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Dubiose Geschäfte: Wie das Geld heimlich durch Berlin geschleust wird

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Dubiose Geschäfte: Wie das Geld heimlich durch Berlin geschleust wird

Jedes Jahr fließen Zigmilliarden Euro unter dubiosen Umständen aus Russland ab. Wie die Finanzjongleure vorgehen, zeigt ein Geschäft, bei dem Geld nach Berlin geschleust wird.

Komplexes System: Die Legende (siehe unten im Artikel) enthält wichtige Informationen     Foto: Infografik Die Welt


Von Uwe Müller, Marc Neller und Julia Smirnova

Alexandre Rene Garese trägt das Haar halblang, ein Kinnbärtchen, mehr Extravaganz ist nicht. Nicht aufzufallen ist Teil seines Jobs. Die Rechtsberatung Garese & Partners in Moskau läuft unter seinem Namen.

Garese, ein Meister undurchsichtiger Firmenkonstruktionen, ist ein bevorzugter Ansprechpartner, wenn russische Oligarchen diskret Geld anlegen wollen. Roman Abramowitsch, der viele Milliarden, Gemälde, Yachten und den englischen Fußballverein Chelsea London besitzt, soll enge Kontakte zu ihm haben.

Ein Geschäftspartner Gareses ist Nicholas Werner, ein Mann von Mitte 40 mit alt gewordenem Bubengesicht, Deutsch-Russe. Seit Mitte der 90er-Jahre lebt Werner in Berlin, er hat dort ein kleines Verlagsimperium aufgebaut: Die Werner Media gibt Zeitungen und Zeitschriften für die russischsprachige Gemeinschaft in Deutschland und Europa heraus.

Kriminelle Netzwerke – 28 Milliarden außer Landes

Werner war ein gern gesehener Gast der Bundesregierung, scheinbar ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Es gibt Fotos, die ihn unter anderem mit Kanzlerin Angela Merkel zeigen. Jetzt interessieren sich Strafverfolger für ihn. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Werner, wegen Geldwäsche.

Diese beiden Männer, Garese und Werner, machen gemeinsame Sache in einem Schattenreich der Weltwirtschaft, in dem Geld hin- und hergeschoben wird, im Grenzbereich zwischen Legalität und Illegalität. Über das Ausmaß dieses Schattenreiches gibt es keine verlässlichen Angaben.

Allein das Volumen der Geldwäsche weltweit beträgt bis zu fünf Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, schätzt der Internationale Währungsfonds. Finanzminister und Notenbankchefs rufen auf G-20-Treffen regelmäßig den Kampf gegen Geldwäsche zu einer der wichtigsten Aufgaben aus.

Aus Russland, dem Land, in dem Garese wohnt und aus dem Werner kommt, sind nach Angaben des scheidenden russischen Zentralbankgouverneurs im vergangenen Jahr 41 Milliarden Euro abgeflossen, davon rund 28 Milliarden Euro über kriminell operierende Netzwerke – häufig mithilfe von Scheinfirmen und fingierten Geschäften, meist in kleinen Tranchen.

Legal oder illegal? Ermittler tun sich schwer

Die Geschäfte zwischen Garese und Werner zeigen beispielhaft, wie Geld außer Landes gebracht wird. Und warum es selbst für Strafverfolger oft so schwierig ist zu entscheiden, welches Geschäft nur anrüchig ist und welches schon strafbar.

Der “Welt am Sonntag” liegen zu diesen Geschäften Dutzende Verträge, Vereinbarungen, Urkunden und Schreiben vor, die teilweise als “streng vertraulich” deklariert sind. Sie lassen ein System erkennen, das offenbar ersonnen wurde, um 30 Millionen Euro unbekannter Herkunft in eine rechtlich einwandfreie Struktur zu lenken.

Werner sagt, er habe “niemals gegen Gesetze verstoßen”. Während seines gesamten Geschäftslebens habe er sein Geld “ausschließlich mit ehrlicher und legaler Arbeit verdient”. Garese hat keine Fragen dieser Zeitung beantwortet.

Dabei ist er derjenige, der den Geldfluss nach Berlin organisiert. Am Ende wird das Geld auf wundersame Weise dorthin zurückfinden, wo es herkam: zu einer Firma, die Garese vertritt. Ein Teil zumindest. Es wird so aussehen, als sei das Geld legal verdient worden. Ausgeheckt wurde das ausgeklügelte Geschäft in den Jahren 2006 und 2007. Doch es scheint bis heute zu funktionieren.

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1. Marschallinseln, Amsterdam, Berlin: Firmen werden gegründet

Palmen, türkisfarbenes Wasser, azurblauer Himmel. Die Marschallinseln im westpazifischen Ozean sind ein Paradies für Taucher, Abenteuertouristen und findige Geschäftsleute. Denn Offshore-Gesellschaften, die Ausländer hier gründen, müssen keine Ertragsteuern zahlen, keine Bilanzen veröffentlichen. Zahllose Finanzdienstleister preisen den Standort für die garantierte Anonymität. Die “Internetkanzlei GmbH” schwärmt auf ihrer Homepage: “Aus dem diskreten Register kann kein Schnüffler irgendetwas Bedeutendes entnehmen. Weder die Eigentümer der Gesellschaften noch die Direktoren oder Funktionsträger.”

Majuro, Hauptstadt der Marschallinseln, Ajeltake Road. Hier, im “Trust Company Complex” sitzt die Rosetta Associates S.A, eine Briefkastenfirma. Die Gesellschaft wird 2005 gegründet. Dass Garese hinter der Firma steht, weiß nur, wer interne Verträge kennt.

Amsterdam, Keizersgracht 62-64. Hier, in bester Lage, steht ein altes Stadthaus im Patrizierstil, brauner Backstein. Diese Adresse gibt die AG BE Holding B.V. als Geschäftssitz an. Es ist November 2006, als sie ins niederländische Handelsregister eingetragen wird. Zwischen der Keizersgracht und der Ajeltake Road liegen 15.000 Kilometer, doch es gibt eine Verbindung. Garese ist auch in Holland der Mann hinter den Kulissen.

Berlin-Marienfelde, Großbeerenstraße 184–192. Nicholas Werner bereitet die Gründung zweier Firmen vor. Sitz soll ein Gewerbegebiet im Süden der Stadt sein, etwa 20 Autominuten vom Potsdamer Platz entfernt. Im August 2006 lässt Werner die Werner Grundbesitz GmbH und die Werner Group & Co. KG offiziell ins Berliner Handelsregister eintragen.

Alles ist bereit für den Deal.

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2. Dubiose Geldgeber spendabel. Erste Millionen auf Reisen

Wie sich Alexandre Rene Garese und Nicholas Werner kennengelernt haben, verraten sie nicht. Doch Werner scheint beeindruckt: “Ich kenne ihn als ausgesprochenen Fachmann, der sein Handwerk versteht”, sagt er über Garese. Jedenfalls vertrauen beide einander so sehr, dass sie eine heikle Operation planen. Zwei Männer, zwei unterschiedliche Erscheinungen. Feingliedrig, ein Yoga-Anhänger der eine: Garese. Der andere, Werner, ein Berg von einem Mann, ein Freund derber Sprüche. Was sie gemein haben, ist ihr Sinn für Geschäfte und ihr zweifelhafter Ruf.

Garese ist sogar ins Visier von Geheimdiensten geraten. Der Chef des litauischen Dienstes hat darüber im Parlament seines Landes Auskunft gegeben. Man habe, sagte er im Oktober 2003, “Informationen über den französischen Staatsbürger Alexandre Rene Garese”, der auch anderen Diensten bekannt sei.

Demnach soll Garese eine “direkte Verbindung” zur Luschniki-Gruppe haben, die russische Medien hinter diversen Auftragsmorden vermuten. In Deutschland ist das Syndikat im Sommer 2012 in die Schlagzeilen geraten, weil es kurz vor der Fußball-EM in der Ukraine mit maskierten Schlägerbanden Hotels unter seine Kontrolle brachte und von den Fans astronomische Zimmerpreise verlangte.

Zwei Männer mit zweifelhaftem Ruf

Auch Werner, in der Sowjetunion aufgewachsen, hat seine Vergangenheit. Er hat in Berlin außer dem Verlag mehr als ein Dutzend Firmen gegründet und mehrheitlich wieder dichtgemacht oder abgestoßen. Einige seiner Geldgeber fühlen sich von ihm betrogen, mehrere sind vor Gericht gezogen. In einem Urteil des Landgerichts Berlin steht, dass Werner Geschäfte macht, die “absolut sittenwidrig” sind.

Im Frühjahr 2006 aber gilt Werner als integrer Unternehmer, prominente Politiker lassen sich gerne mit ihm fotografieren. Er hat gezeigt, dass man sich in Deutschland auch als Zugewanderter bestens zurechtfinden kann. Die Bundesregierung wird ihn schon bald ins Kanzleramt einladen, zu ihrem ersten nationalen Integrationsgipfel.

30 Millionen werden um die Welt gelotst

Etwa zu dieser Zeit bereiten Garese und Werner ihr Geschäft vor. Rund 30 Millionen Euro werden auf die Reise geschickt. Von verschiedenen Orten wird dieses Geld in acht Tranchen nach Berlin gelangen, zu einer der beiden von Werner neu gegründeten Firmen. Das geht aus den Dokumenten hervor, die der “Welt am Sonntag” vorliegen.

Zunächst lenkt die Firma Timoty Participations S.A. insgesamt 7,5 Millionen Euro an die Werner Group, deren Geschäftszweck laut Handelsregister “genehmigungsfreie Finanzdienstleistungen” sind.

Durch die Werner Group werden nach und nach die gesamten 30 Millionen Euro geschleust, mit mehreren Darlehensverträgen. Woher das Geld kommt, verschleiert Werner. Selbst Vertrauten sagt er die Unwahrheit.

Raffiniertes Konstrukt: Geldgeber im Dunkeln

Ein Viertel der 30 Millionen stellt also Timoty zur Verfügung. Wo die Firma ihren Sitz hat und was ihr Geschäftszweck ist, lässt sich keiner einschlägigen Datenbank entnehmen. Andere von Garese dirigierte Firmen geben auf ihren Korrespondenzpapieren eine Anschrift an, diese Gesellschaft nicht – zumindest nicht auf den Geschäftsunterlagen, die diese Zeitung eingesehen hat.

Timoty ist raffiniert konstruiert. Ihr Geschäftsführer ist eine juristische Person, eine Firma namens A.G. Nominees Ltd. Dass diese Ltd. von Garese vertreten wird, er also über Timoty gebietet, erschließt sich aus internen Aufzeichnungen. Doch auch die verraten nicht, wer hinter Garese steht, in wessen Auftrag er handelt. Das heißt, die Geldgeber haben kein Gesicht, sie bleiben im Dunkeln. Und Garese gibt sich alle Mühe, ihre Anonymität zu wahren.

Garese und Werner sind diejenigen, die handeln. Sie haben die meisten Dokumente persönlich unterschrieben, die für ihre Deals eine Rolle spielen. In diesen Dokumenten ist auch ein Vorvertrag erwähnt, mit dem Timoty und die Werner Group das Darlehen besiegelt haben – und zwar schon im Mai 2006. Da ist die Werner Group noch nicht einmal im Handelsregister eingetragen.

Das System wird noch undurchsichtiger

Die zweite Garese-Firma, die Geld nach Berlin überweist, ist die Rosetta Associates S.A., die Briefkastenfirma auf den Marschallinseln – im Dezember 2006: eine Million Euro, angeblich ebenfalls als Darlehen. Auch bei Rosetta ist der Direktor kein Mensch, sondern eine Firma: die AG Interfin B.V. Der Mann hinter Interfin: Garese.

Am 14. Dezember 2007 wird das System noch etwas undurchsichtiger. An diesem Tag tritt Timoty ihre Forderung über die 7,5 Millionen Euro, die sie der Werner Group geliehen hat, vollständig an Rosetta ab. Das bedeutet, dass Werners Firma jetzt der Briefkastenfirma im Pazifik die gesamten 8,5 Millionen Euro schuldet.

Timoty kann nun nicht mehr mit dem Geld in Verbindung gebracht werden, das in Berlin angelandet ist. Denn die Firma ist in keinem Dokument zu finden, das Außenstehenden oder einer Behörde zugänglich wäre.

Zwei Wochen später, am 28. Dezember 2007, regeln Garese und Werner die Konditionen für das Rosetta-Darlehen. Nachträglich, denn die 8,5 Millionen Euro sind längst ausgezahlt. Noch merkwürdiger sind die Bedingungen. Sie sind in einer dreiseitigen “Vereinbarung” fixiert und alles andere als marktüblich.

Ein Darlehen zu Fabelkonditionen

Die Werner Group muss das Darlehen erst nach zehn Jahren zurückzahlen, “am 31. Dezember 2017″. Und vor allem braucht Rosetta für den Millionenkredit keinen einzigen Cent Zinsen zu zahlen. “Wegen des Charakters der Zahlungen als Wagniskapital”, so steht es in der Vereinbarung. Das sind Fabelkonditionen, die keine Bank einem Kunden gewähren würde. Gerade für Wagniskapital bezahlt man in der Regel besonders hohe Zinsen. Das Risiko, Geld zu verlieren, ist groß. Warum Gareses Großzügigkeit?

Garese beantwortet, wie gesagt, gar keine Fragen. Werner beantwortet keine einzige Frage zu Timoty und Rosetta. Warum? Garese sei integer, richtet Werner nur aus: “Wenn ich auch nur den geringsten Zweifel an ihm selbst, seinen Partnern oder den von ihm investierten Mitteln gehabt hätte, wäre ich mit ihm keine Partnerschaft eingegangen.”

