Dieser Deutsche genießt Putins Vertrauen
Im Kreml geht er ein und aus: Matthias Warnig, einer der mächtigsten Männer der russischen Wirtschaft, gehört zu Putins letzten großen Vertrauten im Westen. Die Geschichte einer Männerfreundschaft.
Von Dirk Banse, Florian Flade, Uwe Müller, Eduard Steiner und Daniel Wetzel
Wenn Wladimir Putin in der deutschen Hauptstadt weilt, dann ist ein Abstecher an die Fuggerstraße in Berlin-Schöneberg ein Muss. Denn dort, wo sich Restaurants, Bars und Cafés aneinanderreihen und Regenbogenflaggen im Wind flattern, ist das Lieblingsrestaurant des russischen Präsidenten, das “Café des Artistes”.
“Was der Präsident bestellt, ist eher unspektakulär”, verrät eine junge Serviererin. Entweder esse er Zürcher Geschnetzeltes für 18,50 Euro oder Bœuf Stroganoff für 21 Euro. “Dazu trinkt er ,Radeberger Pils’ aus Sachsen”, erzählt die Dame, angeblich das Lieblingsbier von Putin. “Der Präsident bestellt nie die teuersten Speisen.”
Putins Treue zum “Café des Artistes” ist nicht zufällig, sie hat mit dem Inhaber und Chefkoch Stefan Warnig zu tun. Den hat Putin schon als kleinen Jungen mit seinen eigenen zwei Töchtern spielen sehen. Stefans Vater ist schließlich ein sehr guter Freund des russischen Präsidenten: Matthias Warnig.
Der Deutsche, dem der russische Präsident vertraut, ist 59 Jahre alt, mittelgroß, von bulliger Statur, sein Haarkranz ist silbergrau. Hierzulande glauben die meisten, dass kein Deutscher einen derart engen Draht zum russischen Präsidenten hat wie Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Doch das ist ein Trugschluss.
Warnigs Beziehung zu Putin ist älter und schon gewachsen, bevor der Russe zu einem der mächtigsten Männer der Welt aufstieg. Warnig trifft den Staatspräsidenten weitaus häufiger als Schröder. Oder als die meisten Staats- und Regierungschefs. Während sie oft monatelang auf eine Audienz warten müssen, geht Warnig im Kreml ein und aus. Die beiden Männer sähen sich “in der Regel alle drei Wochen”, heißt es in Moskau.
Warnig und Putin haben viele Gemeinsamkeiten
Matthias Warnig und Wladimir Putin, das ist die Geschichte zweier Menschen, die viel miteinander verbindet. Beide sind sie aufgewachsen in sozialistischen Bruderstaaten, beide sind ehemalige Geheimdienst-Agenten, deren Lebenswege sich vor fast einem Vierteljahrhundert eher zufällig kreuzten. Man fand sich sympathisch, verbrachte viel Zeit miteinander, half sich. Und als Putin ins Zentrum der Macht rückte, stieg Warnig zu einem der mächtigsten Wirtschaftsmanager Russlands auf. Der Deutsche ist einer der wenigen, denen der misstrauische Mann im Kreml noch vertraut.
So einzigartig das Verhältnis zwischen Putin und Warnig ist, so hat es doch auch etwas Exemplarisches. Es verdeutlicht die enge persönliche Verflechtung zwischen der deutschen und russischen Wirtschaft und Politik. Und es steht für jahrzehntelang gewachsene Beziehungen, die es auf fast allen Ebenen gibt. Sie sind der Grund, weshalb die deutsche Wirtschaft sich so schwer mit Sanktionen gegen Russland tut. Manager vom Schlag Warnigs haben sich enge Netzwerke aufgebaut. Netzwerke, deren Arbeit nun durch den Konflikt in der Ukraine erschwert wird, ja vielleicht sogar gefährdet ist.
Auch für Warnig kommen die Einschläge immer näher. Am Donnerstag dieser Woche hat die Europäische Union die wichtigsten Eigner der Rossija Bank auf die schwarze Liste gesetzt: die Putin-Vertrauten Jury Kowaltschuk und Nikolai Schamalow. Zuvor hatten schon die USA das Vermögen der Rossija Bank einfrieren und Transaktionen mit ihr verbieten lassen.
