschlossener und radikaler als Pegida. Am Mittwoch werden 40.000 Islamkritiker erwartet. Wer sind die Anführer? Ein Rechtsanwalt, ein Hooligan und Jörg Hoyer.

Von Uwe Müller

Der Mann am Mikrofon hält die Rede seines Lebens. Und es sieht ganz so aus, als ob er jede einzelne Sekunde des Auftritts genießen würde. Fast 5000 unzufriedene Bürger sind dem Aufruf von “Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes” (Legida) gefolgt und haben am ersten “Abendspaziergang” der Initiative teilgenommen. Jetzt, auf der Abschlusskundgebung vor dem Fußballstadion der Messestadt, wollen sie Klartext hören.

Ein solches Auditorium hatte Legida-Sprecher Jörg Hoyer noch nie. Der Sachse – langer dunkler Mantel, breitkrempiger Hut, Hornbrille – steht auf der Ladefläche eines Lastwagens. Über sein Gesicht wandern gespenstisch anmutende Schatten, die provisorische Bühne ist schlecht ausgeleuchtet. Die Gesten, mit denen er seine Sätze unterstreicht, wirken wie einstudiert. Der Hauptredner des Abends reckt den Zeigefinger, schüttelt den Arm, ballt die Faust.

Hoyer wettert über “Vasallen der DDR-Diktatur”, die wie die “FDJ-Sekretärin Merkel” das Volk regierten, beklagt “sklavische Ergebenheit gegenüber den Amerikanern” und empört sich darüber, dass in Deutschland 145.000 Menschen lebten, die hier “nichts zu suchen” hätten. Zum Schluss wird er persönlich und dankt seiner Frau dafür, dass sie ihm stets die Treue gehalten habe: “Vor der Wende, im Untergrund, jetzt” – obwohl er für die Kinder “keine Zeit gehabt” habe. Nach zehn Minuten folgt mit heiserer Stimme das Finale: “Nächste Woche werden wir doppelt so viele.”

Diese Vorgabe ist längst überholt. An diesem Mittwoch, neun Tage nach der Auftaktaktion, will Legida “mindestens 40.000 Bürger” mobilisieren. Selbst wenn nur halb so viele kämen, wäre es der größte Anti-Islam-Protest in der bundesdeutschen Geschichte. Dass diese Zahl erreicht wird, ist keineswegs ausgeschlossen. “Erstmals [werden] Teilnehmer aus verschiedensten Deutschland-GIDAs, im Schulterschluss, bei uns in Leipzig laufen”, verkündet das Bündnis auf seiner Facebook-Seite. Es hofft vor allem auf Zulauf aus Dresden, wo der Pegida-Umzug wegen einer Terrorwarnung ausfallen musste.

Legida ist “entschlossener und viel radikaler”

Seit Monaten dominieren die Dresdner Ereignisse die Schlagzeilen. Erst am Montag haben die Organisatoren von Pegida eine Pressekonferenz einberufen und sich damit einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Doch wer steckt hinter Legida? Wer sind jene Leute, die selbstbewusst erklären: “Leipzig zeigt wie’s geht!”? Die sich auf ein berühmtes Datum der Friedlichen Revolution in der DDR berufen und vollmundig verkünden: “Wie am 9. Oktober 1989 werden wir … eindrucksvoll zeigen, dass es an der Zeit ist, viele Dinge in unserem Land und in Europa zu ändern!”? Die “Welt” hat bei jemandem nachgefragt, der es wissen müsste.

Dresden, Neuländer Straße 60, Sitz der sächsischen Verfassungsschutzbehörde. Präsident Gordian Meyer-Plath erläutert seine Sicht auf die extremistischen Aktivitäten im Umfeld der verschiedenen Gida-Demonstrationen. “In Leipzig besteht noch erhebliches Potenzial nach oben.” Legida gebärde sich im Vergleich zu Pegida “entschlossener und viel radikaler”. Und dies sei besorgniserregend in einer Stadt, in der die linksextremistische Szene besonders aktiv und gewaltbereit auftrete.

Ein Phänomen, das Meyer-Plath dabei einiges Kopfzerbrechen bereitet, heißt “Cross-over”: In Leipzig hätten, recht ungewöhnlich, parteigebundene Rechtsextremisten, Angehörige der Kameradschaftsszene und rechtsextremistische Hooligans mehrfach erfolgreich gemeinsame Sache gemacht. “Diese Kräfte versuchten jetzt, im Rahmen von Legida eine Plattform zu finden”, sagt der Behördenleiter. Trotz dieser Versuche habe der sächsische Verfassungsschutz zum jetzigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für einen dominierenden rechtsextremistischen Einfluss.

Die Betroffenen schweigen zu delikaten Vorwürfen

Über Personen spricht Meyer-Plath nicht. Nach Informationen der “Welt” ziehen jedoch im Zentrum der Legida drei Akteure die Strippen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden müssen: ein Rechtsanwalt, der sich als honoriger Jurist präsentiert, tatsächlich aber immer wieder der NPD zur Seite stand, ein Fan aus der rechten Fußballszene, der vor vielen Jahren wegen des Vorwurfs der Schleusung ausländischer Frauen ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten war, und eben den Kundgebungsredner Hoyer, der erst jüngst unentschuldigt einen brisanten Gerichtstermin geschwänzt hat. Auf Anfrage wollte sich keine der drei Personen zu den Recherchen der “Welt” äußern.

Jörg Hoyer ist der Wortführer der Bewegung. Dabei hat er kaum etwas mit Leipzig zu tun. Der 50-Jährige stammt aus dem Erzgebirge und lebt heute südöstlich von Dresden, in Heidenau nahe der tschechischen Grenze, 130 Kilometer von Leipzig entfernt. Zu Legida ist Hoyer erst gestoßen, als die Initiative längst Schlagzeilen gemacht hatte. Das führte zu allerlei Spekulationen. Journalisten mutmaßten, Hoyer habe im Auftrag von Pegida die Führungsrolle bei Legida übernommen. Doch dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Hoyer, der zu DDR-Zeiten nach eigenen Angaben eine Ausbildung als Kriminaltechniker absolviert hat, bezeichnet sich selbst als “Sachverständiger für Militärhistorik und Zeitgeschichte”, Schwerpunkt Drittes Reich. Sein Büro erstellt Wertgutachten zu “militärhistorischen Antiquitäten”, führt “Schicksalsrecherchen nach deutschen Militärangehörigen” durch und bietet öffentliche Vorträge an, etwa über “Kampfhandlungen und Gefangennahme von deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg”. Früher hat Hoyer zusätzlich einen regen Handel mit NS-Devotionalien betrieben. Doch seine Geschäfte liefen nie gut.

Dem Legida-Sprecher droht ein Haftbefehl

Nur wenige Wochen vor seinem großen Auftritt in Leipzig hatte Hoyer einen unangenehmen Termin. Er sollte am 14. November vergangenen Jahres vor dem Amtsgericht Pirna erscheinen. “Gegen Herrn Hoyer wurde ein Haftbefehl zur Durchsetzung der Vermögensauskunft erlassen”, teilt Gerichtssprecher Andreas Beeskow auf Anfrage mit. Weil der Geladene unentschuldigt ferngeblieben sei, liege es jetzt im Ermessen des Gläubigers, den Haftbefehl durchzusetzen.

Nach “Welt”-Informationen steht Hoyer, der Recht und Ordnung predigt, bei der Landesjustizkasse des Freistaats Sachsen in der Kreide. Eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Dresden, dem diese Behörde untersteht, erklärt auf Anfrage: “Ich kann bestätigen, dass noch eine offene Forderung besteht.” Weitere Auskünfte zum “konkreten Stand des Vollstreckungsverfahrens” könne man nicht machen – aus datenschutzrechtlichen Gründen und um die Eintreibung der Außenstände nicht zu gefährden.