Es fehlt noch die dritte Zahlung, die restlichen 21,5 Millionen, dann sind die 30 Millionen komplett. Dieses Geld fließt über Amsterdam nach Berlin. In vier Tranchen, zwischen Januar und Mai 2007. Als Darlehensgeber tritt die Firma an der Keizersgracht auf, die AG GE Holding B.V., die dritte von Garese gesteuerte Firma. Es ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts. Nichts, was schon auf den ersten Blick anrüchig wirken könnte wie Timoty oder Rosetta.

Auch der Notar erfährt nicht die Wahrheit

Doch auch in diesem Fall weiß man nicht, wem dieses Geld tatsächlich gehört. Und Garese und Werner tun auf einmal sogar so, als hätte die Amsterdamer Firma die gesamten 30 Millionen Euro lockergemacht. Als hätte es Rosetta und Timoty nie gegeben. Selbst gegenüber ihrem Notar behaupten Garese und Werner, die AG GE Holding sei die einzige Geldgeberin. Das ist gelogen.

Ein Anwalt lotst also über drei Firmen viel Geld zu einem Berliner Verleger mit russischen Wurzeln. An eine Firma, deren Geschäft “genehmigungsfreie Finanzdienstleistungen” sind und die viele Jahre lang keine Bilanzen veröffentlichen wird. So geht die Geschichte bisher, kurz zusammengefasst.

Doch in Berlin soll mit den 30 Millionen Euro ja noch etwas geschehen. Werner beginnt, das Geld zu verteilen.

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3. Unansehnliches Grundstück – gekauft und wieder verscherbelt

Die Großbeerenstraße im Berliner Stadtteil Marienfelde ist eine Gegend, in der Berlin langsam ausfranst. Die wenigen Wohnhäuser sind ergraut, eingezwängt zwischen Autohändlern, Möbeldiscountern und Autowaschanlagen mit aufdringlicher Außenwerbung. Hier hat Nicholas Werner bis heute seine Firmenzentrale. Sie grenzt an ein Grundstück, auf dem ein mächtiger Fabrikkomplex steht, früher eine Baumwollspinnerei, heute wird er als Lagerhalle genutzt. Die Wellblechfassade hat lange keine frische Farbe mehr gesehen. In einem vierstöckigen Bürohaus war mal die Verwaltung der Spinnerei untergebracht. Alles ist ein wenig heruntergekommen.

Im Jahr 2006 fließt gut die Hälfte der 30 Millionen Euro, die in der Werner Group anlanden, in den Kauf genau dieses Areals. Es ist nicht bloß ein Immobilienkauf. Kern des Geschäftes ist ein trickreicher “Asset-Deal”: Ein Unternehmensverkauf, bei dem außer der Firma auch ihre Wirtschaftsgüter an den neuen Eigentümer gehen, zum Beispiel ihre Grundstücke.

Doch der Reihe nach. Zunächst einmal stellt die Werner Group, die Geldverteilmaschine, der Werner Grundbesitz GmbH – der zweiten neu gegründeten Werner-Firma – viel Geld zur Verfügung: erst 1,3, dann 15,98 Millionen Euro, macht insgesamt rund 17,3 Millionen. Damit kauft die Werner Grundbesitz das Nachbargrundstück mit dem Fabrikgebäude und Bürohaus. Sie bezahlt 13 Millionen Euro. Das heißt, es bleiben gut vier Millionen übrig. Doch auch die werden schon bald gebraucht. Sie sollen dorthin transferiert werden, wo sie herkamen. An eine Garese-Firma.

Eine absurd hohe Grundschuld: 30 Millionen Euro

Wenig später, im März 2007, lässt Nicholas Werner seinen Notar eine Urkunde aufsetzen. Er macht etwas, was bei einem normalen Geschäft halsbrecherisch erschiene. Er bestellt für das Anwesen in der Großbeerenstraße eine Grundschuld in Höhe von 30 Millionen Euro. Das ist mehr als das Doppelte des Kaufpreises. Üblicherweise wird ins Grundbuch höchstens eine Grundschuld in Höhe des Kaufpreises eingetragen.

Für die AG BE Holding, der von Garese gesteuerten Firma in Amsterdam, ist dieser ungewöhnliche Zug eine feine Sache. Die Grundschuld wird nämlich zu ihren Gunsten eingetragen. Werner sichert der AG GE Holding traumhafte Konditionen zu. Er verpflichtet sich dazu, dass seine Werner Grundbesitz sofort eine “einmalige Nebenleistung” überweist, zehn Prozent der Grundschuld. Das heißt, drei Millionen Euro fließen von Berlin gleich wieder zurück nach Amsterdam. Dazu kommt, dass die Werner Grundbesitz der AG BE Holding jedes Jahr drei Millionen Zinsen zahlen muss. Die sind laut Urkunde “jeweils zum 31. Dezember nachträglich fällig”.

Die Amsterdamer AG GE Holding hat also, zusammen mit Timoty und Rosetta, insgesamt 30 Millionen Euro nach Berlin verliehen – Geld, von dem keiner weiß, woher es wirklich kommt. Und durch den komplizierten Immobilien-Deal hat sie plötzlich einen Anspruch auf ganz legale Einnahmen. Und was passiert als Nächstes?

Amsterdam zeigt sich sehr spendabel

Unmittelbar nachdem Werner die Grundschuld bestellt hat, zeigt sich die AG GE Holding sehr spendabel. Zum 30-Millionen-Euro-Darlehen hatte sie 21,5 Millionen Euro beigesteuert. Davon erlässt sie der Werner Group jetzt 16 Millionen. Schon für das 8,5-Millionen-Euro-Darlehen von Rosetta hatte Garese ihm Traumkonditionen eingeräumt. Keine Zinsen, zehn Jahre Laufzeit. Ob das Geld je zurückgezahlt wird, ist unklar. Vielleicht will sich Garese bloß erkenntlich zeigen. Denn es folgt der Schlusspunkt im Geschacher um die Immobilie an der Berliner Großbeerenstraße: der Asset-Deal.

Nicholas Werner verkauft die GmbH-Anteile seiner Werner Grundbesitz für 25.000 Euro, Grundstück inklusive. Die AG GE Holding übernimmt 94 Prozent, die restlichen sechs Prozent landen aus steuerlichen Gründen bei einer Firma mit Sitz in Lanarca auf Zypern, die von dem russischen Geschäftsmann Dimtri Gimmelberg gesteuert wird.

Der delikateste Teil des Geschäfts

Dieser Teil ist der delikateste des gesamten Geschäfts zwischen Werner und Garese. Was genau ist da geschehen? In Berlin-Marienfelde hat Nicholas Werner die neu gegründete Werner Grundbesitz mit viel Geld ausgestattet. Die Gesellschaft hat eine Immobilie gekauft und wurde mit einer absurd hohen Grundschuld belastet. Sie muss nun Jahr für Jahr drei Millionen Euro Zinsen zahlen. Dazu ist sie aber dauerhaft gar nicht in der Lage. Ihre Einkünfte, Mieteinnahmen, spielen einen Bruchteil der Zinsverpflichtung ein. Das wissen Werner und Garese. Ihnen ist klar, dass die Firma bald wieder entlastet werden muss, weil sonst die Überschuldung droht.

Trotzdem haben Werner und Garese die Konstruktion mit der immensen Grundschuld gewählt. So konnten rasch und unverdächtig Millionen von Berlin nach Amsterdam transferiert werden, als ganz legale Einnahmen. Und von dort womöglich in andere Hände. Zur Erinnerung: Garese ist es gewohnt, reichen Russen bei ihren Geschäften zu helfen.

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4. Werner verteilt Millionen im Firmenreich – und auch an sich

Berlin, Sommer 2013. Nicholas Werner macht als Geschäftsmann eine schwierige Zeit durch. Gläubiger sind hinter ihm her, sie haben Inkassounternehmen und Gerichte eingeschaltet. Vielleicht hat er deshalb sein Verlagsgeschäft auf seine langjährige Lebensgefährtin übertragen, formal jedenfalls. Er hat nur noch ein einziges Unternehmen, und auf dem lasten enorme Schulden. Aber er hatte Zeiten, in denen es richtig gut lief. Mit Garese zum Beispiel.

Berlin, 2006. Es ist das Jahr, in dem der Deal mit Garese beginnt. Werner beschäftigt damals mehr als 300 Mitarbeiter, er peilt einen Umsatz von 20 Millionen Euro an. Fünf Jahre nach seinem Start als Unternehmer in Berlin ist das eine stolze Bilanz. Die “Berliner Zeitung” und der “Spiegel” veröffentlichen wohlwollende Porträts.

Aus der russischen Warenhauskette wird nichts

In dieser Phase schließt Werner die Verträge mit Timoty, Rosetta und der AG GE Holding. Dadurch erhält Werner die Mittel für seine Expansionspläne. Über seine Geldverteilmaschine, die Werner Group, lenkt er 6,7 Millionen Euro an drei seiner Firmen, für günstige fünf Prozent Zinsen. Ein Teil des Geldes ist für seinen Verlag Werner Media bestimmt, wo man von einem Radiosender und einem Hochglanzmagazin träumt.

Werner will sich aber nicht nur als Medienunternehmer beweisen, er ist auch in den Handel mit russischen Produkten eingestiegen. Jetzt plant er, eine Lebensmittel- und Warenhauskette für russischsprachige Kunden aufzubauen: mindestens 110 Niederlassungen, dort sollen eigene Restaurants und ein eigenes Reisebüro untergebracht werden. Werner kann sich vorstellen, das Unternehmen an die Börse zu bringen. So erklärt Werner, wie es zu dem 30-Millionen-Deal kam.

Er habe Investoren gesucht, um die Idee mit den Supermärkten zu verwirklichen. So sei er auf die von Garese vertretene Firma in Amsterdam gestoßen. Allerdings habe man sich letztlich in wichtigen Fragen nicht einigen können.

Außerdem hätten ungünstige Umstände das Projekt plötzlich sehr risikoreich erscheinen lassen: die Finanz- und Wirtschaftskrise, die harte Konkurrenz im Handel, stark gestiegene Personalkosten und Raummieten. Die Partner hätten sich entschlossen, die Sache zu stoppen. Die Frage, ob er sich daran beteiligt hat, Geld ungewisser Herkunft in eine legale Struktur zu bringen, weist Werner von sich. Alles sauber also?

Sechs Millionen Euro für den Privatmann

Der Plan einer gemeinsamen Handelskette scheitert. Aber es ist schon Geld geflossen. Werner steckt es nicht nur in drei seiner Firmen. Er kümmert sich auch um sein eigenes Wohl. Sechs Millionen Euro gönnt sich Werner selbst, angeblich ebenfalls als Darlehen. Das läuft so: Die Werner Group, deren Kommanditist Werner ist, stellt das Geld dem Privatmann Nicholas Werner zur Verfügung. Zu schamlos günstigen Konditionen: zehn Jahre Laufzeit, keine Zinsen. Den entsprechenden Vertrag unterschreibt Werner zweimal, im Namen der Firma und in seinem Namen.

Werner sagt dazu: “Die Gewährung von Darlehen aus den Eigenmitteln des Unternehmens verstößt nicht gegen das Gesetz.” Er legt Wert darauf, dass viele Fachleute an der Konstruktion der Werner Group beteiligt waren, der Geldverteilmaschine: “Die gesamte Struktur der Holding, ihre Verträge und die sonstige Tätigkeit habe ich auf das Sorgfältigste mit Steuerberatern, Finanzanwälten und unabhängigen Experten besprochen, und alles wurde unter strenger Einhaltung der Gesetze umgesetzt.”

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5. Ein Grundbuchamt macht plötzlich Ärger

Berlin, Mai 2008. Zwei Jahre lang gab es kein Problem, keine Störung, die Deals zwischen Werner und Garese liefen wie geplant. Jetzt plötzlich kommt die Mitarbeiterin eines Berliner Grundbuchamts und stellt unangenehme Fragen. Es geht um den Immobilienkauf, das Grundstück in der Großbeerenstraße. Es sieht so aus, als ob Garese und Werner noch Ärger bekommen könnten. Die Konstruktion könnte Probleme machen.

Die AG GE Holding in Amsterdam will endlich die viel zu hohe Grundschuld löschen lassen, die 30 Millionen Euro, die auf der Berliner Tochterfirma lasten – der Werner Grundbesitz. Die Grundschuld hat keinen Sinn mehr, die Deals sind abgewickelt. Dafür drückt die Zinslast.

Der Mann aus dem Nichts

Wie aus dem Nichts tritt plötzlich ein Mann auf den Plan, der bisher überhaupt keine Rolle spielte. Ein Holländer, der sich dem Berliner Grundbuchamt als Bevollmächtigter einer niederländischen Firma vorstellt, deren Name bisher ebenfalls keine Rolle spielte. Diese Firma, behauptet der Holländer, sei Gesellschafterin der Amsterdamer AG GE Holding.

Der Mitarbeiterin des Grundbuchamtes kommt die Sache äußerst suspekt vor. Bisher hatte immer Garese für die AG GE Holding gesprochen. Sie schreibt deshalb einen Vermerk: “Bitte Frau Richterin vorlegen.” Auch die wird misstrauisch. Sie ordnet an, der Holländer müsse nachweisen, dass er tatsächlich die AG BE Holding vertrete.

Es dauert gut ein Jahr, bis die Formalitäten geklärt sind und die Grundschuld gelöscht ist. Garese und Werner können aufatmen. Wer sollte jetzt noch erfahren, was wirklich gelaufen ist? Die wirklich interessanten Vereinbarungen und Verträge sind vertraulich. Werner hat mit den beiden Firmen, die er neu gegründet hatte, bald nichts mehr zu tun gehabt.