Warnig kennt die beiden Banker gut. Denn er ist seit 2003 Aufsichtsratsmitglied des Kreditinstituts, das als “Bank der Putin-Freunde” gilt. Von den europäisch-amerikanischen Strafmaßnahmen ist außerdem das zweitgrößte Kreditinstitut des Kreml-Staates betroffen, die VTB-Bank mit knapp 100.000 Mitarbeitern. Und auch hier ist Warnig als Kontrolleur mit von der Partie.
Wie ist Warnigs Nähe zu Putin entstanden?
Es gibt aber noch wichtigere Mandate, die der Deutsche innehat – und zwar in der Rohstoffindustrie. Warnig sitzt im Aufsichtsrat von Rosneft, des größten Energiekonzerns der Welt. Auf das Unternehmen entfallen fünf Prozent der globalen Rohöl-Förderung. In Russland wird das Öl von Transneft transportiert, die über ein 70.000 Kilometer langes Leitungsnetz verfügt. Auch hier im Kontrollgremium: Warnig.
Bei Rusal, dem weltgrößten Aluminiumhersteller, ist er sogar Aufsichtsratschef. Den Job soll ihm Putin persönlich verschafft haben, um den heftigen Streit zwischen den Eigentümern, allesamt mächtige Oligarchen, zu schlichten. Beim Gasexport redet er in operativer Funktion mit, als Geschäftsführer der Nord Stream AG, der Betreibergesellschaft der Gaspipeline, die von der russischen Hafenstadt Wyborg durch die Ostsee ins deutsche Lubmin führt. Hier schließt sich der Kreis. Denn Vorsitzender des dortigen Aktionärsausschusses ist noch ein anderer Putin-Freund: Gerhard Schröder.
Die Nähe dieser drei Männer zueinander wurde erst kürzlich dokumentiert. Es war am Abend des 28. April 2014 gegen 22.30 Uhr, als der Altbundeskanzler vor den prunkvollen Jussupow-Palast in Sankt Petersburg auf die Straße trat. Dann rauschte eine schwere schwarze Mercedes-Limousine heran. Aus dem Wagen stieg Wladimir Putin, der Schröder herzlich umarmte und nachträglich zum 70. Geburtstag gratulierte.
Die Fotos dieser Szene sorgten in Deutschland für Empörung. Schließlich steuerte die Ukraine gerade auf einen Bürgerkrieg zu, maßgeblich entfacht durch Russlands Unterstützung für die Separatisten in Donezk und Lugansk. Auf den Fotos war auch ein Mann im dunklen Anzug zu sehen, den in Deutschland kaum jemand zuordnen konnte. Matthias Warnig, der zu der Gala eingeladen hatte.
Warnig und seine Rolle werfen Fragen auf. Wie konnte dieser Mann, über den so wenig bekannt ist, zu einer der Schlüsselpersonen in der russischen Wirtschaft aufsteigen? Vor allem: Wie ist diese Nähe zu Wladimir Putin entstanden? Die Suche nach den Antworten führt weit zurück.
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Das Jahr 1974. Die Stasi-Offiziere, die gezielt an den Schüler aus der Niederlausitz herangetreten sind, haben leichtes Spiel. Es gehe um nichts weniger als den Sozialismus, den es zu schützen und zu verbessern gelte, erklären sie dem Pennäler. Dafür bräuchten sie talentierte Leute wie ihn. Matthias Warnig, 18 Jahre alt und FDJ-Sekretär, willigt sofort ein. Er verpflichtet sich, hauptamtlicher Mitarbeiter zu werden.
Damit ist der weitere Lebensweg des jungen Mannes vorgezeichnet. Das Ministerium entscheidet für ihn, was er werden soll und was er dafür zu tun hat. Noch kurz vor seinem Abitur stellt er einen Aufnahmeantrag für die SED. Statt Wehrdienst zu leisten, absolviert er eine halbjährige Grundausbildung beim Stasi-Wachregiment.
Am 1. April 1975 beginnt seine Karriere. Warnig wird als Agent in der Auslandsspionageabteilung HVA ausgebildet, er soll ein OibE, ein “Offizier im besonderen Einsatz”, werden. Dafür muss er zur Tarnung ein ziviles Leben führen. Er studiert an der Ostberliner Hochschule für Ökonomie, wo die Kommilitonen nicht wissen, dass sie es mit einem Geheimdienstler zu tun haben. Sein Deckname bei der Stasi: “Ökonom”.