Damit bleibt offen, ob der Freistaat mit dem Gläubiger eine gütliche Vereinbarung getroffen oder ihm eine allerletzte Frist gesetzt hat. Klar ist: Zahlt ein Schuldner nicht, kann er zwangsweise im Gefängnis landen. Es ist nicht das erste Mal, dass Hoyer einschlägig aufgefallen ist. 2014, 2012, 2010, 2008: Immer wieder haben Gläubiger gegen den notorisch klammen Freiberufler vollstreckbare Titel erwirkt. Deshalb wird Hoyer von Auskunfteien auf einer Skala von eins bis sechs ganz unten eingestuft: “Person ist bekannt, harte Negativmerkmale”.

“Beendigung des Kriegsschuldkultes” gefordert

Die Angaben zur Bonität zeigen einen Mann, der im bürgerlichen Leben offenbar gescheitert ist. Und der in einem Strudel steckt, aus dem es offenbar kein Entkommen gibt. Das ist die eine Welt. Für Hoyer gibt es jedoch noch eine andere, in der er zu Hause ist und es sich prächtig eingerichtet hat. Es ist die Welt von 1933 und 1945, die Welt der SS-Waffendolche, Kesselschlachten und des Bernsteinzimmers, die Welt von Rosenberg, Julius Streicher, Hitler. Hoyer selbst hat einmal gesagt: “Wahrheiten, diese Zeit betreffend, [sind] oftmals politisch korrigiert.” Deshalb müsse er “die ,wahren’ Wahrheiten” selbst herausfinden.

Angesichts dieses Credos wundert es nicht, dass der als geltungssüchtig geltende Hoyer als Verfasser des Legida-Positionspapiers gilt, das im Vergleich zum Manifest der Pegida doch um einiges radikaler ist. Darin wird unter anderem die “Beendigung des Kriegsschuldkultes” gefordert. Für Hoyer wäre das ein Freibrief.

2010 hatte er auf der Pinnwand einer sächsischen Zeitung verfängliche Werke wie “Das Programm der NSDAP und seine weltgeschichtliche Bedeutung” oder “Das Handbuch der Judenfrage” zum Verkauf angeboten. Ein Jahr zuvor hatten ihm derlei Aktivitäten ein Ermittlungsverfahren beschert. Auf einem Flohmarkt in Brandenburg an der Havel hatte Hoyer unter anderem Schuhe aus dem Konzentrationslager Mauthausen angeboten.

Ein Ermittler erinnert sich noch lebhaft “an diese Geschmacklosigkeit”. Doch deshalb habe man Hoyer nicht zur Verantwortung ziehen können. Denn dieser habe einen Zettel ausgelegt, wonach Privatpersonen vom Erwerb der KZ-Utensilien ausgenommen seien. Strafrechtlich relevant sei letztlich nur ein Verstoß gegen das Waffengesetz gewesen, der aber nicht ausgereicht habe, um Anklage zu erheben. Der Beamte: “Das Verfahren musste wegen Geringfügigkeit eingestellt werden.”

Versammlungsleiter betrieb eine Model-Agentur

Silvio Rösler, 51, ist der Netzwerker der Bewegung und in der Szene bestens bekannt. Er gehörte lange zum harten Kern der SG Leipzig-Leutzsch, einem Fußballverein mit auffällig vielen Fans aus der rechten Szene. In diesem Umfeld ist auch Thomas Gerlach sozialisiert worden, ein Rechtsextremist, der sich im Umfeld der Terrorzelle NSU bewegt hatte und deshalb in München im Prozess gegen Beate Zschäpe als Zeuge aussagen musste.

Im Internet kursierende Fotos legen die Vermutung nahe, dass Gerlach und Rösler eng befreundet sind. Doch die Legida-Führungskraft, die auch die Demonstrationen seiner Initiative beim Leipziger Ordnungsamt angemeldet hat und zum rund achtköpfigen Orga-Team gehören soll, bestreitet private Verbindungen zu Gerlach. “Er ist genau wie ich ein Fan, wir haben zusammen auf der Norddamm gestanden”, sagte Rösler jetzt der “Leipziger Volkszeitung”.

In den 90er-Jahren war Rösler allerdings auch noch in einem ganz anderen Milieu unterwegs. Als Mitinhaber der Castingagentur “Innovation East” wollte er schönen Frauen den Weg ins Showgeschäft ebenen. Sein Geschäftsmodell sei absolut seriös, beteuerte er seinerzeit in einem Interview: “Wenn wir von vorneherein wissen, dass wir die Leute nicht vermitteln können, sind wir ganz ehrlich und sagen das. … Für sogenannte Karteileichen einfach nur eine Verwaltungsgebühr abkassieren, wie das die schwarzen Schafe der Branche machen, wollen und können wir nicht. Dafür ist uns unser guter Ruf zu schade.”

Angesichts solcher Aussagen ist es bemerkenswert, dass Rösler im April 2002 wegen eines mutmaßlichen Rotlichtdelikts ins Visier der Fahnder geriet. Der Vorgang ist in Dokumenten überliefert, die der “Welt” zur sogenannten “Sachsensumpf”-Korruptionsaffäre vorliegen. Diesen Papieren zufolge ermittelte das für Bandenkriminalität zuständige Leipziger Polizeikommissariat 24 gegen Rösler wegen des Verdachts der Schleusung und des Menschenhandels.

Wie das Verfahren mit dem Aktenzeichen 103 Js 367 96/02 ausging, war nicht zu erfahren. Heute jedenfalls wendet sich der Legida-Mann gegen die unkontrollierte Einwanderung von Ausländern – während ihm damals vorgeworfen wurde, “gewerbsmäßig Frauen aus der Dominikanischen Republik nach Deutschland einzuschleusen, um diese der Prostitution zuzuführen”. Die Staatsanwaltschaft Leipzig will sich dazu nicht äußern, teilte der “Welt” aber mit: “Das Bundeszentralregister weist für den Betroffenen aktuell keine Eintragungen auf.”

Dubiose Firma im Auenwald

Nach seinem Ausflug ins Model-Business verkaufte Rösler, dem exzellente Kontakte zur Leipziger Türsteherszene nachgesagt werden, laut einer Auskunftei zunächst Versicherungen und Immobilien. Doch auch damit scheiterte er mehr oder minder. “Von Krediten wird abgeraten, eine Geschäftsverbindung gilt als riskant”, warnt eine Auskunftei. Mit dieser Einstufung ist Rösler als selbstständiger Gewerbetreibender verbrannt. Da trifft es sich gut, dass ihn seine Ehefrau, eine 20 Jahre jüngere Ukrainerin, als Berater in ihrer Energiezentrale Sachsen UG beschäftigt.

An dieser Firma, die gewerblichen und privaten Verbrauchern helfen will, Energie zu sparen, ist allerdings ebenfalls einiges dubios. Auf der Internetseite sucht man vergeblich nach konkreten Produkten und konkreten Preisen. Der Firmensitz, der auch im Handelsregister eingetragen ist, liegt mitten im Leipziger Auenwald auf dem Areal eines Sportvereins. Dort berichtet ein Mitarbeiter, der Verein habe der Energiezentrale den Raum zum 31. Dezember gekündigt. Röslers Gattin, die als geschäftsführende Gesellschafterin, will er dort nie gesehen haben.

Merkwürdig ist zudem, dass die Ukrainerin und ihr Ehemann auch nicht unter der Adresse anzutreffen sind, die sie gegenüber den Leipziger Behörden als Wohnanschrift angegeben haben. Weder auf einer Klingel noch an einem Briefkasten ist der Name des Paars verzeichnet. Dafür lebt in dem Mehrfamilienhaus ein stadtbekannter Rechtsextremist, der im Internet als “Dottore Frank” von sich reden macht und als NPD-Mitglied in Erscheinung getreten ist.

Anwalt der Bewegung mit NPD-Kontakten

Arndt Hohnstädter, 40, ist der Rechtsbeistand der Bewegung. Er berät Rösler bei der Anmeldung der Legida-Demonstrationen. Der Jurist ist, Neudeutsch ausgedrückt, ein “High Potential” – er gilt als einer der Besten unter den Besten. Bereits während des Studiums war sein Rat als wissenschaftlicher Mitarbeiter gefragt, er absolvierte seine Referendarausbildung gleich in Leipzig und Pretoria. Hohnstädter ist Fachanwalt für Medizinrecht, für Verwaltungsrecht, für Steuerrecht. Ein Spitzenmann, dem die prekären Verhältnisse, in denen sich Rösler und Hoyer bewegen, fremd sein dürften.