Die eine, seine Werner Grundbesitz, hat er nach dem Immobiliendeal schnell verkauft. Die andere, die Werner Group, reicht er im August 2009 an einen Vertrauten weiter, der sie später nach Transnistrien veräußert. Damit ist Werner fein raus.

Die Spur des Geldes verliert sich

Im Sommer 2013 lässt sich auch kaum noch nachvollziehen, auf welch verschlungenen Wegen Garese die 30 Millionen Euro nach Berlin geschleust hat. Timoty, die rätselhafte Firma, mit deren 7,5-Millionen-Kredit alles begann, sucht man vergebens. Auf den Marschallinseln gibt es keine Rosetta mehr: aufgelöst 2008, drei Jahre nach der Gründung.

Und die Amsterdamer AG GE Holding hat einen schönen Kreislauf geschaffen, durch den sich etliche Millionen schleusen ließen, und etliche Millionen ihres angeblichen Darlehens aus Berlin zurückbekommen. Die Spur dieses Geldes verliert sich in Holland.

Garese hat seine Kanzlei in Moskau und tut, was er am besten kann: reichen Russen bei ihren Geschäften helfen. Diskretion garantiert. Er ist ein Dienstleister. Für wen? Wer waren die Hintermänner des 30-Millionen-Euro-Geschäfts? Es kursieren Namen, die Namen sehr bekannter Russen, mindestens einer davon hat eine kriminelle Vergangenheit. Werner schweigt auch dazu.

Der Artikel auf welt.de

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Der geheime Weg des großen Geldes

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Der geheime Weg des großen Geldes

Im Mai hatten wir in der “Welt am Sonntag” erstmals über den Berliner Verleger Nicholas Werner und seine Geschäfte berichtet. Hier in unserem Blog haben wir dokumentiert, wie Werner gegen unsere Berichterstattung vorgegangen ist. Bisher erfolglos. Unsere jüngsten Recherchen zeigen, dass Werner Teil eines Systems war, mit dem trickreich viele Millionen Euro ungewisser Herkunft rund um die Welt geschleust wurden. Sein Geschäftspartner ist ein Anwalt, der russischen Oligarchen bei ihren Geldgeschäften behilflich sein soll.  Mehr in der aktuellen “Welt am Sonntag”.

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Eine ziemlich linke Nummer in der Linkspartei

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Eine ziemlich linke Nummer in der Linkspartei

Ralph Niemeyer, Ex-Mann von Sahra Wagenknecht, hat viel Ärger mit Gläubigern und der Justiz. Doch die Parteiprominenz hilft ihm so großzügig, dass ein Fall von Vetternwirtschaft offen wird.

Von Martin Lutz und Uwe Müller

Am Freitag, dem 13. September, sind sie wieder ein Paar. Sahra Wagenknecht, Vizechefin der Linksfraktion und der Partei, eilt an diesem Tag nach Wilhelmshaven, um Ralph Thomas Niemeyer zu unterstützen. Niemeyer bewirbt sich in der Stadt am Jadebusen als Kandidat für den Bundestag; Wagenknecht ist auf seiner Hauptkundgebung der größte Trumpf.

Sie, seine Ex-Frau, soll ihm ein respektables Ergebnis ermöglichen. Selbst wenn es mit dem Einzug ins Parlament nichts werden sollte: Im kommenden Jahr ist Europawahl. Und da sollte es klappen, muss es klappen.

Wagenknecht, inzwischen mit Oskar Lafontaine  liiert, ist so etwas wie Niemeyers Lebensversicherung. Daran ändert auch nichts, dass sie ihre Ehe nach anderthalb Jahrzehnten im März dieses Jahres aufgelöst haben. Direkt nach der Scheidung veröffentlicht er Bilder von sich und der wichtigsten Frau der Linken auf Facebook, aufgenommen in einem romantischen Schlosspark. Sie trägt ein rotes Kleid und schwarze Stiefeletten, er einen dunklen Anzug mit roter Krawatte.

Sein Kommentar: “Am Ende unserer Ehe beginnen wir eine neue Phase der Freundschaft, die ewig dauern wird.” Wagenknecht sieht er als seine “platonische Liebe”.

Das delikate Beziehungsgeflecht Niemeyers

Es ist eine Liebe, die sich für ihn auszahlt. Der gemeinsame Auftritt in Wilhelmshaven, die Inszenierung im Internet, sie zeigen nur die Oberfläche eines viel delikateren Beziehungsgeflechts Niemeyers. Es erstreckt sich praktisch über die gesamte Parteiprominenz der Linken. Der 43-Jährige genießt offenkundig das Vertrauen des Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi sowie der Linke-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger. Und Parlamentarierinnen schanzen ihm Verträge, Honorare sowie Vorschüsse zu – Geld vom Steuerzahler.

Die Dokumente, die der “Welt am Sonntag” dazu vorliegen, offenbaren einen bizarren Fall roter Vetternwirtschaft. Das Wahlkampfmotto “UmFAIRteilen!” der Partei kann Niemeyer für sich schon mal als eingelöst betrachten. Zu “100 Prozent sozial”, die Leitlinie des Wahlprogramms, will zu Niemeyers Wesen und Wirken allerdings so überhaupt nicht passen.

Er saß einst wegen Betrugs im Gefängnis, wird derzeit von Gläubigern quer durch die Republik verfolgt und vernachlässigt seit Jahren seine Pflichten als mehrfacher Vater.

Auskunftssperre im Melderegister

Freitag, 23. August 2013, Neustadt am Rübenberge: Vom Bahnhof der 43.000-Seelen-Stadt bei Hannover ist es ein kurzer Fußweg bis zur Saarstraße 34, einem 60er-Jahre-Mietshaus. Die Wohnungen sind günstig, sie kosten fünf Euro pro Quadratmeter. Hier hat Niemeyer bis vor wenigen Wochen gelebt. Das findet man aber nicht so leicht heraus, weil er eine Auskunftssperre in das Melderegister eintragen ließ.

Behörden täuscht Niemeyer sogar über seine Adressen. Noch vor zwei Jahren erklärte er, sein Hauptwohnsitz befinde sich in Irland. In dem Dorf Ogonnelloe, rund 200 Kilometer südwestlich von Dublin, ist er Eigentümer eines idyllischen reetgedeckten Landsitzes, der auf einem traumhaften Seegrundstück steht. Vor gut einem Jahr gab er Moskau als sein Domizil an. Dabei befindet sich sein Lebensmittelpunkt schon länger in Deutschland.

Niemeyer hat triftige Gründe, nicht so leicht auffindbar zu sein. Die Verwalterin des Hauses in der Saarstraße erzählt, dass säumige Mietzahlungen per Anwalt eingetrieben werden mussten. Die Stadtwerke schicken vergeblich Mahnung auf Mahnung: “Daher stellen wir, wie bereits angekündigt, die Energie- und/oder Wasserlieferung gemäß unseren Lieferbedingungen an Sie ein.” Das war Anfang August, da hatte Niemeyer die Wohnung schon gegen eine Bleibe in Wilhelmshaven getauscht. Zusätzlich hat er laut einem Behördenschreiben von Ende Juli auch noch einen Hauptwohnsitz in Walldorf bei Heidelberg.

Die Spur an Rechnungen

Hinter Niemeyer zieht sich eine breite Spur offener Rechnungen her. Das Amtsgericht Hagen hat gegen ihn bereits am 10. April unter dem Geschäftszeichen 13-1877105-0-5 einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Etliche andere Gläubiger haben Unternehmen wie Sirius Inkasso, KSP Rechtsanwälte oder Universum Inkasso damit beauftragt, mehrere Tausend Euro einzutreiben. Da kann eine Auskunftssperre nützlich sein.

Obwohl er dauernd klamm zu sein scheint, ist Niemeyer viel auf Reisen. 2012 hat er mindestens sieben Länder besucht, einige davon gleich mehrfach: Belgien, Frankreich, Irland, Japan, Kanada, Russland, Venezuela. Finanziert wird er, der freie Dokumentarfilmer, von der Bundestagsfraktion und der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das ist nötig, denn was Niemeyer schreibt und filmt, lässt sich kommerziell kaum verwerten, weil es sich um mehr oder weniger schlecht gemachte Agitation handelt.

Sich politisch zu vermarkten, versteht Niemeyer hingegen umso besser. Einer, den er beispielsweise zur Einsicht bekehrt haben will, ist der Präsident der Europäischen Kommission. Bei Niemeyer liest sich das so: “Ich habe Herrn Barroso stets gefragt, warum die Banken nicht auch mal leiden müssen, aber er hat es immer abgebügelt. Neulich sagte er mir, dass man jetzt umdenken wolle.”

Hauptredner Niemeyer gegen das Ausspähen

Samstag, 27. Juli 2013, Berlin, Brandenburger Tor: Unter dem Motto “Stop watching us!” protestieren in der Hauptstadt Demonstranten gegen die Ausspähaktion durch die US-Geheimdienste. Sie ziehen an der amerikanischen Botschaft vorbei und versammeln sich vor Berlins berühmtestem Wahrzeichen. Das Thermometer zeigt 30 Grad. “Schwitzen gegen Prism”, hat einer auf sein Plakat geschrieben. Schließlich nimmt der Hauptredner das Mikrofon in die Hand: Niemeyer.

Gleich zu Beginn erinnert er an Gustl Mollath, der in Bayern gegen seinen Willen in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht war. Ähnlich unschuldig verfolgt fühlt sich Niemeyer. Er will als “Undercover-Journalist” die “Verquickung von Finanzmafia und Herrschaftsstrukturen” recherchiert haben. Dabei sei er auf Leute wie den Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer und den SPD-Mann Gerhard Schröder gestoßen.

Die ermittelten Fakten habe er zur Anzeige gebracht, sagt Niemeyer: “Und ich hatte plötzlich sieben Monate und 21 Tage lang Haftbefehl vor mir.” Folgt man dieser Version, hat die Justiz an ihm ein Exempel statuiert, weil er auf kriminelle Machenschaften mächtiger Leute hingewiesen hatte.

Er heiratete am Jahrestag von Marx’ Geburt

Ganz anders hört sich das bei der zuständigen Kölner Staatsanwaltschaft an. Sie nahm Niemeyer im Mai 1994 in Untersuchungshaft. Als angeblicher Repräsentant von Firmen mit klangvollen Namen wie “Rothschild’s internationale Spar- und Darlehenskasse Ltd.Hongkong” soll er Geldanleger hereingelegt haben. Bald nach Prozessbeginn im September 1995 setzte sich Niemeyer in die Türkei ab, wurde aber in Antalya gefasst. An seiner Seite war Wagenknecht. Sie flog allein nach Deutschland zurück, Niemeyer kam in Auslieferungshaft.

Das Urteil nach der Rückkehr: drei Jahre und vier Monate Freiheitsentzug wegen Betrugs in 46 Fällen. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Köln wurde Niemeyer am 25. März 1997 die Reststrafe erlassen. Nun heiratete er Wagenknecht, am 5. Mai, dem Jahrestag der Geburt von Karl Marx, in der Klassikerstadt Weimar.

Als Niemeyer jüngst von einer Genossin gefragt wird, ob er mit seiner Vorstrafe für den Bundestag kandidieren dürfe, verfasst er gleich eine “Persönliche Erklärung”. Er ist sich sicher, dass ihm eines fernen Tages, nach Abschaffung des Kapitalismus, Gerechtigkeit zuteilwerden wird: “Im neuen System werde ich mit Sicherheit vollumfänglich rehabilitiert werden.”

Niemeyer offerierte wertvolle Gemälde

Im alten System wurde Niemeyer, Sohn eines hohen Bonner Ministerialbeamten, aber erst einmal rückfällig. Er saß 2002, im fünften Jahr seiner Ehe, erneut auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft warf ihm mehrere Straftaten vor. Eine davon war die sogenannte Bilder-Affäre. Niemeyer offerierte Geschäftsleuten wertvolle Gemälde, mit der “Heiligen Apollonia” sogar einen angeblich echten Leonardo da Vinci. Verhandelt wurde in Zürich.

Unter die vermeintlichen Interessenten hatte sich ein “Stern”-Reporter gemischt, getarnt als Treuhänder einer Gruppe deutscher Bordellbetreiber, die ihr Rotlicht-Geld in Kunst stecken will. Der Journalist ließ den Schwindel mit mutmaßlich nicht vorhandenen Gemälden auffliegen. Nun wurden deutschlandweit Wohnungen durchsucht, darunter auch die in Berlin von Sahra Wagenknecht.

Wieder wurde Niemeyer verurteilt – allerdings wegen Betrugs in drei anderen Fällen. Die Richter hielten ihm zugute, dass er über Briefkastenfirmen lediglich zwei Provisionen im unteren fünfstelligen Bereich kassiert hatte. Dafür gab es anderthalb Jahre auf Bewährung, zudem musste er 18.000 Euro Wiedergutmachung leisten und 7000 Euro an die Aids-Hilfe zahlen.

Kindesunterhalt nur sporadisch

Dienstag, 25. Juni 2013, Dietikon im Kanton Zürich: In der dritten Etage des sechsstöckigen Betonkastens am Bahnhofsplatz 10 ist das Bezirksgericht untergebracht. Dort, im Saal 2, wird gegen Niemeyer verhandelt. Er hat Einspruch gegen einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis eingelegt. Niemeyer sitzt hier wegen seiner Tochter, eines seiner vier Kinder. Drei davon hat er mit drei verschiedenen Frauen während der Ehe mit Wagenknecht gezeugt, allerdings keines mit der Linkspolitikerin. Kindesunterhalt leistet der Vater bestenfalls sporadisch. Bei seiner einzigen Tochter, 2002 geboren, ist das aktenkundig.