Ein OibE bleibt Warnig auch, als er nach dem Studium vom DDR-Ministerium für Außenhandel eingestellt wird. Es ist eine perfekte Arbeitsstätte für Industriespionage. Privat verläuft das Leben ebenfalls in festen Bahnen. Warnig heiratet an seinem 24. Geburtstag, bald darauf werden sein Sohn Stefan und seine Tochter Claudia geboren.
Wenig später erfüllt sich für den jungen Vater der Traum eines jeden Spions. Er wird ins Feindesland geschickt. Mitsamt Familie siedelt Warnig nach Düsseldorf über und bezieht eine Wohnung im Stadtteil Bilk. Offiziell arbeitet der systemtreue Mann in der DDR-Handelsmission, in der Graf-Adolf-Straße, unweit des Hauptbahnhofs. Unter der Legende eines Handelsvertreters spioniert er. Sein Deckname nun: “Arthur”.
Warnig ist talentiert. Seine lockere, unkomplizierte Art macht es ihm leicht, Kontakte zu knüpfen. Der Stasi-Mann, in der brandenburgischen Provinz geboren, versteht es, sich schnell auf ein neues Umfeld einzulassen. Ob Krupp, Rheinbraun und Thyssen, ob BASF, Data Becker oder Dresdner Bank – der junge Agent gelangt mühelos an sensible Informationen.
Große berufliche Zukunft im verachteten Kapitalismus
Während andere Stasi-Spitzel nach dem Fall der Mauer wegen ihrer Vergangenheit auf Karrieren verzichten müssen, bedeutet die Agententätigkeit für Warnig genau das Gegenteil. Sie ist der erste unverzichtbare Baustein für eine große berufliche Zukunft im verachteten Kapitalismus. Warnig war schon immer in beiden Systemen unterwegs. Da ist es auch nicht mehr hinderlich, dass sein Aufenthalt in der Bundesrepublik abrupt endet.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schöpft Verdacht und überwacht den Mann aus dem Osten. Während der Observationen sprechen die Verfassungsschützer ungeschützt über den Behördenfunk. Die Stasi hört mit. Im August 1989 holt sie Warnig zurück in die Heimat, wo er noch für einige Monate in der Ostberliner Geheimdienst-Zentrale arbeitet.
Noch einen zweiten positiven Nebeneffekt bringt Warnigs erfolgreiche Stasi-Zeit. Er ist bestens vernetzt im DDR-System, ohne allzu sichtbar gewesen zu sein. Als die Regierung von SED-Ministerpräsident Hans Modrow ihre Geschäfte aufnimmt, heuert Wirtschaftsministerin Christa Luft Warnig als Referenten an. Luft sagt, Warnig sei ihr von der Personalabteilung empfohlen worden und habe sich “tatsächlich als versierter und loyaler Fachmann” erwiesen. Kurz darauf sitzt Warnig bei Verhandlungen über die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion mit am Tisch.
Warnig wird wertvoll für die Dresdner Bank
Dort kommt es zu einer weiteren schicksalhaften Begegnung. Während einer Dienstreise nach Bonn begegnet er Wolfgang Röller, dem Vorstandschef der Dresdner Bank. Warnig versteht es sogar, den charismatischen Bankmanager für sich zu begeistern. Röller sucht händeringend Personal für die Expansion gen Osten. “Was wollen Sie machen, wenn es die DDR nicht mehr gibt?”, fragt Röller den jungen Mann. Warnig, 35 Jahre alt, ist planlos und dankbar, als der Bankchef ihm ein Angebot unterbreitet.
Am 20. Mai 1990 startet Warnig beim neuen Arbeitgeber. Aufgabenschwerpunkt: Ostdeutschland und die Treuhandanstalt. Sein Vorgesetzter ist Bernhard Walter, im Vorstand zuständig für die DDR und den Ostblock und später Röllers Nachfolger. Der schickt den neuen Schützling auch nach London, damit er das Bankgeschäft besser kennenlernt.