Allerdings fischt auch Hohnstädter in trüben Gewässern. Ein erster Hinweis dazu findet sich auf der Homepage des Deutschen Marken- und Patentamtes in München. Hohnstädters Kanzlei BHTO hat dort am 14. November für einen Mandanten den Schutz der Wortmarke “HoGeSa” beantragt. Die sechs Buchstaben stehen für “Hooligans gegen Salafisten”, einer militanten Aktionstruppe, die sich vor drei Monaten in Köln mit der Polizei eine heftige Straßenschlacht lieferte. HoGeSa-Anhänger sollen auch bei der ersten Leipziger Legida-Demo mitgelaufen sein.

Hohnstädter wiederum verteidigt Beschuldigte aus der rechten gewaltbereiten Szene – und zwar bundesweit. Diese Spezialisierung klammert er freilich in seiner Biografie aus. Darüber hinaus ist der Jurist offenbar so etwas wie der Haus- und Hofanwalt der NPD. Beispielsweise trat er als Gutachter für die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag auf. Besondere Meriten hat er sich im letzten Bundestagswahlkampf erworben, als die Partei in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten verwickelt war. Der damalige NPD-Chef Holger Apfel adelte ihn öffentlich: “In diesem Zusammenhang ein herzlicher Dank an unsere Rechtsabteilung, insbesondere an unsere Rechtsanwälte Peter Richter und Arndt Hohnstädter.”

Auf Facebook findet sich ein Mitglied namens “Arndt H.”, das ein Profilbild verwendet, das Hohnstädter verblüffend ähnlich ist. Gut möglich, dass “H.” und Hohnstädter ein und dieselbe Person sind. Auch hierzu wollte sich der Anwalt nicht äußern. Auf der Facebook-Seite von “H.”, die mehrere Kommentare von Silvio Rösler zieren, wird jedenfalls offensiv für Legida und den zweiten Umzug der Islamkritiker geworben: “Wir haben am 21. Januar die Chance auf sehr erhebende Momente.”

Leipziger Polizei im Großeinsatz

Doch die Leipziger werden sich den Legida-Anhängern wieder entgegenstellen. Schon der erste Aufmarsch vor neun Tagen war begleitet von sieben Gegen-Demonstrationen mit rund 30.000 Teilnehmern. Und obwohl es am Montag keinen Legida-Aufmarsch gab, folgten 5000 Menschen dem Aufruf zu einer Anti-Legida-Demo. Zuvor nahmen mehrere Hundert Menschen an einem Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche teil.

Für diesen Mittwoch sind bereits 19 Aktionen angemeldet, die sich gegen die Allianz der Aufgebrachten um das Trio Hoyer, Rösler und Hohenstädter wenden. Mehr als 40 Hundertschaften aus dem gesamten Bundesgebiet werden die Leipziger Polizei unterstützen. Es dürfte einer der größten Einsätze in Leipzig seit 1990 werden.

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Kipping will Ex-Stasi-Kader aus Parteifirma werfen

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Kipping will Ex-Stasi-Kader aus Parteifirma werfen

Linke-Chefin Kipping will alte Stasi-Kader in der Parteifirma Fevac absägen, die pikanterweise stark kapitalistische Züge trägt. Doch die Ex-Spitzel gelten als Gefolgsleute von Fraktionschef Gysi.

Von Martin Lutz, Uwe Müller

Katja Kipping gilt als das sympathischste Gesicht der Linken: stets auf Ausgleich bedacht, wenig verbohrt und ausgesprochen flexibel. In der Partei jedoch haftet der Bundesvorsitzenden auch ein ganz anderer Ruf an.

Ihr wird nachgesagt, sie regiere die Linke mit eiserner Hand, diszipliniere Genossen und scheue keine Intrige. “Mal gilt man als machtlos, mal als machtgeil – vielleicht liegt die Wahrheit in der Mitte”, meint die 37-Jährige Dresdnerin dazu.

Derzeit demonstriert die Linke-Chefin (wieder einmal, welch gewiefte Machtpolitikerin sie ist. Kipping nimmt sich der Kronjuwelen der Partei an. Aufgeräumt werden soll bei der Fevac, der zentralen Firmenholding der Partei. Die Vorsitzende will sie von ehemaligen Stasi-Kadern befreien. Ende 2014 hatte die “Welt am Sonntag” aufgedeckt, dass dort auch 25 Jahre nach dem Mauerfall noch immer etliche Ex-Stasi-Mitarbeiter an zentralen Stellen die Weichen stellen.

Bei der Fevac (Föderative Verlags-, Consulting- und Handelsgesellschaft GmbH) sind Beteiligungen an Immobilien, Medienbetrieben und Druckereien gebündelt. Viele dieser Besitztümer stammen aus der Hinterlassenschaft der DDR-Staatspartei SED. Beispielsweise das Parteiorgan “Neues Deutschland”, das Karl-Liebknecht-Haus in Berlin-Mitte und ein früheres Erholungsheim für Funktionäre im Thüringer Wald, das zu einem modernen Hotelbetrieb ausgebaut worden ist.

An insgesamt acht Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist die Linke maßgeblich beteiligt. In diesen Firmen, die mehr als 160 Mitarbeiter beschäftigen dürften, steckt ein Gutteil des Vermögens der Partei, das diese selbst zuletzt auf gut 30 Millionen Euro bezifferte.

Kipping will zwei Treuhänder vor die Tür setzen

Der Betrag ist freilich das Ergebnis einer äußerst konservativen Bilanzierung. In bester Kapitalistenmanier rechnet sich die Linke gerne arm. Parteichefin Kipping hat bislang allerdings kaum Zugriff auf die Unternehmen. Was dort geschieht, entzieht sich weitgehend ihrem Einfluss. Dies will sie nun mit ihrem Co-Vorsitzenden Bernd Riexinger radikal ändern.

Schon vor Monaten drängte Kipping darauf, “die Struktur des Firmenvermögens zu überprüfen”. Nun sollen Taten folgen: Kipping will zwei Treuhänder, die zusammen 60 Prozent der Anteile an der Dachgesellschaft Fevac halten, vor die Tür setzen: die Juristin Ruth Kampa und den Rechtsanwalt Joachim Philipp.

Beide sind ehemalige Spitzel der SED-Geheimpolizei und gelten als Vertraute des Fraktionschefs Gregor Gysi und seines Stellvertreters Dietmar Bartsch. Ersetzt werden sollen sie durch Gefolgsleute von Kipping: Bundesschatzmeister Thomas Nord und Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn.

Manche sehen in der Säuberungsaktion eine Kampfansage an Gregor Gysi. Der Alpha-Genosse hatte schließlich zu Beginn der 90er-Jahre noch als PDS-Chef das Fundament für das Firmengeflecht gelegt. Zur Seite stand ihm der damalige Schatzmeister Bartsch.

Unter ihrer Ägide entstand ein hoch komplexes, stark verschachteltes und reichlich intransparentes Gebilde. An diesen Verhältnissen hat sich bis heute wenig geändert. Selbst Parteiinsidern fällt es schwer, da durchzublicken.

Ein hundertprozentiger Parteibetrieb

Zu welchen Tricks Gysi und Bartsch griffen, zeigt die Gründungsgeschichte der Fevac. Die GmbH wurde an einem besonderen Tag ins Leben gerufen: am 7. Oktober 1992, dem 43. Geburtstag der DDR. Ihren Sitz bezog sie rund 350 Kilometer von der Hauptstadt entfernt – im unauffälligen Kellinghusen, einem 7700-Seelen-Ort in Schleswig-Holstein.