Mit der Mutter hatte Niemeyer im Januar 2001 während eines Ski-Urlaubes mit Wagenknecht in der Schweiz angebandelt, im Vier-Sterne-Parkhotel “Beau Site” von Zermatt. In Dietikon sagt Niemeyer der Richterin: “Ich bestreite die Verpflichtung nicht.” Nur könne er den Unterhalt nicht in voller Höhe bezahlen, das übersteige seine Leistungsfähigkeit.

Der Unterhaltsstreit beschäftigt die Schweizer Justiz schon lange. Zunächst entrichtete Niemeyer keine Alimente. Im Februar 2004 unterschrieb er eine Vereinbarung und sagte monatlich 1700 Schweizer Franken zu: “bis zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen Ausbildung des Kindes und darüber hinaus”. Tatsächlich überwies er: nichts. Im Mai 2009 stellte die zuständige Sozialbehörde im Kanton Zürich Strafanzeige. Gut ein halbes Jahr später wurde Niemeyer in der Schweiz vorübergehend festgenommen und vernommen. Eine brenzlige Situation.

Er muss den vollen Unterhalt leisten

Wohl deshalb beginnt er ab Mai 2010 damit, für seine mittlerweile achtjährige Tochter monatlich 250 Euro zu zahlen. Gleichzeitig beantragte er bei Gericht, seine Unterhaltspflicht von 1700 auf 400 Schweizer Franken zu reduzieren. Damit unterlag er im Oktober 2012 endgültig vor dem Bundesgericht, deshalb müsste er umgerechnet 170.000 Euro an nicht geleisteten Alimenten begleichen.

Die Schweizer Justiz hat während all der Prozesse auch untersucht, ob Niemeyers damalige Gattin Wagenknecht zahlen muss. Er sagt, so viel verdiene sie nun auch nicht. Die Richter urteilen anders: “Die Ehefrau des Klägers erhält als Bundestagsabgeordnete entgegen den Behauptungen des Klägers nicht monatlich 3000 Euro, sondern eine monatliche Entschädigung von 7960 Euro. Außerdem ist sie stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke und hat diverse Bücher und Schriften veröffentlicht, weshalb von einem 7960 Euro deutlich übersteigenden monatlichen Einkommen auszugehen ist.”

Für die Eidgenossen war somit klar, dass Wagenknecht als “Stiefelternteil eine indirekte Beistandspflicht” hatte. Diese endete danach erst mit der Scheidung. Die “Welt am Sonntag” hat Wagenknecht darauf angesprochen. Die Politikerin sagt, von dem Urteil habe sie erst durch die Anfrage erfahren: “Bisher ist mir eine Rechtsprechung, die Ehefrauen verpflichtet, für die während der Ehe von ihren Männern gezeugten außerehelichen Kinder Unterhalt zu leisten, nicht bekannt.”

Nun sitzt er in Dietikon auf der Anklagebank

Zivilrechtlich ist der Fall in der Schweiz abgeschlossen. Doch Niemeyer kommt seinen Verpflichtungen nicht nach. Deshalb verhängte die Staatsanwaltschaft gegen ihn Anfang des Jahres einen Strafbefehl. Er habe “vorsätzlich seine familienrechtlichen Unterhaltspflichten nicht erfüllt”, obwohl er “über die Mittel dazu verfügt” habe oder darüber hätte “verfügen können”. Weil der Verurteilte dagegen Einspruch einlegt, sitzt er nun in Dietikon auf der Anklagebank.

Zu Prozessbeginn sagt Niemeyer der Richterin, er habe in Irland seine “Hauptwohnung”. Dem Gericht hatte er nur eine Zustelladresse in Deutschland übermittelt, die seiner Mutter. Die Wohnsitze in Baden-Württemberg und Niedersachsen verschweigt er. Und sein Domizil in Irland beschreibt er als Bruchbude: “Ein altes Steinhaus, ein bisschen baufällig.”

Vermieten lasse es sich nicht. Den Wert der Immobilie hatte Niemeyer in dem Rechtsstreit, in dem er sich offenbar wohl armrechnen wollte, auf immerhin 300.000 Euro taxiert. Experten nennen weit höhere Summen. Die Richterin befragt Niemeyer auch zu den von ihm vorgelegten Einkommensbelegen. Konfrontiert mit einzelnen Zahlungen, offenbart er nun viele Details über seine geschäftlichen Beziehungen zu Abgeordneten der Linksfraktion und auch über die Unterstützung, die ihm die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung zuteilwerden lässt.

Er könne keinen besser bezahlten Job finden

Dieser Schilderung, die tief in die deutsche Politik reicht, hört die Richterin erstaunt zu. Für sie ist aber wichtiger, dass Niemeyer behauptet, er verdiene lediglich 1500 Euro netto im Monat, “mal weniger, mal mehr”. Und dass er keinen besser bezahlten Job finden könne. Die Richterin urteilt zu seinen Gunsten. Von seinem Existenzminimum, erläutert sie, könne man Niemeyer nichts wegnehmen. Für die Angaben zu seiner Vermögens- und Finanzsituation gelte: “Im Zweifel für den Angeklagten.”

Nur drei Tage später, am 28. Juni, legt die Staatsanwaltschaft Berufung ein, beim Obergericht des Kantons Zürich. Damit geht der strafrechtliche Teil des Unterhaltsstreits in die nächste Instanz.

Oldenburg übernimmt das Ermittlungsverfahren

Ende August 2013, Oldenburg: Die Staatsanwaltschaft in der Gerichtsstraße7 hat aus einer anderen Stadt Akten zu einer Person bekommen, die soeben nach Wilhelmshaven verzogen ist. Oldenburg übernimmt das Ermittlungsverfahren, Beschuldigter ist Niemeyer.

Ein Behördensprecher bestätigt: “Bei uns ist ein Sachverhalt gegen eine Person anhängig, die in Wilhelmshaven politisch aktiv ist und für den Bundestag kandidiert.” Auslöser sei eine Strafanzeige. Der Vorwurf: “Vereiteln der Zwangsvollstreckung”. Bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe erwartet, wer die Befriedigung von Gläubigeransprüchen vereitelt, indem er “Bestandteile seines Vermögens veräußert oder beiseiteschafft”.

Untersucht wird ein Vorgang, der sich um die Jahreswende 2009/2010 abspielte. Einen Tag vor Heiligabend wurde Niemeyer wegen des Unterhaltsstreits in der Schweiz vorübergehend festgenommen. Er musste jetzt fürchten, dass sein Landsitz in Irland herangezogen wird, um offene Unterhaltsforderungen zu begleichen. Dann geschah etwas mit dem Haus. Am 8. Januar, nur 15 Tage nach seiner Festnahme, ließ Niemeyer eine Änderung im Grundbuch eintragen und machte seine Noch-Frau Wagenknecht zur vollberechtigten Miteigentümerin (“full owner”). Seitdem ist das Anwesen Gemeinschaftseigentum der beiden und lässt sich nur noch sehr schwer pfänden.

Die Mutter informierte Wagenknecht

Die in der Schweiz lebende Mutter von Niemeyers Tochter sagte der “Welt am Sonntag”, sie habe Wagenknecht schon vor zwei Jahren darüber informiert: “Um sicherzustellen, dass sie weiß, dass die Grundstücksübertrag erfolgte, obwohl offene Unterhaltsforderungen eines minderjährigen Kindes bestehen.” Niemeyer könne sich so weiter seinen Verpflichtungen entziehen.

Wagenknecht erklärt, es sei unzutreffend, dass sie von der Mutter “auf diesen Umstand aufmerksam” gemacht worden sei. Zwar habe sie einen Brief erhalten, allerdings mit anderem Inhalt. Die Umwandlung der Eigentumsform begründet sie damit, dass ihr Ex-Mann Schulden bei ihr hatte und sie “Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen in erheblichem Umfang” finanziert habe. Niemeyer hatte einmal in einem Prozess die von seiner Frau aufgebrachten Kosten auf “mehr als 20.000 Euro” beziffert. Das wäre ein Bruchteil des Gesamtwertes der Immobilie. Wagenknecht widerspricht. Sie habe ein Vielfaches der Summe aufgebracht. Auch sei die Veränderung des Eigentumstitels lange vorbereitet worden.

Es geht aber eben nicht nur um private Angelegenheiten zwischen Niemeyer und Wagenknecht, sondern um viele andere Wohltaten für den Ex-Gatten aus der Partei und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Auch schon zu Zeiten, als die beiden noch verheiratet waren.

Produzent Niemeyer in Japan unterwegs

Samstag, 11. Februar 2012, internationaler Flughafen Narita bei Tokio: Die vierköpfige Delegation aus Deutschland freut sich, alles ist bestens geregelt. Ein Mazda steht als Mietwagen bereit. Nach 13 Stunden Flug geht es durch die Rushhour in die Stadt, gut 70 Kilometer. Dort wartet schon Botschafter Volker Stanzel, der ein kleines Referat vorbereitet hat. Die Details des freundlichen Empfangs hat die Delegationschefin in einem Reisetagebuch festgehalten. Es ist die Fraktionsgeschäftsführerin Dorothée Menzner, begleitet von einer Dolmetscherin, einem Kameramann sowie einem Produzenten: Niemeyer.

Das Team erwartet zwei abenteuerliche Wochen. Ertrag der Reise: ein 55-minütiger Film über die Folgen des Reaktorunglücks in Fukushima. Der Titel: “Hibakusha – Reise auf die Insel des Glücks”. Als Hibakusha werden in Japan die Opfer der Atombombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg bezeichnet.

Für die Energieexpertin Menzner bringt die Exkursion viel Abwechslung mit sich. Sie hilft, Aufnahmen zu sichten und das Skript fertigzustellen. Im April 2012 ist Premiere im Bundestag, mit anschließendem Empfang. Wagenknecht erklärt, der Film sei ab sofort bundesweit zu sehen. Kurz darauf, im Juli, wird er in Japan präsentiert – von Menzner und Niemeyer. Im September, zum Tag der offenen Tür des Bundestages, präsentiert sich Gysis Fraktion mit dem “Hibakusha”-Werk.

Auftraggeber Linksfraktion

Später, vor dem Schweizer Gericht, sagt Niemeyer, er sei von Menzner angestellt worden. Er habe für “eine gewisse Zeit” 2000 Euro im Monat erhalten, mehr, als er sonst verdiene. Ihm seien alle Kosten ersetzt worden. Niemeyer hatte dazu Auszüge seines Postbankkontos vorgelegt, die nun die “Welt am Sonntag” eingesehen hat. Fraktion, Abgeordnete und Rosa-Luxemburg-Stiftung überwiesen ihm danach von Februar 2012 bis Mai 2013 insgesamt 20.413,20 Euro.

Den Belegen der Bank zufolge hat Niemeyer spätestens seit seinem ersten Japan-Trip Anfang 2012 vor allem einen Auftraggeber: die Linksfraktion sowie einzelne Fraktionsmitglieder. Allein Menzner lässt ihm in dem Jahr innerhalb von acht Monaten in fünf Tranchen mindestens 10.860 Euro zukommen – obwohl er da noch mit Wagenknecht verheiratet ist. Der Ehemann wird also unter anderem finanziert von einem Mitglied der Fraktion, deren Vizechefin seine Gattin ist. Aus den Bankunterlagen, die nicht vollständig sind, geht hervor, dass Niemeyer noch mehr Geld von der Fraktionsgeschäftsführerin erhalten haben muss. Allein für die Aufnahmen für den Fukushima-Film will er “6000 Euro innerhalb von drei Monaten verdient” haben.

Transparenz wie der Blick durchs Milchglas

Menzner sagt der “Welt am Sonntag”, sie habe mit Niemeyer einen Honorarvertrag geschlossen. Allerdings als “freiberufliche Publizistin”. Seltsam: Dennoch waren ihre beiden Japan-Aufenthalte Dienstreisen des Bundestages, für die sie aber nur die parlamentarische Tätigkeit abgerechnet haben will. Auch die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung fördert ihr angeblich rein privates Projekt mit einem “Werkvertrag”. Menzner bleibt wortkarg, wenn es um die vertragliche Beziehung zu Niemeyer geht: Einerseits aus “datenschutzrechtlichen Gründen”, andererseits aufgrund “wettbewerbsrechtlicher Interessen meinerseits”. Was sie vorträgt, schafft so viel Transparenz wie der Blick durch eine Milchglasscheibe.

Keine Auskunft gibt Menzner auch zu einem Vorhaben, das in einem Kontoauszug unter “Darlehen für Projekt Venezuela” firmiert. Am 12. Juli 2012 werden Niemeyer 3000 Euro gutgeschrieben. Im gleichen Monat interviewt er den inzwischen verstorbenen Machthaber Hugo Chávez, den er schon mit Wagenknecht besucht hatte.

Ein gefragter Projektpartner

Bei den Parlamentarierinnen scheint der Dokumentarfilmer ein gefragter Projektpartner zu sein. Die brandenburgische Abgeordnete Diana Golze erstattet Niemeyer 617,80 Euro für “Auslagen”. Und Ruth Kampa, die angestellte Geschäftsführerin der Fraktion, trägt Verantwortung für mehrere Überweisungen, auf denen als Absender “Fraktion Die Linke” seht. Es geht um eine stattliche Summe von insgesamt 5550 Euro.