Warnigs Lernbereitschaft und sein Verständnis vom westlichen System, gepaart mit seiner Erfahrung und seinem Netzwerk im Osten machen ihn schnell wertvoll für die Bank. Schon ein Jahr nach seinem Start hat Walter eine außerordentlich wichtige Mission für ihn: “Sie sprechen doch Russisch?” Nur schlechtes Schulrussisch, erwidert Warnig. Walter entgegnet: “Sie beherrschen die Sprache, es steht ja in Ihrem Lebenslauf.”
Wieder ist Warnig dabei, als Geschichte geschrieben wird: Ob Umschuldungsverhandlungen mit der Sowjetunion oder die ersten Gehversuche der Dresdner Bank im neuen Russland – sein Rat ist gefragt. Vorstand Walter vertraut ihm, beauftragt ihn damit, sich überall im Lande umzuschauen. Er soll sich um nichts anderes kümmern, als die Entwicklung genau zu verfolgen. Anschließend rät Warnig seiner Bank dazu, ein Signal zu setzen. Sein Vorschlag: die Eröffnung einer Repräsentanz in Sankt Petersburg. Die Frankfurter Zentrale willigt ein. Der Projektleiter wird: Warnig.
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Sankt Petersburg, Oktober 1991. Geduldig sitzt Matthias Warnig im kargen Vorzimmer eines Büros in der Stadtverwaltung. Er hofft, dass ihn endlich der Mann hineinbittet, der hinter der Tür arbeitet: ein gewisser Wladimir Putin. Der ist noch kein Spitzenpolitiker, sondern ein aufstrebender Beamter, zuständig für Außenbeziehungen. Schon damals lässt der heutige Präsident seine Gäste warten. Acht Stunden sind es für Warnig. Der weiß, dass man in Russland “einen langen Atem braucht”, wie er 2007 der “Welt” sagen wird. Wer etwas von jemand anderem braucht und es nicht befehlen kann, muss auch im neuen Russland warten. Und Warnig will etwas Wichtiges von Putin. Ende des Jahres soll die erste Repräsentanz der Dresdner Bank in Sankt Petersburg eröffnet werden. Es ist seine erste Begegnung mit dem Mann, der fortan eine zentrale Rolle in seinem Leben einnehmen sollte.
Weil das Russisch des Deutschen miserabel ist, hat er eine Dolmetscherin dabei. Putin hört ihr einige Minuten zu, bevor er die Geduld verliert. “Lassen Sie den Quatsch, sprechen wir Deutsch, für Übersetzungen habe ich keine Zeit”, herrscht er Warnig an. Der kann mit dem ruppigen Ton gut umgehen. Das Gespräch war jedenfalls ein Erfolg. Die Dresdner Bank kann wie geplant am 12. Dezember 1991 ihre Repräsentanz eröffnen.
Warnig lebt im Hotel, seine Familie bleibt in Deutschland. Vor allem an den Wochenenden fühlt er sich einsam. Putin lädt ihn oft zu sich auf die Datscha ein. Man spricht Deutsch, trinkt deutsches Bier, friesisch-herbes “Jever”, weil Putins Lieblingsmarke “Radeberger” nicht verfügbar ist. Die beiden stellen fest, dass ihr Leben ganz ähnlich verlaufen ist. Beide stammen aus einer Generation, beide heirateten jung, beide haben zwei Kinder. Von Mal zu Mal werden die Gespräche vertrauter, sie wissen, dass sie in dieser neuen Welt so etwas wie Seelenverwandte sind.
Gemeinsamer Winterurlaub der Warnigs und Putins
Ein Schicksalsschlag schweißt die beiden noch enger zusammen. Putins Frau Ljudmila verunglückt 1993 lebensgefährlich bei einem Verkehrsunfall. Warnig handelt sofort. Ljudmila wird in Deutschland operiert, die Dresdner Bank übernimmt die Kosten. Seinem Freund Wladimir vermittelt Warnig zudem die Teilnahme an einem Seminar in Königstein nahe Frankfurt. Es geht um das für Sankt Petersburg wichtige Thema Bankenaufsicht. Putin dürfte solche Engagements als Freundschaftsbeweise gewertet und bis heute nicht vergessen haben.
Damals jedenfalls zeigt er sich erkenntlich: Die Dresdner Bank ist 1993 das erste westliche Geldinstitut in Russland, das eine Vollbank eröffnen kann. Alles “po blatu”, wie es auf Russisch heißt. Man bekommt etwas, weil man sich kennt, schätzt und mag. Putin ist Warnig dankbar, die Dresdner Bank ebenfalls. “Freundschaften schaden nicht”, soll Warnigs Credo sein, wie ein Weggefährte erzählt.