Ein Genosse hatte damals die “Beratungen bei Gregor” im Vorfeld der Gründung protokolliert. Er hielt fest, dass man eine unauffällige “Mantel-GmbH” brauche, deren Verbindungen zur PDS nicht sichtbar werden sollten. Tatsächlich blieb der Öffentlichkeit lange verborgen, dass es sich um einen hundertprozentigen Parteibetrieb handelt. Offenbar, um das zu verbergen, wurde eine windige Konstruktion gewählt, wie man sie sonst eher aus dem Anlegerparadies Liechtenstein kennt.

Drei Treuhänder wurden als Gesellschafter eingesetzt. Nach außen sah das so aus, als ob dieses Trio auf eigene Rechnung wirtschaftet. Tatsächlich hatte die Partei mit ihm geheime Verträge geschlossen. Das Modell wird bei der Fevac, die seit 1998 in Berlin sitzt, nach wie vor praktiziert.

Kippings Aufräumarbeiten sorgen allerdings in der Partei für Ärger. Auf die Ablösung von Kampa und Philipp bei der Holdinggesellschaft hatte sich der Geschäftsführende Vorstand, dem Kipping und Riexinger sowie zehn weitere Spitzenfunktionäre angehören, bereits am 9. Februar verständigt.

Laut einem Dokument, das der “Welt” vorliegt, empfahl der enge Führungszirkel dem Parteivorstand – einem Gremium mit 44 Mitgliedern –, den “personellen Veränderungen bei den Gesellschaftern der Fevac zuzustimmen”. Näher begründet wurde dies aber offenbar nicht. Der Vorschlag sollte nach Angaben von mit der Sache befassten Personen einfach abgenickt werden. Doch da legte sich der Parteivorstand quer.

Die Vorsitzende gibt nicht klein bei

Personalfragen sind stets auch Machtfragen. Entsprechend groß ist daher der Widerstand gegen das Personalkarussell, das bei der Fevac in Gang gebracht werden soll. Als Wortführer des Anti-Kipping-Lagers sind zwei Parteivorstände aufgetreten, die Gysi und Bartsch zugerechnet werden: die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak und der Rostocker Sozialsenator Steffen Bockhahn.

Wawzyniak sagte der “Welt”: “Ich selbst habe im Parteivorstand für eine Nichtbehandlung der Vorlage gestimmt.” Bockhahn erklärte: “Ich kenne die Motive von Frau Kipping nicht. Die Gesellschaften sind aber für Machtkämpfe denkbar schlechtes Gelände.” Er sehe für die beabsichtigte Neuordnung der Parteibetriebe “keine dringende Notwendigkeit”.

Auf Anfrage wollte sich Kipping nicht zu dem Vorgang äußern. Über einen Sprecher ließ sie aber ausrichten, dass das Thema in der nächsten Sitzung des Parteivorstandes am 28. und 29. März erneut auf der Tagesordnung stehen wird. Klein beigeben will die Linke-Chefin keinesfalls – Kampa und Philipp sollen weg.

Dafür gibt es gute Gründe. Kampa und Philipp haben beide eine unrühmliche Stasi-Biografie. Philipp berichtete einst als Inoffizieller Mitarbeiter unter dem Decknamen IM “Achim” an die SED-Geheimpolizei. Und zwar über Vorgänge am Ost-Berliner Militärobergericht, wo er als Richter tätig war, gnadenlose Urteile fällte und Angeklagte oft wegen Kleinigkeiten für viele Jahre ins Zuchthaus schickte.

Kampa wiederum diente Mielkes Truppe unter den Decknamen “Sonja Richter” und “Ruth Reimann”. Die Juristin wurde als Topagentin im Westen zur Anwerbung von Spionen eingesetzt und scheute laut Aktenlage nicht davor zurück über DDR-Bürger zu berichten. Kampas Stasi-Karriere hatte die “Welt” bereits im Oktober 2013 enthüllt. Zu diesem Zeitpunkt kümmerte sie sich nicht nur um das Vermögen der Partei, sondern war zusätzlich auch bei der Bundestagsfraktion der Linken als Geschäftsführerin angestellt.

Mehrere Parlamentarier der Partei waren entsetzt, zumal Kampa sich nicht selbst offenbart hatte. Doch Gysi dachte überhaupt nicht daran, die Frau fallen zu lassen, die jahrelang seine rechte Hand gewesen war. Er setzte persönlich durch, dass sie Justiziarin der Fraktion wurde. Gysi dürfte es kaum gefallen, dass Kampa jetzt als Fevac-Gesellschafterin abgelöst werden soll.

Kipping-Kritiker Bockhahn stellt klar, dass eine IM-Vergangenheit beim ehemaligen DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in diesem Streit nicht als Begründung für die angestrebte personelle Veränderung herhalten könne. Auffallend sei, dass “ehemalige MfS-Mitarbeiter durch ehemalige MfS-Mitarbeiter ersetzt werden sollen”. Mit dieser Bemerkung spielt er darauf an, dass Kippings Fevac-Wunschkandidat Thomas Nord einst als IM “Marc Schindler” für die Stasi im Einsatz war.

Allerdings hatte der heutige Bundesschatzmeister diese Verstrickung schon im Frühjahr 1990 öffentlich gemacht und sie in seiner Biografie als Ausdruck “persönlichen Versagens” bezeichnet.

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Deutschen Separatisten auf der Spur

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Deutschen Separatisten auf der Spur

Deutsche Österreichische Kämpfer im Donbass FOTO[1]

Man spricht deutsch. Separatisten bedanken für Spenden – in ihren Reihen kämpfen auch etliche Bundesbürger

Es war der Anfang einer langwierigen Recherche: Ein Kollege hatte erfahren, dass sich ein Deutscher über Russland ins Kriegsgebiet aufgemacht hatte. Wir durchforsteten daraufhin russische und deutsche soziale Netzwerke und stießen auf immer mehr Bundesbürger, die für die von Russland unterstützten Separatisten kämpften. Wir holten Melderegister- und Bonitätsauskünfte ein, besorgten uns alte Zeitungsartikel über die Personen, versuchten mit ihren Bekannten und Verwandten in Kontakt zu kommen und mit ihnen zu sprechen.

Mehr als ein Dutzend deutscher Staatsangehöriger, die in der Ostukraine auf Seiten der Separatisten kämpfen, konnten wir identifizieren. Sie stammen aus Frankfurt am Main, aus Essen, dem Raum Aachen oder dem hessischen Wetzlar. Sie nehmen an einem Krieg teil, der bereits mehr als 6000 Tote, meist Zivilisten, gefordert hat. Ihnen auf die Spur zu kommen und ihre Biografie zu rekonstruieren, war ein langer Weg. Das Ergebnis unserer wochenlangen Recherche haben wir trimedial aufbereitet und auf allen Kanälen der WELT-N24 Gruppe präsentiert: Ein großer Bericht in der “Welt am Sonntag”, die Nachricht auf Welt Online, und ein Film über den ersten gefallenen Deutschen in der Ostukraine auf N24 und auf welt.de.

Besonders berührt hat uns der Fall des Mannes aus Schweinfurt, der durch einen Granatsplitter sein Leben verlor. Um seiner Geschichte nachzuspüren, machten wir uns auf an seinen Heimatort Schweinfurt – wo wir uns mit früheren Weggefährten und seinem ehemaligen Kampfsporttrainer trafen.

Traueranzeige für den gefallenen Vitalij Pastuchow: Er wurde in Moskau beerdigt; seine deutschen Freunde zahlten die Überführung des Leichnams dorthin

Traueranzeige für den gefallenen Vitalij Pastuchow: Er wurde in Moskau beerdigt. Seine deutschen Freunde zahlten die Überführung des Leichnams dorthin

Aber auch der Fall eines erst 21 Jahre jungen Mannes aus Essen, der sich den Kampfnamen „Stierlitz“ gegeben hat und auf Facebook als „Nikolaj Blagin“ auftritt und von seinen „Heldentaten“ im Kriegsgebiet berichtet, hat uns bewegt. Seinen bürgerlichen Namen Blagaderov verschweigt er üblicherweise, an seiner ehemaligen Schule konnten sich aber noch viele gut an ihn erinnern. Blagaderovs Mutter zeigt sich uns gegenüber verschlossen – verständlich, wenn  das eigene Kind sein Leben leichtfertig aufs Spiel setzt. Nikolaj Blagaderov ist dagegen völlig unbeschwert. Noch vor einigen Wochen tauchte er im RheinRuhr Berufskolleg in Essen auf, wo er vor zwei Jahren seinen Hauptschulabschluss abgelegt hatte. Blagaderov war auf Fronturlaub. „Er kam in Uniform und war unheimlich stolz auf seinen Kampfeinsatz“, sagte uns eine Lehrerin.