Kampa schließt am 31. Januar 2013 mit Niemeyer einen weiteren “Werkvertrag” ab. Dieses Mal geht es um die Herstellung des Films “Das Märchen der Deutschen. Vom Leben nach Suppenkasperkriterien”, einer Dokumentation über Armut und soziale Unsicherheit. Laut dem zweiseitigen Vertrag erhält Niemeyer “1000 Euro nach Unterzeichnung und 2000 Euro nach Abnahme des Werkes”. Entgegen der Vereinbarung geht die volle Summe nur eine Woche später auf dem Konto des Vertragspartners ein.

Keine genauen Angaben zu weiteren Verträgen

Die “Welt am Sonntag” hat Kampa nach weiteren Verträgen und Honoraren gefragt. Sie macht keine genauen Angaben dazu “aus datenschutzrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Herrn Niemeyer”. Da das Ehepaar seit Langem getrennt sei, würden sich “sowohl juristische als auch politisch-moralische Bewertungen” erübrigen.

Für den “Märchen”-Film gibt die parteinahe Stiftung noch 1500 Euro dazu. Regie aber führt die Fraktion. Niemeyer ist laut Werkvertrag verpflichtet, seine jeweiligen Schritte mit deren Arbeitskreis IV (Arbeit, Gesundheit und Soziales) abzustimmen.

Eine weitere Abgeordnete im Netzwerk ist Kathrin Senger-Schäfer aus Rheinland-Pfalz. Ihr Name steht auf dem Filmplakat zur “Märchen”-Doku. Sie soll Parteichef Bernd Riexinger dazu bewegt haben, die Rede zur Filmpremiere in Ludwigshafen zu halten. In dem Bundesland, das Senger-Schäfer vertritt, wird das Werk wiederum stark vom dortigen Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert. “Mit einer Spende”, sagt Senger-Schäfer, die Mitglied im Vorstand der Organisation ist. Das Regionalbüro der Stiftung führt zig Veranstaltungen mit Niemeyer durch – der “Welt am Sonntag” liegen allein elf Honorarverträge vor. Der so rundum versorgte Niemeyer wiederum führt auffällig freundliche Interviews mit Parteigrößen, die er auf Onlineplattformen wie YouTube verbreitet. Etwa mit Parteichefin Katja Kipping und Gregor Gysi.

Wagenknecht sieht kein Problem

Partei-Vizechefin Wagenknecht sieht in alldem kein Problem: “Da mein Ex-Mann mit mir weder verwandt ist noch zum fraglichen Zeitraum mit mir zusammenlebte, sondern die Beziehung längst beendet war, sehe ich keinen Grund, der dagegenspricht, dass er für die Fraktion Arbeitsleistungen erbringt und dafür honoriert wird.” Keine der Abrechnungen sei über ihren Tisch gegangen.

Die Ehe war aber noch nicht geschieden, als mit Niemeyer der Werkvertrag geschlossen wurde und er Honorare erhielt. Ob die Förderung durch die Fraktion gegen Gesetze des Parlaments und der Verwaltung verstößt, muss nun möglicherweise geprüft werden. Das Abgeordnetengesetz verbietet “Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren”. Zwar hat Fraktionsvize Wagenknecht ihren Partner nicht selbst mit Steuergeld alimentiert, aber andere Parlamentarier, die ihr unterstehen, zeigten sich dafür umso generöser.

Garantiert “amigofrei” in Bayern

In Bayern wäre so etwas nicht mehr möglich. Der Landtag hat aus der “Verwandtenaffäre”, die vor allem die CSU erschütterte, Konsequenzen gezogen. Seit Mai dieses Jahres verbietet das Gesetz dort sogenannte Überkreuz-Beschäftigungen, bei denen etwa ein Ehemann statt von seiner Frau durch andere Abgeordnete beschäftigt wird. Das gilt ausdrücklich auch für ehemalige Ehepartner. Die Linke im Freistaat wirbt seit der Affäre mit dem Slogan, “garantiert amigofrei” zu sein – was die Parteifreunde im Bundestag nun wahrlich nicht von sich behaupten können.

Die “Welt am Sonntag” hat Ralph Thomas Niemeyer viele Fragen gestellt, aber keine Antworten erhalten. Aufschlussreich ist, was sein Schweizer Pflichtverteidiger zur Bundestagskandidatur seines Mandanten sagt. Diese ist offenbar alles andere als nur politisch motiviert, sondern vielmehr Niemeyers neuester Versuch “seine persönliche finanzielle Situation zu verbessern”. Der Anwalt erklärt, was Niemeyer anstrebt, wenn es nicht klappen sollte: 2014 möglichst ins Europaparlament einziehen.

Der Artikel auf welt.de

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Roter Filz in Wagenknechts Fraktion

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Roter Filz in Wagenknechts Fraktion

Ralph Thomas Niemeyer, Ex-Ehemann von Sahra Wagenknecht, sieht sich als Opfer einer „Schmutzkampagne“. Wie sehr er von seinem Beziehungsgeflecht mit der Parteiprominenz der Linken profitiert, hat die „Welt am Sonntag“ enthüllt. Niemeyer veröffentlichte daraufhin eine wirre „Gegendarstellung“ auf Facebook: „Die Mächte, mit denen ich mich angelegt hatte, waren so korrupt, dass sie ähnlich wie im Fall Mollath agieren konnten.“ Niemeyer fühlt sich ähnlich unschuldig verfolgt wie Gustl Mollath, der jahrelang gegen seinen Willen in einer psychiatrischen Anstalt saß. Bei Niemeyer ist es immer die gleiche Masche, wie die „Welt am Sonntag“ zeigt.

In Wirklichkeit hat Niemeyer ständig Ärger mit Gläubigern und auch mit der Justiz: Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt jetzt gegen ihn wegen „Vereiteln der Zwangsvollstreckung“. Hintergrund: Im Kanton Zürich wollen die Strafverfolgungsbehörden einen Strafbefehl durchsetzen. In der Schweiz ist Niemeyer, der bereits zwei Mal wegen Betrugs verurteilt wurde und sogar eine mehrjährige Gefängnisstrafe verbüßen musste, mehr als 170.000 Euro Unterhalt für seine Tochter schuldig geblieben. Deshalb stand er erst im Juni vor einem eidgenössischen Gericht, wo er sich arm rechnete und verschwieg, dass er gleich mehrere Wohnsitze hat. Einen in Irland, zwei in Deutschland.

Das hat die Linke nicht daran gehindert, Niemeyer in Niedersachsen als Kandidaten für den Bundestag aufzustellen. Die Unterstützung geht noch weiter: Wie die „Welt am Sonntag“ herausgefunden hat, bekommt der Dokumentarfilmer regelmäßig Geld von der Bundesfraktion, in der Wagenknecht Vizechefin ist, sowie von einzelnen Abgeordneten und von der Rosa Luxemburg Stiftung. Diese Geldflüsse für den Zeitraum von Februar 2012 und Mai 2013 hat die Redaktion jetzt in einer Tabelle dokumentiert.

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Die „Welt am Sonntag“ hatte Niemeyer vor der Veröffentlichung des Beitrags „Eine ziemlich linke Nummer“ vom 8. September umfassend konfrontiert. Anders als seine ehemalige Ehefrau, von der er seit März diesen Jahres nach anderthalb Jahrzehnten Ehe geschieden ist, zog er es vor, keine Fragen dieser Redaktion zu dubiosen Werkverträgen, Honoraren und Darlehen zu beantworten.

Wohl deshalb, weil die Fakten gegen den 43-Jährigen sprechen. Der Kandidat im Wahlkreis Friesland-Wilhelmshaven-Wittmund profitiert von seinem Netzwerk. Auf seinem Konto bei der Postbank ging ein stattlicher Betrag ein: 20.413,20 Euro. Seine größte Fördererin war dabei Linke-Fraktionsgeschäftsführerin Dorothée Menzner. Binnen acht Monaten bekam Niemeyer allein von ihr im vorigen Jahr 10.860 Euro – da bestand die Ehe mit Wagenknecht noch. Das gilt auch für einen Werkvertrag, den die Fraktion mit ihm am 31. Januar 2013 geschlossen hatte.

Linksfraktions-Sprecher Hendrik Thalheim verteidigt die Vetternwirtschaft als „legitimen Vorgang“. Niemeyer habe im Auftrag der Fraktion Filme gedreht und sei dafür bezahlt worden. Ansonsten habe Wagenknecht, die mit Niemeyer bis März 2013 verheiratet war, mit all dem nichts zu tun. „Man merkt die Absicht und ist verstimmt“, so Thalheim.

Ansonsten herrscht auffälliges Schweigen in der Fraktion. Fragen der „Welt am Sonntag“, wie viele Honorare und Verträge es mit Niemeyer insgesamt gab, wurden auch von ihr nicht beantwortet.

Am Freitag, den 13. September, will Wagenknecht ihren früheren Ehemann im Wahlkampf auf einer Hauptkundgebung in Wilhelmshaven unterstützen. Man darf gespannt sein, ob Niemeyer – oder seine Ex-Frau – dann etwas zur Aufklärung der Amigo-Affäre der Linken beitragen. Sogenannte Über-Kreuz-Beschäftigungen im Parlament, bei denen etwa ein Ehemann statt von seiner Frau durch andere Abgeordnete beschäftigt wird, sind jedenfalls in Berlin und Bayern verboten.

Lesen Sie hier alles über die Affäre:

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Amigo-Affäre: Wagenknechts plötzliches Zahnweh

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Amigo-Affäre: Wagenknechts plötzliches Zahnweh

Schwarzer Freitag für Ralph Thomas Niemeyer: Der Bundestagskandidat der Partei Die Linke in Wilhelmshaven musste auf prominenten Beistand verzichten. Seine Ex-Ehefrau Sahra Wagenknecht sagte einen gemeinsamen Wahlkampfauftritt am Freitag, den 13. September, überraschend ab. Der Grund: Zahnweh. Dabei hatte Niemeyer ihr bereits am Montag zuvor vorgeschlagen, den Termin im Zentrum der Hafenstadt zu kanzeln. Der Grund waren vermutlich die Enthüllungen der „Welt am Sonntag“. Wagenknecht meinte damals noch: „Nein, jetzt erst recht!“

In der Nacht zu Freitag kam dann die Absage, wegen plötzlicher Zahnschmerzen. Ein angeblich altes Leiden, die Weisheitszähne. Der Linke-Kreisverband Wilhelmshaven sammelte gleich darauf Plakate ein, bestellte Bühne sowie Technik ab und lud Musiker aus, die mit irischem Liedgut für Stimmung sorgen sollten. Frust bei der Partei in der Stadt am Jadebusen: Der Höhepunkt der Kampagne für den Direktkandidaten Niemeyer ist ins Wasser gefallen.

Andererseits hätte der Auftritt von Wagenknecht und Niemeyer möglicherweise die Debatte um roten Filz beziehungsweise Vetternwirtschaft wieder aufflammen lassen. Nach Recherchen der „Welt am Sonntag“ haben die Bundestagsfraktion der Linken, mehrere Fraktionsmitglieder und die parteinahe Rosa Luxemburg Stiftung den freiberuflich tätigen Dokumentarfilmer Niemeyer regelrecht mit Geldern gepäppelt. Derartige Zuwendungen aus der Fraktionskasse wären beispielsweise im Berliner Abgeordnetenhaus oder im Bayerischen Landtag verboten.

Selbst eingefleischte Leser des „Neuen Deutschland“ zeigten sich irritiert. „Klar, es ist Wahlkampf und die Welt gehört zum Springer-Konzern“, kommentierte ein User namens „Kurpfaelzer“ eine beschwichtigende Meldung des Parteiorgans. Aber es lohne sich, den „sehr detaillierten Artikel“ der „Welt am Sonntag“ zu lesen. Parallelen zur Verwandtensaffäre in Bayern würden sich regelrecht aufdrängen.  „Kurpfaelzer“ hofft nun, dass die Parteibasis selbstbewusst Aufklärung fordert: „Wahlkampf hin oder her – hier steht auch linke Glaubwürdigkeit auf dem Spiel!“

Gelitten hat die Glaubwürdigkeit Niemeyers nicht nur in der Amigo-Affäre, vielmehr hat Wagenknechts Ex auch noch ständig Ärger mit Gläubigern und der Justiz. Zwar hatte er nach der Veröffentlichung des Artikels damit gedroht, juristische Schritte gegen die „Welt am Sonntag“ (siehe Handelsblatt) in Erwägung zu ziehen. Doch das ließ er bislang bleiben. Einen ausführlichen Fragenkatalog der Redaktion hat er bis heute nicht beantwortet.

Niemeyer macht stattdessen unverdrossen weiter Wahlkampf. Der „Nordwest Zeitung“ sagte Niemeyer: „Ich glaube, ich kann im Moment von einem Mitleidsbonus profitieren.“

Sahra Wagenknecht hat übrigens anders als ihr Ex-Gatte auf die Fragen der „Welt am Sonntag“ geantwortet.

Lesen Sie hier alle Antworten von Wagenknecht

 

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Verleger Werner verliert Rechtsstreit

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Verleger Werner verliert Rechtsstreit

Wir hatten an dieser Stelle mehrfach über unsere Recherchen zu dem Berliner Verleger Nicholas Werner berichtet, die zu zwei jeweils zweiseitigen Storys in der „Welt am Sonntag“ über dubiose Geldflüsse  führten. Hier in unserem Blog haben wir auf beide Geschichten hingewiesen und unter anderem dokumentiert, wie Werner wegen angeblicher Unwahrheiten gerichtlich gegen unsere erste Berichterstattung vorgegangen ist. Nachdem er mit der Forderung nach Abdruck einer Gegendarstellung vor der Pressekammer des Berliner Landgerichts unterlegen war, hatte er gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Nun hat auch das Kammergericht darauf hingewiesen, dass die Berichterstattung der “Welt am Sonntag” nicht zu beanstanden sei. Werner hat seine Berufung zurückgezogen. Damit die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig.