Die Verbindung zwischen den beiden Ex-Agenten hält auch, als Putin sich 1996 umorientieren muss. Sein Förderer, der Sankt Petersburger Bürgermeister Anatoli Sobtschak, verliert die Kommunalwahl. Putin, inzwischen Vizebürgermeister, geht deshalb nach Moskau und übernimmt einen Job in der Präsidialverwaltung des Kremls. Schon im folgenden Winter verbringen die Familien Putin und Warnig gemeinsam einen Winterurlaub im schweizerischen Davos. Von jetzt an dauert es noch drei Jahre, bis Warnig der Freund eines der mächtigsten Männer der Welt ist. Und Warnig allmählich einer der wichtigsten Drahtzieher in der russischen Wirtschaft. Selbst als seine Stasi-Vergangenheit 2005 öffentlich wird, kann ihm das nichts mehr anhaben. Er ist längst zu wichtig.
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Heimisch ist Warnig in Russland letztendlich nicht geworden. Im deutschen Südwesten hat er Wurzeln geschlagen. Er lebt in einem stattlichen Anwesen bei Freiburg, in idyllischer Lage, mit Blick auf eine Burg. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau Elena, einer Russin, die er Ende der 90er-Jahre in Sankt Petersburg kennenlernte. Das Paar hat noch heute am Rande von Moskau eine Eigentumswohnung in einem zwölfgeschossigen Hochhaus. Als ihr gemeinsames Kind schulpflichtig wurde, verließen sie 2006 die Stadt. Der Junge sollte in Deutschland aufwachsen. Vertraute der Familie berichten, Warnig habe zunächst mit Hamburg oder Berlin geliebäugelt, sich dann aber für ein Domizil in der Nähe der Schweizer Grenze entschieden – wegen des guten Wetters dort.
Es soll auf Dauer sein. Mit der “MW Invest GmbH & Co. KG”, der Vermögensgesellschaft der Familie, an der alle Kinder beteiligt sind, engagiert sich Warnig im Breisgau im Geschäft mit Immobilien. Den Grundstock dafür hat er in Russland gelegt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat er prächtig verdient. Seine Firma soll inzwischen ein Vermögen von mehr als zehn Millionen Euro verwalten. Warnig ist im real existierenden Kapitalismus angekommen. In jener Gesellschaft, die er einst so gehasst hatte.
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Über all das in der Öffentlichkeit sprechen, das will Warnig nicht. Er meidet die Medien, seine Interviews sind rar. Gefragt, ob er denn Putins Handynummer habe, sagte er einmal: “Die habe ich natürlich nicht.” Und sowieso: Zum Verhältnis mit dem Präsidenten äußert er sich bis heute nicht. Warnig ist keiner, der aus dem Nähkästchen plaudert. Zur Freundschaft gehört eben auch, dass man darüber schweigt. Nur über Umwege ist zu hören, dass Warnig die Rolle Russlands in der Ukraine durchaus kritisch sieht. “Er ist einer der wenigen, die Putin offen die Meinung sagen.”
Dem Verhältnis der beiden Männer zueinander, ihrer Freundschaft, tut das offenbar keinen Abbruch. Längst wollte Warnig seinen Posten als Geschäftsführer von Nord Stream aufgegeben haben. Die Pipeline ist gebaut, jetzt muss sie nur noch gewartet werden. Doch die Aktionäre und wohl auch Putin haben den Manager gebeten, zu bleiben. Zu angespannt ist die Lage. In diesen schwierigen Zeiten ist der Mann aus Brandenburg für Putin noch wichtiger geworden.
Das zeigt auch ein anderer Posten, für den Putin Warnig im Visier hat. Der Staatskonzern Gazprom soll radikal umgebaut werden. Wenn Putin grünes Licht für das Projekt gibt, könnte dabei Matthias Warnig so etwas wie sein Chefberater werden. Ablehnen würde er ein solches Angebot vermutlich nicht. Es fielen ihm “keine rationalen Gründe ein”, sagte Warnig einmal, “warum man in Russland den Ast absägen sollte, auf dem man sitzt”.