Von unseren Recherchen zeigten sich sowohl das Bundesjustizministerium als auch das Auswärtige Amt überrascht. Angeblich haben sie überhaupt keine „belastbaren Erkenntnisse“ darüber, dass Bundesbürger 2500 Kilometer von ihrer Heimat entfernt für selbsternannte Volksrepubliken ihr Leben riskieren. Das ist wenig glaubwürdig: In Gesprächen mit Vertretern deutscher Sicherheitsbehörden wurde uns dann aber bestätigt, was wir zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon vermuteten: Mehr als 100 deutsche Kämpfer gibt es offenbar in der Ostukraine. Der vermutlich erste und bislang einzige von ihnen, der für die Mission der Rebellen sein Leben ließ, ist der 33-jährige Vitalij Pastuchow – die Hauptfigur in unserer Geschichte.

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Warum Deutsche für Putin in der Ukraine sterben

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Warum Deutsche für Putin in der Ukraine sterben

Rund 100 Bundesbürger kämpfen für die Rebellen in der Ostukraine. Viele Russischstämmige sind darunter, ehemalige Soldaten, auch eine Frau – und die Politik schaut tatenlos zu.

Von Dirk Banse , Michael Ginsburg, Uwe Müller, André Eichhofer, Julia Smirnova

Am 12. Februar um 15.34 Uhr wird sein Tod bekannt. Über VK, das russische Pendant zu Facebook, kommt die Nachricht. Dort verkündet eine Gruppe von Rebellen in der Ostukraine den Tod eines Kameraden. Gefallen sei Vitalij Pastuchow, steht dort in kyrillischen Buchstaben. “Kämpfer der ersten Izwarinsker Schützenkompanie. Geboren in Kasachstan.”

Was aus den wenigen Zeilen auch noch hervorgeht: Der Tote war ein Deutscher, 33 Jahre alt.

Sein halbes Leben hatte er nach Recherchen der “Welt am Sonntag” in Bayern verbracht, wo er in Würzburg, Bayreuth und zuletzt in Schweinfurt wohnte. Gestorben ist er im Krieg gegen Kiew, als Kämpfer für die von Russland unterstützten Separatisten. Just an dem Tag, an dem Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident François Hollande den verfeindeten Parteien nach einer durchverhandelten Nacht eine Waffenruhe  abrangen. Monatelang hatten Politiker und Diplomaten aus aller Welt versucht, eine Eskalation des Ukraine-Konflikts zu verhindern.

Während die Nachricht vom Waffenstillstandsabkommen an diesem Tag die Schlagzeilen dominierte, schaffte es der Name des gefallenen Deutschen an der ukrainischen Front nicht in die Nachrichten. Er wurde gar nicht wahrgenommen. Dabei wäre Aufmerksamkeit durchaus angebracht gewesen. Denn es gibt noch zahlreiche andere Deutsche, die in der Ostukraine im Dienst der Separatistenmilizen stehen.

Nach Schätzungen deutscher Sicherheitsbehörden sind es mindestens 100. Momentan ist es zwar vergleichsweise ruhig im Kampfgebiet. Doch die Lage bleibt angespannt. Vor allem rund um die strategisch wichtige Stadt Mariupol waren diese Woche wieder viele Schusswechsel zu hören.

Mehr als ein Dutzend dieser Kämpfer konnten nach ersten Recherchen dieser Zeitung identifiziert werden. Viele von ihnen brüsten sich im Internet mit vermeintlichen Heldentaten. Oft verstecken sie ihre wahre Identität hinter Kampfnamen. Bei der Rekonstruktion ihrer Biografien zeigt sich: Das Gros hat russische Wurzeln. Aber auch eine Frau ohne jeden Migrationshintergrund ist unter den Freiwilligen, von denen wiederum einige ehemalige Bundeswehrsoldaten sind.

Wie geht die Bundesrepublik mit dieser Tatsache um? Der Konflikt in der Ostukraine hat schon mehr als 6000 Menschen das Leben gekostet, darunter mindestens 4000 Zivilisten. Nach ukrainischem Recht machen sich diese Krieger mit deutschem Pass strafbar – aber werden sie auch von der deutschen Justiz verfolgt? Voraussetzung dafür wäre etwa, dass die Separatisten als terroristische Vereinigung im Ausland eingestuft werden. Das ist bislang aber nicht der Fall.

Die Bundesregierung tut sich schwer, Fragen dazu zu beantworten. Sowohl das Bundesjustizministerium als auch das Auswärtige Amt erklären, man habe “keine belastbaren Erkenntnisse” über Deutsche, die in der Ukraine kämpfen würden. Das Bundesinnenministerium dagegen gibt zu, Hinweise auf Einzelfälle zu haben. “Hinsichtlich deren politischer Motivation liegen bisher keine Erkenntnisse vor”, heißt es allerdings. Straftaten deutscher Staatsangehöriger im Ausland würden nicht toleriert. Nach Informationen dieser Zeitung wurde bislang jedoch noch nicht gegen deutsche Kämpfer in der Ostukraine ermittelt.

Dabei zeigt Berlin anderswo durchaus harte Kante. Wer etwa nach Syrien auswandert und sich dem Islamischen Staat (IS) anschließt, den trifft die volle Härte des Gesetzes. Und selbstverständlich werden junge Dschihadisten von den deutschen Geheimdiensten observiert. Erst vor wenigen Tagen warnte Christof Gramm, Präsident des Militärischen Abschirmdiensts (MAD), davor, dass “die Bundeswehr als Ausbildungscamp für gewaltbereite Islamisten missbraucht werden” könnte. Mit Blick auf die deutschen Kämpfer in der Ostukraine gibt es derartige Töne nicht. Da gibt es nicht einmal einen gesonderten Auftrag der Politik an den Verfassungsschutz, sich mit diesem Kriegstourismus zu befassen. Der überprüfe lediglich, ob extremistische Bestrebungen erkennbar seien, heißt es im zuständigen Innenministerium.

Dahinter könnte politisches Kalkül stecken. Die Bundesrepublik, allen voran die Kanzlerin, lässt nichts unversucht, in der Region Frieden zu stiften. Dazu braucht man nicht nur den Kreml, sondern auch die Separatisten. Würde man sie zu Terroristen erklären, könnte man sie kaum mehr an den Verhandlungen beteiligen, wie in Minsk geschehen.

Deutsche haben wichtige Posten in den Milizen

Zudem bekleiden die Freiwilligen mit deutschem Pass teilweise wichtige Posten in den prorussischen Milizen. Mehrere Hundert Separatisten hatte etwa Alexej Relke unter sich, als er als einer der ranghöchsten Kommandanten in der gefürchteten Milizenarmee namens Süd-Ost war. Die Ostukraine ist seine ursprüngliche Heimat, hier wurde er 1972 geboren. 1990 wanderte er dann mit der Mutter und zwei jüngeren Geschwistern aus. Der Vater, ein Russe, von Beruf Hochspannungselektriker, war zehn Jahre zuvor bei einem Arbeitsunfall gestorben. Die Familie fasste in Deutschland Fuß. Allein Sohn Alexej gelang der Neustart in der fremden Umgebung nicht recht. Seine erste Ehe ging schief, zwei Jahre konnte er keine Arbeit finden. “Alexej hat es am schwersten gehabt”, sagt seine Mutter.