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Gewinnt Barlach die wichtige Schlacht?

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Gewinnt Barlach die wichtige Schlacht?

Suhrkamp-Minderheitsgesellschafter Hans Barlach gewinnt im Kampf gegen Ulla Unseld-Berkéwicz zwar ständig vor Gericht. Das bringt ihm aber bislang nichts. Am Mittwoch könnte sich das ändern.

Suhrkamp-Miteigentümer Hans Barlach                                                               Foto: dpa


Von Sven Clausen und Uwe Müller

Hans Barlach ähnelt König Pyrrhus I. So wie der Herrscher von Epirus, der den Römern eine Niederlage nach der anderen zufügte, eilt der Suhrkamp-Minderheitseigner von Sieg zu Sieg. Sein Schlachtfeld ist der Gerichtssaal. Dort aber konnte er seine Widersacherin, die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz, schon beachtlich oft bezwingen. Allein: Es waren jedes Mal teuer erkaufte Erfolge, die den Hamburger Unternehmer seinem Ziel, der (Mit-)Herrschaft über den traditionsreichen Literaturverlag, bislang nicht wirklich näher gebracht haben. Es sind Barlach-Siege. “Teilerfolge”, wie es immer so schön heißt. Den Krieg droht er trotzdem zu verlieren.

Am Mittwoch dieser Woche könnte Barlach jetzt mit seiner Medienholding AG vielleicht erstmals einen nachhaltigen Sieg erringen. Einen Sieg, der ihn richtig voran bringt. Denn entschieden wird eine fundamentale Frage, die von großer Tragweite ist: ob seine Mitgesellschafterin, die Familienstiftung von Ulla Unseld-Berkéwicz, aus dem Suhrkamp-Verlag ausgeschlossen wird. Die beiden Eigner werfen sich wechselseitig geschäftsschädigendes Verhalten vor. Verhandelt wird vor dem Landgericht Frankfurt, 3. Kammer für Handelssachen. Der Vorsitzende Richter Norbert Höhne hatte sich bereits im Februar mit dem Fall beschäftigt und damals bemerkt: “Beide Gesellschafter sehen sich offenbar wechselseitig als Inkarnation des Bösen”. Er ist also gut im Thema drin.

Sticht Insolvenzrecht das Gesellschaftsrecht?

Richter Höhne hatte den Kombattanten Anfang des Jahres eine Gnadenfrist eingeräumt und ihnen sieben Monate Zeit gegeben, sich gütlich zu einigen. Bekanntlich ist daraus nichts geworden: Statt sich zusammenzuraufen, sind Barlach und Unseld-Berkéwicz zerstrittener denn je. Der Verlag meldete, angetrieben von Siegfried Unselds Witwe, Insolvenz an. Einen Insolvenzplan gibt es auch schon. Er sieht vor, den Verlag von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Damit würde Barlach zahlreiche Sonderrechte verlieren, die er sich in den vergangenen Jahren ausverhandelt hatte. Die zuständige Amtsrichterin in Berlin-Charlottenburg hat dem Insolvenzplan bereits zugestimmt. Wenn die Gläubiger es ihr auf ihrer Versammlung in den kommenden Wochen nachtun, wäre Barlachs Schicksal wohl besiegelt.

Es ist diese Entscheidung der Berliner Amtsrichterin Mechthild Wenzel, die Barlachs zahlreiche Erfolge vor Gericht zu Pyrrhus-Siegen hat werden lassen. Denn Barlach gewinnt immer nur die gesellschaftsrechtlichen Prozesse. Die müssen aber nach aktueller Rechtsprechung die insolvenzrechtliche Auseinandersetzung überhaupt nicht beeinflussen. Denn das Insolvenzrecht, nach dem der Suhrkamp Verlag behandelt wird, ist noch so neu, dass es zu Wechselwirkungen mit etwaigen gesellschaftsrechtlichen Urteilen bislang keine höchstrichterlichen Entscheidungen gibt. Es ist unklar, ob das Gesellschaftsrecht das Insolvenzrecht sticht, oder umgekehrt – oder ob es auf den Einzelfall ankommt. Barlach ist der erste, der diese Untiefen austestet. Am Ende, in einigen Jahren, könnte er zwar höchstrichterlich Klarheit erhalten, selbst aber davon gar nicht mehr profitieren.

Nun allerdings kann Barlach darauf hoffen, dass Richter Höhne ihm die Möglichkeit gibt, eine Brücke zu dem Insolvenzverfahren zu schlagen. Sollte der Vorsitzende der Frankfurter Handelskammer ein Urteil fällen, dass positiv für Barlach ausfällt, bleibt Unseld-Berkéwicz zwar die nächste Instanz. Aber möglicherweise fällt der Richter ein Urteil, das gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. “Wenn es so kommt, würden wir alles tun, um das Urteil zu vollstrecken”, sagte Hans Barlach der “Welt”. “Sollte es zum Ausschluss der Familienstiftung kommen, würden wir diese entschädigen und die berechtigten Gläubiger der Gesellschaft sofort befriedigen.” Gut möglich, dass dann das Insolvenzverfahren für den Suhrkamp Verlag rasch beendet wäre.

Wie hoch wären die Abfindungen?

Sollte entweder die Familienstiftung von Unseld-Berkéwicz oder die Medienholding von Barlach aus dem Suhrkamp-Verlag ausgeschlossen werden, müsste die unterlegene Seite abgefunden werden. Das lässt sich in etwa so überschlagen: Während der mündlichen Verhandlung hatte Richter Höhne den “mittleren Unternehmenswert” von Suhrkamp auf 20 Millionen Euro taxiert. Auf dieser Basis müssten für den 61-Prozent-Anteil der Familienstiftung 12,2 Millionen Euro und für den 39-Prozent-Anteil der Medienholding 7,8 Millionen Euro gezahlt werden.

Unseld-Berkéwicz hatte den Antrag, Barlach als Suhrkamp-Eigner auszuschließen, damit begründet, dass dieser die wirtschaftliche Situation des Verlages schlecht geredet habe. Nachdem nun allerdings für Suhrkamp Insolvenzantrag gestellt worden ist, hat sich diese Argumentation selbst den Boden weggezogen und dürfte vor Gericht kaum noch verfangen. Demgegenüber kann Barlach auf gleich mehrere erstinstanzliche Entscheidungen von Gerichten – in Berlin und Frankfurt – verweisen, die Unseld-Berkéwicz attestieren, beispielsweise “grob treuwidrig” gehandelt oder ihre Pflichten als Verlagsgeschäftsführerin verletzt zu haben.

Wie Richter Höhne diese Urteile bewerten wird, ist freilich noch völlig offen. Immerhin ist es für Barlach zuletzt am Landgericht Frankfurt gut gelaufen. Claudia Müller-Eising, Richterin an der 9. Kammer für Handelssachen, urteilte erst vor wenigen Wochen, die Familienstiftung von Unseld-Berkéwicz habe mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens eine “Treuepflichtverletzung” begangenen und dürfe deshalb dem Insolvenzplan keineswegs zustimmen. Tut sie es doch, riskiert sie ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder sechs Monate Ordnungshaft. Das Insolvenzverfahren aber konnte das auch nicht aufhalten. Für Barlach war es nur ein weiterer Barlach-Sieg.

Der Artikel auf welt.de

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MDR-Skandal: Fünf Anklagen, ein Strafbefehl

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MDR-Skandal: Fünf Anklagen, ein Strafbefehl

Im Sommer 2011 haben wir die merkwürdigen Deals des früheren Chefs der MDR-Fernsehunterhaltung Udo Foht maßgeblich mit aufgedeckt: ein System dubioser Geldflüsse. (Mit diesem Beitrag fing es an. Die weiteren Texte finden Sie im Archiv – einfach im Suchfeld rechts das Stichwort „Foht“ eingeben).

Mehr als zwei Jahre lang hat die Staatsanwaltschaft ermittelt: 60 Vernehmungen druchgeführt, dazu 200 Konten, 250 Leitz-Ordner und 500 Gigabyte Geschäftsunterlagen durchforstet. Die Behörde hat nun Foht und zwei weitere Männer beim Landgericht Leipzig angeklagt – und zwei TV-Produzenten beim Amtsgericht Leipzig. Ein dritter Produzent muss mit einem Strafbefehl rechnen. Auch den hat die Staatsanwaltschaft  beantragt.

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Im Bett mit der Macht

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Im Bett mit der Macht

Dirk Banse, Lars-Marten Nagel und Uwe Müller

Ellen Rometsch soll die letzte Geliebte von US-Präsident John F. Kennedy gewesen sein. FBI-Akten zeigen nun, wie sehr die Stenotypistin aus der DDR amerikanische Politiker und Behörden in Aufregung versetzte

Ein Foto aus dem Jahr 1963. Eine brünette Frau lehnt an einer Säule, sie trägt ein dunkelblaues, ärmelloses Seidenkleid mit goldenen Stickmotiven. Rote Lippen, hochgesteckte Haare, lasziver Blick, der Anflug eines Lächelns. Eine Frau, attraktiv wie Elizabeth Taylor. Die schöne Deutsche, keine 30 Jahre alt, galt einst in den Vereinigten Staaten als Sicherheitsrisiko. Sie hat US-Präsidenten, Justizminister und Senatoren beschäftigt. Der FBI-Chef beauftragte seine Agenten damit, ihr Intimleben auszuforschen.

Damals, vor einem halben Jahrhundert, soll Ellen Rometsch die letzte Geliebte John F. Kennedys gewesen sein, kurz bevor dieser erschossen wurde. JFK ist seit 50 Jahren tot, Ellen Rometsch lebt zurückgezogen in einem Bungalow am Rhein bei Bonn.

Was genau zwischen ihr und Kennedy passierte, darüber möchte die heute 77-Jährige nicht reden. Wer sie dazu sprechen will und an ihrer Haustür klingelt, dem öffnet ihr Ehemann. Auch er wird nicht viel sagen, aber drei Dinge sind ihm wichtig. Seine Frau habe nie als Spionin im Dienst der Stasi gestanden. An den Zeitungsberichten, der Kennedy-Clan habe mit Zahlungen auf ein Liechtensteiner Konto das Schweigen von Ellen Rometsch erkauft, sei nichts dran. Und was in Washington damals geschah, soll für immer eine rein private Angelegenheit des Ehepaars bleiben.

Der Wunsch ist so verständlich wie aussichtslos. Kennedy ist ein Mythos. Je größer die Geheimniskrämerei, desto größer ist die Faszination. Da sind die Gerüchte über undurchsichtige Beziehungen zur Mafia. Das Geheimnis einer schweren Krankheit, die vor der Öffentlichkeit verborgen wurde. Und vor allem der Klatsch über Risse in der perfekt inszenierten Ehe mit Jacqueline. Kennedy, der Frauenheld. Die Lichtgestalt als fehlbarer Mensch.

Ellen Rometsch passt da gut ins Bild. Auch bei ihr sei Kennedy schwach geworden, erinnert sich einer, der früher dicht dran war am Präsidenten: Bobby Baker, seinerzeit Fraktionssekretär der Demokraten im US-Senat. Seine Erinnerungen hat das Politmagazin “Politico” erst jüngst unter der Überschrift “Sex in the Senate” veröffentlicht. Baker war einst ein begnadeter Strippenzieher in Washington, er will im Frühsommer 1963 persönlich die deutsch-amerikanische Liaison vermittelt haben.

Der inzwischen 85-Jährige, der seinen Posten noch vor dem Kennedy-Mord wegen dubioser Geschäfte hatte räumen müssen, beschreibt Ellen Rometsch als eine Frau, die “wirklich Oralsex liebte” und “mehrfach das Weiße Haus besuchte”. Kennedy habe ihn gleich nach seiner ersten Nacht mit ihr angerufen und sich euphorisch bedankt – mit Worten, die nicht gerade staatsmännisch klingen: “Es war der beste Sex, den ich je gehabt habe.”

Allerdings war es zunächst weniger Ellen Rometschs mutmaßliche Affäre mit dem Präsidenten als vielmehr ihre Herkunft aus der DDR, die 1963 das FBI auf sie aufmerksam werden ließ. Denn ihr Lebensweg hatte sie innerhalb weniger Jahre vom sächsischen Riesa bis in exklusive Washingtoner Zirkel geführt. Das schien verdächtig. Ellen Rometschs Eltern und deren sieben Kinder stammten ursprünglich aus Schlesien. Dann verließ die Familie die Heimat und baute sich in Riesa eine neue Existenz auf. Ellen – laut Geburtsurkunde heißt sie eigentlich Bertha Hildegard Elly – arbeitete als Stenotypistin bei der Kreisverwaltung, ihre Eltern bekamen als Verwalter einen Gutshof überlassen. Als die DDR-Führung dann die Landwirtschaft zwangskollektivieren wollte, setzte sich die Familie 1955 in den Westen ab.

Während die Eltern erneut einen Gutshof in Schwelm bei Wuppertal pachteten, machte die Tochter eine Kaufmannslehre und heiratete. Die Ehe scheiterte schnell. Bald darauf lernte sie in Siegburg ihren zweiten Ehemann kennen, mit dem sie 1958 einen Sohn bekam. Der Gatte heuerte bei der Bundeswehr an und bekam eine Stelle in Washington angeboten. Anfang 1961 zogen die Rometschs nach Amerika. Während er dort brav seinen Dienst als Feldwebel verrichtete, ließ sie sich als Fotomodell ablichten und genoss das Leben.