Der bullige Mann mit dem leicht schwäbischen Akzent war an vorderster Front dabei, als sich im Frühling 2014 die Separatisten in Donezk und Lugansk formierten und Schritt für Schritt die Gebietsadministrationen, Polizei- und Geheimdienstgebäude sowie Radiostationen übernahmen. Laut dem ukrainischen Geheimdienst soll der “Deutsche”, so Relkes Spitzname, damals den Aufstand von Lugansk ausgelöst haben. Das Innenministerium in Kiew bezeichnete ihn vor rund einem Jahr noch als einen “der radikalsten Terroristen, die im Osten des Staates operieren”. Fragen will er nicht beantworten. Die Medien in Deutschland, sagt er am Telefon, würden nicht objektiv berichten. Die Abscheu gegen die sogenannte Mainstream-Presse im Westen – sie ist allgegenwärtig, wo immer sich die deutschen Kämpfer im Dienste der russischen Separatistenmiliz äußern.

Nikolaj Blagaderov erklärt sich immerhin zu einem Interview bereit. Vor zwei Jahren hatte er in Essen, wo seine Familie lebt, die Hauptschule abgeschlossen. Danach hätten ihm viele Türen offen gestanden, davon ist auch eine ehemalige Lehrerin überzeugt. Doch Blagaderov, der sich inzwischen “Stierlitz” oder “Blagin” nennt, wählte einen anderen Weg.

Noch in dieser Woche hielt sich der 21-Jährige in Debalzewe auf, jener Stadt, um die auch nach dem “Minsk II” genannten Friedensabkommen vom 12. Februar erbittert gekämpft wurde. Auf schriftliche Anfrage teilt er mit: “Ich werde mich bei Ihnen melden, wenn es möglich ist.” Allerdings würden die mobilen Datenleitungen nur schlecht funktionieren. So kommt es dann doch nicht zum Gespräch. Andere Bundesbürger, die so wie Blagaderov, Relke und Pastuchow am Krieg teilnehmen, stammen aus Frankfurt am Main, dem Raum Aachen, Wetzlar in Hessen oder dem badischen Emmendingen.

Was aber ist es genau, das sie antreibt, ihr vergleichsweise privilegiertes Leben im Westen aufzugeben und gegen den gefährlichen Kriegsalltag im Donbass einzutauschen? Wie kommt es, dass sie ihr Leben riskieren für eine Bewegung, die die Souveränität eines Staates untergräbt und dafür ungeheure Verwüstungen in Kauf nimmt?

Wer zu den deutschen Kämpfern in der Ostukraine recherchiert, der findet erneut Parallelen zu Islamisten, die in den Dschihad ziehen. Meist geht es um missglückte Integration. Der Verein zur Förderung der Integration von Russlanddeutschen hat oft betont, dass die in Deutschland lebenden Aussiedler sowohl die russische als auch die deutsche Kultur in sich tragen. Keine könnten sie wirklich ausleben. Der Krieg in der Ostukraine bietet da offenbar die Chance, eine gefühlte Leere zu überwinden und sich in den Dienst einer vermeintlich guten Sache zu stellen.

Spurensuche im Umfeld des jungen Mannes, der in der Ostukraine sein Leben ließ. Die Geschichte, die ein enger Freund des getöteten Pastuchow erzählt, handelt von Verlierergefühlen, fehlender Anerkennung und Ausgrenzung. Es sind Erfahrungen, die die Biografien vieler russischstämmiger Bundesbürger prägen. Wir treffen den Mann, der anonym bleiben will, in einem italienischen Restaurant am Markt von Schweinfurt. Es ist Mittag, etwas verloren sitzt der Mann an einem großen Holztisch.

Das Gespräch beginnt schleppend. Nervös lässt der drahtige 39-Jährige seinen Löffel in der Teetasse kreisen. Er hat sich zu dem Treffen überreden lassen. Erst als die Sprache auf seine Kindheit und die seines Freundes Pastuchow kommt, beginnt er zu erzählen. Wie Vitalij sei er in einem kleinen kasachischen Ort groß geworden. Beide seien sie voller Stolz gewesen, deutsche Vorfahren zu haben. Selbst als Dorfbewohner sie als Faschisten beschimpften, seien sie gelassen geblieben. “Wir fühlten uns als Deutsche.”

Russlanddeutsche erschlugen Familienvater in Würzburg

Als sie später in die Bundesrepublik ausreisten, hatten Pastuchow und sein Freund rasch das Gefühl, nicht erwünscht zu sein. “Für die Deutschen waren wir Russen. In der Heimat galten wir als die Deutschen”, sagt der Weggefährte des toten Kämpfers. “Diese Erfahrung zählt zu den bittersten meines Lebens.” Pastuchow erging es nicht anders. Kein Schulabschluss, spärliche Deutschkenntnisse, all das erschwerte den Start in der neuen Heimat zusätzlich. Er lebte vom Sozialamt, hing herum, wurde kriminell.

Im Gefängnis lernten sich die beiden Männer 2004 kennen. Am 18. Februar 2003 war Pastuchow von der Großen Jugendkammer des Würzburger Landgerichts zu sieben Jahren Jugendstrafe verurteilt worden, er war damals gerade 19 Jahre alt. Das Regionalblatt “Mainpost” wertete seine Tat als eines “der brutalsten Verbrechen, das in den letzten Jahren in Würzburg geschah”. Der Russlanddeutsche hatte mit einem Landsmann einen 42-jährigen Familienvater im Vollrausch erschlagen. Man hatte sich um eine Flasche Wodka gestritten.

Nach der Entlassung aus der Haft wollte Pastuchow von Alkohol nichts mehr wissen. Er flüchtete sich in den Kampfsport: Sambo, eine russische Variante von Judo. Bis er im Herbst 2014 auf einmal beschloss, sein Leben zu ändern und in den Krieg zu ziehen. “Das ist mein Weg”, sagte Pastuchow zu seinen Bekannten.

Es ist der 14. September. Pastuchow schließt ein letztes Mal die Tür seiner Wohnung in Schweinfurt hinter sich zu und zieht los gen Osten. Seine Reise endet mitten im Kessel von Debalzewe. Dort dient der introvertierte Mann als Wachposten der Schützenkompanie an vorderster Front. Bis sich an einem eisigen Tag im Februar der Splitter einer Mörsergranate in den Schädel des 33-Jährigen bohrt. “Wir hatten davon geträumt, uns ein Haus im Ural zu kaufen und neu anzufangen”, erzählt sein Freund und beginnt zu weinen. “Vitalij hat einen anderen Weg gewählt”, sagt er und fügt leise hinzu: “Jetzt ist er tot.”

Wenn man das Leben Pastuchows Revue passieren lässt, scheint der Weg in den Krieg weniger politisch motiviert; es geht vielmehr um die Suche nach einer neuen Heimat. Es ist die bewusste Abkehr von einer Gesellschaft, die einen nie angenommen hat und die man zutiefst verachtet. “Die westliche Welt hat sich von ihren christlichen Wurzeln abgekehrt und begibt sich hin zu einem wahren Satanismus”, sagt Margarita Seidler, eine der bekanntesten deutschen Propagandistinnen für die russischen Separatisten im Kampfgebiet. “Deshalb wollte und konnte ich dort nicht bleiben.”

Auch Seidler ist in den Krieg gezogen, als eine der ersten Deutschen. Die 43 Jahre alte Frau, die im ostdeutschen Wittenberg geboren wurde, gehört zu den wenigen Freiwilligen im Donbass, die keine Wurzeln haben in der Region. Auch ihre Vita erzählt von einer langen Suche. Als die Mauer fiel, wurde Seidler Krankenschwester und suchte ihr Glück in Bayern. Doch ihr erster Job in einer Klinik in Garmisch-Partenkirchen füllte sie nicht aus. Ihre Freunde – Georgier, Weißrussen und Ukrainer – führten sie ein in die russisch-orthodoxe Christi-Auferstehungs-Gemeinde in München. Seidler wurde gläubig.

Erzpriester Nikolai Zabelitch erinnert sich noch gut an die Frau, die sich 1999 von ihm taufen ließ. Seidler habe an Pilgerreisen nach Griechenland und Italien teilgenommen und schließlich den Entschluss gefasst, in der Ukraine in einem Kloster zu leben. Eine prägende Erfahrung, wie Seidler später selbst bekannte: “Dort findet man alles, was man zur Rettung der Seele braucht.”

Je tiefer sie eintauchte in die Spiritualität, desto mehr entfernte sie sich von der westlichen Gesellschaft. Und je mehr sie sich vom Westen abkehrte, desto mehr sympathisierte sie mit der Idee vom großrussischen Reich. Da war die Besetzung der Gebietsadministrationen von Donezk und Lugansk im Frühjahr 2014 eine Initialzündung. Kurz darauf stieß Seidler zu den Separatisten. Es gibt zahlreiche Aufnahmen, die Seidler in Uniform und in Kampfpose mit Maschinengewehr (Link: http://www.welt.de/138401011) zeigen. Doch sie ist vor allem eines: Propagandistin, die von russischen TV-Sendern als geschätzte Interviewpartnerin gefeiert wird.

“Ich sehe mich schon lange als Russin und habe die russische Seele”, sagte sie Ende Januar dem Moskauer Sender NTW. Wobei Russland für sie keineswegs die Föderation in ihren heutigen Grenzen ist, sondern ein besonderes Gebilde mit tiefen historischen Wurzeln: “Ob Ukraine, Weißrussland oder Russland – für mich ist das alles Großrussland, alles die heilige Rus.” Seit zwölf Jahren ist die Frau nicht mehr in Deutschland gewesen.

Hass auf Deutschland geringer als bei IS-Kämpfern

Eben darin besteht der große Unterschied zwischen den Kämpfern in der Ostukraine und den Dschihadisten, die in den Heiligen Krieg nach Syrien oder in den Irak ziehen: Anders als bei den IS-Sympathisanten scheint bei den prorussischen Aktivisten zumindest bislang das Risiko gering, dass sie zurückkehren – mit dem Ziel, ihren Kampf gegen westliche Werte in Deutschland weiterzuführen. Vielleicht ist auch das der Grund, warum die Bundesregierung dem Phänomen wenig Beachtung schenkt.

Darf Deutschland tatenlos zusehen, wenn Bundesbürger an militärischen Aktionen beteiligt sind, die Menschenleben kosten? “Wir sehen diese Deutschen als Söldner im weitesten Sinne an”, sagt Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Berlin. Nachdem er von den Recherchen dieser Zeitung erfahren hatte, ist er beim Auswärtigen Amt und beim Innenministerium vorstellig geworden. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass Deutsche nicht weiterhin “in Richtung Osten ziehen und am Morden und Töten teilnehmen”.

In Berlin stößt er damit bislang allerdings auf wenig Gehör. Dabei gibt es andere Staaten in der EU, die entschiedener gegen den Kriegstourismus vorgehen. Lettland zum Beispiel: Nach einem neuem Gesetz muss ein Lette, der für die prorussischen Separatisten in der Ostukraine oder für die Terrormiliz IS kämpft, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen.

Ob strengere Gesetze Pastuchow von der Ausreise abgehalten hätten, ist fraglich. Er war offenbar fest entschlossen und weihte nur wenige Freunde ein. So reagiert sein ehemaliger Kampfsporttrainer Albert Köpplin schockiert, als er vom Tod seines früheren Schülers erfährt. “Dafür, dass er in den Krieg in die Ostukraine gezogen war, habe ich keine Erklärung.” Der Sambo-Bundestrainer betreut viele junge Leute, die auf die schiefe Bahn geraten sind. Er sei sicher, sagt er, dass der Sport “Vitalij geholfen hat, mit seinem Leben klarzukommen”.

Zumindest ein Wunsch ist für den gefallenen Separatisten in Erfüllung gegangen. Seinem Freund hatte er einmal gesagt, er wolle nicht in Deutschland sterben. Am 25. Februar wurde Vitalij Pastuchow in Moskau beigesetzt. Die Rebellen, für die er sein Leben ließ, zahlten nicht für seine Beerdigung. Es waren seine Freunde in Deutschland, die Spenden sammelten, damit sein Leichnam aus dem Kriegsgebiet heraus nach Russland gebracht werden konnte.

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Spionageabwehr schaltet sich in BND-Affäre ein

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Spionageabwehr schaltet sich in BND-Affäre ein

Nun interessiert sich auch der Verfassungsschutz für die Suchmerkmale der NSA, die vom BND aussortiert wurden. Spähte der US-Geheimdienst deutsche Bürger, Institutionen oder Firmen aus?

Von Uwe Müller, Florian Flade, Dirk Banse

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wird wegen der aktuellen Affäre beim Bundesnachrichtendienst (BND) aktiv. Die für Spionageabwehr zuständige Abteilung 4 der Kölner Behörde hat vom BND die Liste der vom US-Geheimdienst NSA beim BND eingeschleusten Suchbegriffe angefordert, wie die “Welt” aus Sicherheitskreisen erfuhr.

Geprüft werden soll, ob deutsche Bürger, Institutionen und Konzerne im Visier der NSA standen. Bislang hat der BND die Liste mit den sogenannten Selektoren nicht dem Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt. Dabei handelt es sich etwa um IP- oder Mail-Adressen, die die NSA dem BND zur Datenabschöpfung übermittelte. Eigentlich soll dies dem Anti-Terror-Kampf dienen. Seit 2008 soll der BND rund 40.000 NSA-Suchmerkmale aussortiert und in der Liste gespeichert haben.

Die Abteilung 4 des Verfassungsschutzes, der dem Bundesinnenministerium von Thomas de Maizière  (CDU) untersteht, ist im Inland für Spionageabwehr, Geheim-, Sabotage- und Wirtschaftsschutz zuständig. Der BND benötigt für die Weitergabe der Liste das Einverständnis des Kanzleramtes. Denn dieses hat die Dienst- und Fachaufsicht für den deutschen Auslandnachrichtendienst.

Ist eine Absprache mit den USA notwendig?

Im Streit um die Herausgabe lässt die Bundesregierung das Parlament unterdessen zappeln. Zunächst will die Regierung das Ende von Konsultationen mit den Amerikanern abwarten. Die SPD und die Opposition kritisierten es als unnötig, die USA vorher zu fragen.

Auch Generalbundesanwalt Harald Range will die Listen einsehen. Im Rechtsausschuss sagte Range nach Teilnehmerangaben, er habe dazu ein Erkenntnisersuchen ans Kanzleramt gestellt. Als möglicher Straftatbestand komme staatlich gelenkte Wirtschaftsspionage infrage.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die notwendigen Entscheidungen würden nach Abschluss der Konsultationen mit den amerikanischen Partnern getroffen. “Ich kann Ihnen nicht sagen, ob das morgen ist, oder an einem anderen Tag.”

De Maizière fehlt noch “vollständiger Überblick”

Innenminister de Maizière (CDU) sagte kurz vor einem Auftritt im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags, die Regierung “im Ganzen” werde über die Freigabe der Listen entscheiden. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Konsultationen mit den USA verwies, hatte Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) gefordert, dass die Parlamentarier rasch Akteneinsicht nehmen können.

De Maizière war von 2005 bis 2009 Chef des Kanzleramts. Auf die Frage, ob er rückblickend etwas anders machen würde, sagte de Maizière, er habe die Unterlagen aus dieser Zeit noch nicht komplett gesichtet. Auch habe er keinen vollständigen Überblick über das, was im BND geschehen sei: “Ich kann die Frage zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten.”

Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, wandte sich gegen ein Abwarten der Konsultation: “Es bedarf keines Okays der Amerikaner.” Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, forderte die Regierung auf, den USA deutlich zu machen, dass die Einsicht in die Akten nicht “bis zum Sankt-Nimmerleinstag” hinausgezögert werden dürfe. Zudem müsse der BND nun sämtliche Selektoren überprüfen. “Da muss man grundsätzlich und systematisch ran.”