Es muss eine aufregende Zeit für Rometsch gewesen sein. Ihre Schönheit öffnete ihr Türen. Bald verkehrte sie in höheren Kreisen und besuchte Partys der Politprominenz. Oft mit dabei war Bobby Bakers Assistentin, Carole Tyler, eine ehemalige Schönheitskönigin. Beide Frauen besuchten den Quorum-Club, der sich in einem Hotel im Regierungsviertel auf dem Capitol Hill befand. Das Etablissement diente nicht nur als Treffpunkt für Politiker und Lobbyisten, sondern auch als diskrete Kontaktbörse für amerikanische Abgeordnete, deren Ehefrauen und Familien oft Tausende Meilen von Washington entfernt lebten.

Ellen Rometsch, die einen luxuriösen Lebensstil gepflegt, teure Kleider getragen und ein Ford Thunderbird Cabrio gefahren haben soll, wusste Männer zu beeindrucken. Verehrer nannten die 1,65 Meter große Ausländerin mit den Maßen 85-65-83 sogar in einem Atemzug mit Marilyn Monroe.

Eine Warnung, die beim FBI einging, sollte schließlich ihr Leben verändern. Der Verdacht kam auf, Rometsch könnte eine DDR-Spionin sein. In einem Memorandum vom 3. Juli 1963 heißt es, sie stamme “aus Ostdeutschland” und habe “früher für Walter Ulbricht gearbeitet”. Mitten im Kalten Krieg, der Bau der Berliner Mauer und die Kubakrise waren noch nicht allzu lange her, erregte eine solche Biografie sofort das Interesse der Sicherheitsbehörden.

Das FBI, die wichtigste US-Polizeibehörde, begann zu ermitteln. Die Geheimdienst-Erkenntnisse sind in einer 478 Seiten umfassenden Akte mit der Kennziffer 105-122316 überliefert, die inzwischen öffentlich einsehbar ist. Zunächst fällt auf, dass sich die FBI-Fahnder fast ein Vierteljahrhundert lang mit Rometsch beschäftigten, von 1963 bis 1987. Dann sind in den Unterlagen etliche Passagen geschwärzt. Die Namen von Zeugen mitsamt ihren Aussagen sind größtenteils unkenntlich gemacht worden. Doch was offen ist in den “FBI-Files Ellen Rometsch” (Zitat: “Trägt dick aufgetragenes Make-up einschließlich Lidschatten, hat eine gute Figur und einen starken deutschen Akzent”) liest sich wie ein Thriller, in dem alles Notwendige enthalten ist: Politik, Sex, Spionage.

Gleich nach dem ersten Hinweis von Anfang Juli 1963 suchten FBI-Beamte Rometsch in ihrer Arlingtoner Wohnung in der 3572 N. Military Road auf und vernahmen sie stundenlang. Die Frau des Bundeswehrsoldaten musste sich unangenehme Fragen gefallen lassen, doch offenbar hatte sie plausible Antworten. Denn ihre Vernehmer meldeten anschließend an die Zentrale: falscher Alarm. Ihre Empfehlung lautete, die Ermittlungen einzustellen. Eigentlich hätte die Akte damit geschlossen werden können.

Doch Rometsch hatte das Pech, in eine hoch komplizierte politische Gemengelage geraten zu sein. Bobby Baker, der einflussreiche Fraktionssekretär der Demokraten, stand plötzlich unter Korruptionsverdacht. Jener Mann, dessen Assistentin Carole Tyler mit Rometsch befreundet war und dem Kennedy angeblich über seine Nacht mit Rometsch berichtet hatte. Baker wurde vorgeworfen, bei Regierungsaufträgen die Hand aufgehalten zu haben. Aber auch sein diskretes Wissen über sexuelle Abenteuer von Spitzenpolitikern interessierte jetzt die Öffentlichkeit.

Zu Rometsch hielt das FBI nun nach weiteren Recherchen fest, sie habe “verbotene Beziehungen mit hochgestellten Regierungsvertretern”. In der prüden US-Gesellschaft sind Medien nie zimperlich, wenn Politiker ihre Frauen betrügen. Das war auch in den 1990er-Jahren bei Bill Clinton so. In den 1960er-Jahren scheuten sich die Journalisten noch, die Namen von Politikern zu nennen. Trotzdem machte die Bobby-Baker-Affäre viele in Washington nervös.

Die Sicherheitsbehörden waren alarmiert. Sie befürchteten, die Ehefrau eines einfachen Feldwebels könnte einen gesellschaftlichen Skandal auslösen und die politische Elite der Weltmacht USA möglicherweise bloßstellen. Welchen Repräsentanten hatte Rometsch, “the pretty German hausfrau”, den Kopf verdreht? In den Akten ist ab jetzt keine Rede mehr davon, die Ermittlungen einzustellen. Im Gegenteil, das FBI intensivierte die Nachforschungen. Es rechnete Rometsch fortan einer Gruppe von Frauen mehrheitlich deutscher Herkunft zu, “die ihre Dienste als ‘play girls’ verschiedenen Personen inner- und außerhalb der Regierung angeboten haben”. Einige davon seien prominent und stünden im Blick der Öffentlichkeit. Dieser Frauenring sei verantwortlich für “personal escapades, prostitution, partying, sex orgies, and so forth”.

FBI-Direktor Edgar Hoover schaltete sich persönlich ein. Nach Aktenlage spricht alles dafür, dass er ahnte, welch ungeheure Sprengkraft in dieser Geschichte steckte. Seine Rolle hat die “New York Times” später einmal so beschrieben: “Hoover wusste von Kennedys Affäre mit Rometsch und stellte sicher, dass der Präsident das erfuhr, was er wusste.”

Hoover verbiss sich regelrecht in den Fall. Aber was war sein Motiv? Wollte er Präsident Kennedy vor einem Skandal bewahren, oder sammelte er Material, um ihn zu kompromittieren? Jedenfalls informierte Hoover den US-Justizminister und JFK-Bruder Robert F. Kennedy. Auch die deutsche Botschaft wurde eingeschaltet. Rometschs zweiter Ehemann musste am 14. August 1963 bei seinen Vorgesetzten antreten. Er wurde “von den Seitensprüngen meiner Frau unterrichtet”, wie er später einer Zeitung sagte. Zu diesem Zeitpunkt war seine Ehe offenbar längst in einer schweren Krise. Denn bereits Wochen vor dem delikaten Gespräch mit seinen Chefs hatte Feldwebel Rometsch beim Landgericht Bonn die Scheidung eingereicht.

Noch hatte die Presse keinen Wind von der Affäre bekommen. Aber der Kreis derjenigen, die mehr oder minder eingeweiht waren, wuchs fast täglich. In dieser Situation entschieden sich die US-Verantwortlichen für eine drakonische Maßnahme. Sie erklärten den deutschen Stellen, Ellen Rometsch sei in den USA eine unerwünschte Person. Kein Spionageverdacht, nur Indizien für sexuelle Eskapaden – ein merkwürdiger Grund für eine Ausweisung. Offenbar befürchtete man in Washington eine Staatsaffäre. Eine Deutsche, zudem aus der DDR, die in Verbindung mit Baker stand und Beziehungen zu wichtigen Politikern unterhielt, das barg einfach zu viel Brisanz.

Ellen Rometsch verließ im August 1963 die USA. Ende September wurde auch ihre zweite Ehe geschieden, wegen “alleinigen Verschuldens” der Frau. Sie zog sich auf den gepachteten Gutshof Oberberge ihrer Eltern in Schwelm zurück. Das glamouröse Partygirl, das sie noch wenige Wochen zuvor gewesen war, streifte nun die Kittelschürze über, half bei der Rübenernte und molk Kühe. Der Traum vom American Way of Life war geplatzt.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Am letzten Oktoberwochenende des Jahres 1963 berichteten US-Zeitungen über die Korruptions- und Sexaffäre in der amerikanischen Hauptstadt. Und in diesem Zusammenhang erstmals auch über Ellen Rometsch. Kurz darauf erschienen in der deutschen Presse Schlagzeilen wie “Sitten-Skandal in Washington!” – “Vielgeliebte Frau Feldwebel” und “Ihre Gunst war teuer”. Umgehend tauchten Heerscharen von Journalisten vor dem Gut Oberberge auf, selbst ein Kamerateam des US-Senders NBC reiste an. Die britische Boulevardzeitung “Daily Express” bot Ellen Rometsch 55.000 D-Mark für ihre Erinnerungen. Doch die Umworbene schlug das Angebot aus, sie wollte schon damals keine Interviews geben. Die Reporter wurden vom Gutshofbesitzer rüde vertrieben.

Am Tag des Journalistenauflaufs in Schwelm herrschte auch im Weißen Haus in Washington Hektik. John F. Kennedy bereitete die Berichterstattung offenbar allmählich ernsthafte Sorgen. In den FBI-Akten zu Ellen Rometsch heißt es in einem Papier vom 28. Oktober unter Berufung auf einen Vertrauten des Präsidenten, JFK sei “persönlich daran interessiert, die Geschichte zu beerdigen” (“to kill the story”).

Doch so einfach ließ sich die Debatte nicht unterbinden. Im Gegenteil. Die innenpolitische Auseinandersetzung über den mutmaßlichen Skandal um Baker gewann an Schärfe. Der Senat setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Und die Republikaner witterten ihre Chance. Sie hofften, die Ära des populären Präsidenten Kennedy beenden zu können, der sich 1964 zur Wiederwahl stellen wollte. Erneut geriet Rometsch in das Räderwerk der großen Politik.

Über die abgeschobene Deutsche wurden in den USA nun immer abenteuerlichere Geschichten erzählt. Der republikanische Kongressabgeordnete Harold R. Gross behauptete, Ellen Rometsch habe unbekleidet in Champagner gebadet, unter den Augen wichtiger Militärs und hoher Beamter der Weltraumbehörde Nasa. Bei dieser Gelegenheit, so der Abgeordnete weiter, sei Rometsch an “unsere Raketen-Geheimnisse” gekommen, die dann durch sie “und andere Frauen dieser Art hinter den Eisernen Vorhang gelangt sind”.

Solche Kolportagen heizten die Berichterstattung der Presse zusätzlich an. Am 22. November 1963 veröffentlichte das auflagenstarke Magazin “Life” eine opulente siebenseitige Story: “Der Skandal in Washington weitet sich aus”. Der Autor des Stücks charakterisierte darin Rometsch als eine Frau, die oft zu gesellschaftlichen Ereignissen eingeladen worden war, “teils wegen ihres guten Aussehens und teils, so wird berichtet, weil ,sie alles machen würde’”.

An dem Tag, an dem “Life” mit dieser Geschichte erschien, fielen in Dallas die tödlichen Schüsse auf Kennedy.

Nach dem Attentat ließ das öffentliche Interesse an Rometsch spürbar nach. Für das Weiße Haus allerdings blieb der Vorgang weiter brisant. JFK-Nachfolger Lyndon B. Johnson, ein Protegé des geschassten Bobby Baker, wünschte sich laut FBI-Vermerken aus dem Februar 1964 “eine zusammenfassende Darstellung zum Fall Ellen Rometsch”. Das “German Party Girl” beschäftigte nun schon den zweiten Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Nur ein einziges Mal, im Oktober 1964, gab Rometsch ein kurzes Interview. Das Gespräch, das gerade einmal sechs Fragen und sechs Antworten umfasste, nutzte die geschiedene Frau, um sich als sittsame Mutter darzustellen. “Ich kann nur immer wieder sagen: das alles wird wegen des Wahlkampfes künstlich hochgespielt, und ich bin dabei das hilflose Opfer, das sich nicht wehren kann”, sagte sie der Hamburger Illustrierten “Stern”. Die Behauptung, sie habe nur aus Spionagegründen geheiratet, um so in die USA zu kommen, bezeichnete Rometsch als “glatten Unsinn”.

In diesem Punkt sagte sie offenbar die Wahrheit. Im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde findet sich zu den Mitgliedern der einst in Sachsen angesiedelten Familie von Ellen Rometsch keine einzige Erfassung in den Geheimdienstakten. Zusammen mit den Erkenntnissen der westlichen Geheimdienste spricht deshalb alles dafür, dass die frühere DDR-Bürgerin nie für den Osten spioniert hat.

Rometsch könnte heute viel dazu beitragen, Kennedys Image als Frauenheld einzuordnen. Doch das möchte sie nicht. Sie lebt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben. Sie hat noch einmal geheiratet – und zwar ihren zweiten Mann, mit dem sie vor einem halben Jahrhundert in den USA war.

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Strafbefehl gegen “Bambi”-Produzent Kimmig

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Strafbefehl gegen “Bambi”-Produzent Kimmig

Werner Kimmig ist einer der einflussreichsten deutschen Fernsehmacher. In der juristischen Aufarbeitung der MDR-Affäre um den Ex-Chef der TV-Unterhaltung Foht wurde nun Strafbefehl gegen ihn erlassen.

Von Uwe Müller, Lars-Marten Nagel und Marc Neller

Nun also Werner Kimmig, der Macher, einer der wichtigsten Produzenten des deutschen Unterhaltungsfernsehens. Seine Firma macht die Bambi-Gala, “Verstehen Sie Spaß”, die Schlager-Sendung “Immer wieder sonntags”. Das ist sonst seine Bühne.

Jetzt hat das Amtsgericht Leipzig nach Informationen von “Welt ” einen Strafbefehl erlassen. Es geht um Untreue in zwei Fällen. Ein Gerichtssprecher sagt der “Welt”: “Der Strafbefehl gegen Herrn Kimmig ist am 3. Januar erlassen und seinen Anwälten am 8. Januar zugestellt worden.” Zu Art und Höhe der Strafe, die mit dem Strafbefehl verbunden ist, will das Gericht nichts sagen.