Die Grünen pochen auf Einsicht in viel mehr Daten. Er beantrage, dass die Regierung sämtliche NSA-Suchkriterien zur Verfügung stellt, sagte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Die Abgeordneten sollten die Möglichkeit haben, die vermutlich Millionen von Daten selbst digital zu durchforsten.
(mit dpa)

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NSA wollte ungehindert auf Internetknoten zugreifen

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NSA wollte ungehindert auf Internetknoten zugreifen

Heikle Anfrage: Der amerikanische Geheimdienst wollte 2008 nicht nur die Satellitenkommunikation anzapfen, sondern auch Glasfaserkabel in Frankfurt. Doch das Kanzleramt lehnte ab.

Von Manuel Bewarder, Uwe Müller, Ileana Grabitz

Der amerikanische Nachrichtendienst NSA wollte die Kooperation mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahr 2008 ausweiten, um einen ungehinderten Zugriff auf den zentralen Internetknoten in Frankfurt am Main zu erhalten. Das erfuhr die “Welt” aus Sicherheitskreisen.

Demnach wusste die Bundesregierung spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Überwachungswünsche des amerikanischen Geheimdiensts über das hinausgehen könnten was durch die deutsche Rechtslage gedeckt ist. Demnach fragte der US-Dienst das Kanzleramt damals an, ob die Vereinbarung für den Informationsaustausch bei der Satellitenkommunikation in Bad Aibling nicht auch in Frankfurt angewendet werden könnte. Demnach wusste die Bundesregierung spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Überwachungswünsche des amerikanischen Geheimdiensts deutlich über das hinausgehen, was aus Sicht der deutschen Bürger und Unternehmen zu verantworten ist.

Seit zwei Wochen erschüttert die Zusammenarbeit der Geheimdienste diesseits und jenseits des Atlantiks das politische Berlin: Dem BND wird vorgeworfen, er habe der NSA über Jahre hinweg geholfen, deutsche Unternehmen und Politiker auszuspähen. Im Zuge der Affäre steht auch das Kanzleramt in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, seiner Aufsichtspflicht gegenüber dem BND nicht genügend nachgekommen zu sein.

Grundrechte wären nicht mehr geschützt gewesen

Zumindest in diesem Fall lässt sich konstatieren, dass die Regierungszentrale im Sinne der deutschen Bürger und Unternehmen handelte. Das Bundeskanzleramt entschied sich damals nach Rücksprache mit dem BND gegen die Ausweitung der Kooperation. Hintergrund war dem Vernehmen nach die Annahme, dass man den Datenschutz deutscher Bürger und Unternehmen im Falle des Zugriffs auf Internetdaten in Glasfaserkabeln nicht unbedingt gewährleisten könne.

Bei der Satellitenkommunikation hingegen ist dies durch den Einsatz von Filtern sehr wohl der Fall – wie es auch in Bad Aibling praktiziert wird. Erstmals 2005 waren BND-Mitarbeitern in der Gesamtzahl der US-Datenanfragen Suchbegriffe aufgefallen, die deutschen Interessen zuwiderlaufen könnten. Der BND reagierte damals umgehend und beschloss, entsprechende Filter einzuziehen. Eine Praxis, die bis heute angewandt wird.

Die deutsche Seite wäre demnach 2008 nach eigener Ansicht Gefahr gelaufen, gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu verstoßen und keinen ausreichenden Schutz mehr bieten zu können. Ein solcher Datenaustausch hätte womöglich auch gegen das 2002 unterzeichnete “Memorandum of Agreement” verstoßen, das die Grundlage für die Zusammenarbeit in Bad Aibling ist. Mit dem Ziel, die nationalen Kräfte im Kampf gegen den Terror zu bündeln, werden dort seither Datenverkehre in Krisengebieten abgeschöpft.

Der Artikel auf welt.de

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Finanzskandal bei der Linken: Die Dokumente

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Finanzskandal bei der Linken: Die Dokumente

Bartsch und Wagenknecht 1

Der Finanzskandal trifft Dietmar Bartsch zur Unzeit: Ab Herbst will er mit Sahra Wagenknecht die Linksfraktion im Bundestag anführen

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Linkspartei bahnt sich ein heftiger Streit an. Die „Welt am Sonntag“ enthüllte jetzt, dass in der Parteikasse ein Loch von rund einer Million Euro klafft. Auf diese Summe belaufen sich die Außenstände aus einem desaströsen Geschäft: Vor gut acht Jahren hatte die Partei 50 Prozent der Anteile vom Verlag Neues Deutschland (ND) an die Firma Communio verkauft. Besonders unappetitlich: Eigentümer der Berliner Beteiligungsgesellschaft ist Matthias Schindler, der einst hochrangiger Stasi-Offizier war.

Die Communio erwies sich als denkbar schlechter Vertragspartner. Sie sollte den Kaufpreis in 16 Raten von 2007 bis 2022 abstottern. Bis Ende 2013 blieb sie der Partei allerdings 955.537,19 Euro schuldig. Inklusive der vereinbarten Zinsen (4,5 Prozent pro Jahr) summiert sich die die offene Forderung der Linken gegenüber der Firma mittlerweile auf 1.755.537,19 Euro. Und die Parteigremien wurden über dieses Desaster offenbar jahrelang nicht informiert.

Wie konnte es dazu kommen? Im Folgenden werden brisante Ausschnitte aus den internen Unterlagen zu diesem Geschäft dokumentiert – sie belegen, dass der Deal von Anfang an dubios war. Die Parteiführung wird der Basis jetzt einiges zu erklären haben.

DOK 1

Mit einem Beschluss des Bundesvorstands (siehe Grafik 1) wurde der Anteilsverkauf des parteieigenen Zeitungshauses im Jahr 2006 auf den Weg gebracht. Dadurch wollte man sich eigentlich Einnahmen in sechsstelliger Höhe pro Jahr sichern, „die für die unmittelbare politische Arbeit genutzt werden können“.

Damals war Dietmar Bartsch, der jetzt Vorsitzender der größten Oppositionsfraktion werden soll, Bundesgeschäftsführer. Seine Geschäftsstelle hatte den einstigen Schatzmeister der Partei, Karl Holluba (2006 bis 2010), mit der Abwicklung der ND-Anteile beauftragt.

DOK 2

Nach dem „Kaufvertrag über die Geschäftsanteile“ vom 29. Dezember 2006 (Grafik 2) war ein Kaufpreis von insgesamt 1,6 Millionen Euro vereinbart. Der Käufer hat nach den dieser Redaktion vorliegenden Papieren bislang allerdings nur eine von sieben Raten, die bis Ende 2013 fällig waren, beglichen: gerade einmal 275.000 Euro.

Deshalb hätte der Anteilskauf eigentlich sofort storniert werden müssen. Denn der Kaufvertrag enthält eine entsprechende Klausel in Paragraf 3: „Gerät der Käufer mit Zahlungen […] in Verzug oder zeigt der Käufer an, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können, ist dieser Kaufvertrag rückabzuwickeln und der Geschäftsanteil rückabzutreten.“ Genau das wurde jedoch unterlassen, wobei die für die Überwachung des Geschäftes Verantwortlichen nach den Recherchen der Redaktion die Parteigremien in Unkenntnis ließen. Das könnte einen Anfangsverdacht auf Untreue begründen.

DOK 3

Die Anteile am ND-Verlag übernahm die Communio mit dem Jahreswechsel 2006/2007. Notariell beurkundet wurde der Deal erst nachträglich am 31. Januar 2007. In diesem Kaufvertrag (Grafik 3) fehlen allerdings wesentliche Abmachungen, die in dem einen Monat zuvor besiegelten Kontrakt festgehalten worden waren.

Dem Geschäft sind dort bloß sechs dürre Sätze gewidmet. Einer von ihnen lautet: „Die schuldrechtlichen Vereinbarungen zu dieser Übertragung haben die Parteien (die Linkspartei.PDS und die Communio, Anm. d. Red.) gesondert getroffen und wünschten nicht die Mitbeurkundung durch den Notar.“ Im Klartext heißt das: Kein Außenstehender sollte jemals von dem krummen Geschäft auf Ratenbasis erfahren.

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