Kimmig ist damit in der juristischen Aufarbeitung des MDR-Skandals um den früheren Chef der Fernsehunterhaltung, Udo Foht, der erste Beschuldigte, der von einem Gericht mit einer Strafe belegt worden ist. Nach der Strafprozessordnung kann er innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen. Tut er das nicht, kommt der Strafbefehl einer rechtskräftigen Verurteilung gleich.

Kimmig selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Sein Presseanwalt wollte sich zu der Entscheidung des Gerichts nicht äußern.

Der Produzent hinter den Superstars

Wenn Kimmig die Strafe akzeptiert, wäre das ein hässlicher Fleck in einer so makellos erscheinenden Biografie. Kimmig, geboren im August 1948, ist ein Schwergewicht der deutschen Unterhaltungsindustrie. Er war Verlagskaufmann bei Burda, Werbeleiter bei der”Freizeit-Revue” und dem Klatschmagazin “Bunte”. Im Mai 1973 hat er eine Management- und PR-Agentur gegründet, seine ersten Künstler: Paola und Costa Cordalis. Ins Fernsehgeschäft ist er Anfang der 80er-Jahre eingestiegen.

Die von ihm gegründete Produktionsfirma, die heute Kimmig Entertainment heißt und ihren Sitz in Oberkirch im Schwarzwald hat, gilt als einer der wichtigsten Anbieter für Unterhaltungsshows. Sie stellt im Jahr bis zu 130 Sendungen her. Kaum ein Sender kommt an ihr vorbei.

Da wären die Juxfilme für “Verstehen Sie Spaß” mit der versteckten Kamera. Da wären die Musikspecials: Bambi, Echo, Deutscher Fernsehpreis, Die Krone der Volksmusik, Immer wieder sonntags. Oder Shows mit Roger Whittaker, Johannes Heesters, Stefanie Hertel und Stefan Mross. Die José Carreras-Spendengala 2011. Die große Helene-Fischer-Show. Eine Riesenshow mit Andrea Berg, die Kimmig selbst die “erfolgreichste Jubiläumsshow der vergangenen Jahre” nennt.

Kimmig gerät in den Strudel des MDR-Skandals

Zu den Sendern, mit denen Kimmig dick im Geschäft war, gehört der MDR. Und das führt zu der weniger glamourösen Seite des Werner Kimmig. Er ließ sich von Udo Foht beraten, es ging um die Schlagersendung “Immer wieder sonntags”, die der Südwestrundfunk (SWR) produziert. Kimmig soll Foht dafür unter anderem ein Honorar von 10.000 Euro gezahlt haben. Unter anderem dadurch ist er in den Strudel des MDR-Skandals um den geschassten Chef der Fernsehunterhaltung geraten. Und ins Visier der Leipziger Staatsanwaltschaft.

Im Juli 2011 suspendiert der MDR Foht nach einer merkwürdiger Geschäfte. Recherchen der “Welt” tragen maßgeblich dazu bei, ein Teil dieser Geschäfte ans Licht zu bringen. Foht hat offenbar im MDR einen Staat im Staate errichtet und eine Reihe dubioser Zahlungen abgewickelt – angeblich im Namen seines Arbeitgebers, aber ohne dessen Wissen.

Auch deshalb sieht die Sache mit dem Beraterhonorar nicht gut aus. Kimmig und Foht kennen einander auch privat, Kimmig ist Fohts Trauzeuge. Es ist eine delikate Verbindung. Denn Foht entscheidet bis zu seinem Rausschmiss maßgeblich mit, welche Unterhaltungsshows in der ARD laufen und welche nicht. Er betreut also einerseits Auftragsproduktionen für die ARD und lässt sich andererseits von einem wichtigen Auftragsproduzenten der ARD bezahlen, zumindest einmal.

SWR will weitere Konsequenzen “nicht ausschließen”

Der SWR ist alarmiert. Peter Boudgoust, der Intendant, schaltet sich ein. Er schreibt seinen Verwaltungs- und Rundfunkräten,  und klärt sie über die Geschäftsbeziehung zwischen Kimmig und Foht auf. Wie sich im Zuge der Aufklärung beim MDR herausgestellt habe, “hat Herr Foht gleichzeitig die Produktionsfirma Werner Kimmig GmbH beraten und dafür nach Auskunft von Herrn Kimmig ein einmaliges Honorar von 10.000 Euro erhalten”.

Der Vorgang sei für den SWR und die ARD “natürlich alles andere als erfreulich”. Der SWR habe gegenüber Kimmig “unmissverständlich klargestellt”, dass er künftig “absolute Transparenz” erwarte. Zudem schreibt Boudgoust, er könne weitere Konsequenzen “nicht ausschließen”.

Die Frage ist auch, warum Kimmig für Foht eine 10.000-Euro-Schuld bei einem Berliner Musikmanager beglichen hat, angeblich im Namen des MDR. Die Staatsanwaltschaft hat den Verdacht, dass es sich um eine Scheinrechnung handelt.

Kimmig hat der “Welt” bisher keine dieser Fragen beantwortet. Auch jetzt nicht, nach der Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig. Aber es ist gut möglich, dass er demnächst ähnliche Fragen von Verantwortlichen der ARD und anderer wichtiger Kunden gestellt bekommt. Die Unterhaltungsbranche kann, hinter den Kulissen, sehr humorlos sein.

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ARD nach Strafbefehl gegen “Bambi”-Macher in Not

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ARD nach Strafbefehl gegen “Bambi”-Macher in Not

Nach dem Strafbefehl des Amtsgerichts Leipzig gegen Werner Kimmig distanzieren sich einige Sender vom Großproduzenten. Doch die ARD hat nun ein Problem. Kimmig ist bisher einer der wichtigsten Lieferanten öffentlich-rechtlicher Glamourshows. Wer also sollte die künftig für sie inszenieren? Kimmig selbst sieht es offenbar gar nicht ein, die Entscheidung des Gerichts einfach hinzunehmen. Unsere ganze Geschichte gibt es hier.

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Als “bastian” surfte Edathy auf Pornoseite

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Als “bastian” surfte Edathy auf Pornoseite

Sebastian Edathy bezog auch Material von einem deutschen Porno-Anbieter. In dessen Angebot findet sich möglicherweise Material von Minderjährigen. Eine Spur führt nach Tschechien.

Von Florian Flade, Uwe Müller

Zwei Jungen liegen auf einem Bett. Sie lächeln in die Kamera. Sie sind splitternackt. Angeblich heißen sie “Alex” und “Christopher”, angeblich sind sie beide 18 Jahre alt. Die Bildergalerie zeigt die Jünglinge, während sie sich auf einer geblümten Bettdecke rekeln. Sie tauschen Zungenküsse aus, sie masturbieren, reiben ihre Genitalien aneinander, haben Oral- und Anal-Sex. Dabei grinsen sie unentwegt.

“Super heiße Jungs!”, hat ein Kommentator unter die Fotos geschrieben. Ein anderer meint: “Ich bin dieser Seite gerade erst beigetreten und ich genieße es schon sehr!”

Diese Seite, das ist “AlexBoys.com”, ein Anbieter von jugendpornografischem Video- und Fotomaterial. Mehr als 230 Jungen sind dort zu sehen, offeriert werden nach Angaben des Betreibers rund 170 Videos und 47.000 Fotos. Der Werbetext der Website bezeichnet die Darsteller als “Teenboys”, die süß, weich und sexy seien. “Sie sind alle glücklich, gutaussehend und haben großen Spaß, für dich sexuell aktiv zu sein.”

Das Konzept scheint erfolgreich zu sein. Ausweislich einer Nutzerstatistik hatten schon vor Jahren mehr als 12.000 zahlende Kunden auf “AlexBoys” zugegriffen. Einer von ihnen: Sebastian Edathy.

Der SPD-Politiker hatte sich im Zeitraum von 2007 bis 2009 zwei Mal einen befristeten Zugang für “AlexBoys” gekauft. So ist es in internen Unterlagen des Porno-Anbieters vermerkt, die der “Welt am Sonntag” vorliegen. Edathy meldete sich demnach erst mit der E-Mail-Adresse rehburger@web.de an, dann mit edathy@edathy.de. Die Kosten, vermutlich 24,95 Dollar, wurden über die Internetbezahldienste CCBill und Verotel abgewickelt.

Als Kunde verwendete Edathy den Dokumenten zufolge den Nicknamen “bastian”. Ein “bastian” wird spätestens im September 2012 dauerhaft Mitglied bei “AlexBoys”. Ob sich hinter diesem “bastian” der langjährige Abgeordnete Sebastian Edathy verbirgt, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. In dem Kundenverzeichnis ist der Klarname anders als bei den älteren Dateien nicht ausgewiesen.

Für Anwalt Noll “eine ,normale’ Porno-Website”

Edathy selbst lässt Fragen dieser Redaktion dazu unbeantwortet. Sein Anwalt Christian Noll spricht von “einer ,normalen’ Porno-Website”, deren Besuch nicht öffentlich erörtert werden dürfe. Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Es stellen sich viele Fragen. In politischer, moralischer und möglicherweise sogar in strafrechtlicher Hinsicht.

Der Sozialdemokrat Edathy kämpft gegen einen ungeheuren Verdacht. Er hat, wie die Staatsanwaltschaft Hannover jüngst bekannt gab, zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 bei einem kanadischen Online-Anbieter 31 Bildersets und Videos mit nackten Jungen erworben. Sie waren im Alter zwischen neun und 13 oder 14 Jahren, wie Behördenchef Jörg Fröhlich auf einer Pressekonferenz ausführte. Ob Edathy damit eine Straftat begangen hat, bezeichnete Fröhlich als “schwierige Wertungsfrage”. Auf jeden Fall befinde man sich “im Grenzbereich”.

In Kanada hatte Edathy sogenanntes “Posing-Material” geordert. Dabei sind Genitalien von Knaben zu sehen, die aber nicht im Fokus stehen. Anders verhält es sich bei den Videos und Fotos von “AlexBoys”. Hier handelt es sich um explizit pornografisches Material. Die Darsteller sind keine Kinder, erwecken mitunter allerdings den starken Eindruck, jünger zu sein als die auf der Website angegebene Altersangabe “18+”. In einem Fall hat sich ein Junge ein buntes Plastikspielzeug in den Mund eingeführt.

Wer verdient an dem Material?

Zwei verschiedene Sachverhalte also, die aber eines gemein haben: Juristen sind sich uneins, ob die Beschaffung solcher Angebote strafrechtlich relevant ist.

Was aber ist AlexBoys.com? Wie alt sind “Alex” und “Christopher”, “Frodo” und “Moritz” oder “Florian” und “Dennis” wirklich? Wo werden die Sexfilme und Fotos mit ihnen hergestellt? Wer verdient an dem Material?

Die Spur zu den Hintermännern von “AlexBoys” führt zunächst in eine Sackgasse. Im Impressum der Website wird als Verantwortlicher ein “Demiz Lodz” angegeben, der unter der Adresse 614 Rue Bélanger im kanadischen Montreal residieren soll. Eine Person, die es nicht gibt. Jedenfalls nicht unter dieser Adresse.

Der eigentliche Betreiber von “AlexBoys” lebt nach Recherchen der “Welt am Sonntag” in Deutschland, in einem beschaulichen Vorort von München. Er heißt Klaus S., ist 44 Jahre alt und ein IT-Fachmann. Am Telefon behauptet er zunächst, nicht mehr mit der Porno-Seite in Verbindung zu stehen. Einen Tag später revidiert er diese Version: “Ja, ich habe damit zu tun.”

Angebot für Kunden mit päderastischen Neigungen

Im Jahr 2001 hatte S. die Website-Domain für “AlexBoys”, damals noch unter einer Berliner Adresse, registrieren lassen. Das Portal wurde jahrelang aus den Räumlichkeiten einer Immobilienfirma heraus betrieben, deren Hauptgesellschafter S. heute ist. Dort bearbeitete ein Webadministrator die Fotos, unterlegte Videos mit Musik und beantwortete Kundenanfragen.

Die Inhalte für die Website, offenkundig ein Nischenangebot für Kunden mit päderastischen Neigungen, stammen ganz überwiegend nicht aus Deutschland. Sie werden in Polen, Tschechien und der Slowakei hergestellt. Von obskuren Gestalten wie Václav Huspek, einem rechtskräftig verurteilten Kriminellen, der der Produktion von Kinderpornografie überführt wurde.

Rückblende. In einem Wald bei Kostelec nad Orlicí, einem beliebten Ausflugsziel am Rande des tschechischen Adlergebirges, bezieht Huspek zusammen mit dem Engländer John Kieron Power die “Villa Mirov”. Das heruntergekommene Gebäude aus der Gründerzeit mit verspielten Turmaufbauten und einem Wintergarten dient fortan als Drehort für Pornos mit Minderjährigen.

Freiheitsstrafe von fünf Jahren

Mehr als 20 Darsteller im Alter bis zu 18 Jahren, einige jünger als 15, wirken an den Filmen mit. Sie werden von Huspek mit Marihuana und von seinem Kompagnon Power mit Alkohol versorgt. Der Engländer missbraucht einige der Jugendlichen.

Später wird einer von ihnen sagen: “Ich war vielleicht 20-mal dort. Damals war ich 17 Jahre alt. Ich posierte auf einer Liege, habe mich ausgezogen und wurde dabei fotografiert. Dann haben sie mir einen Porno gezeigt und wollten, dass ich beim Ansehen onaniere. Ich habe das zusätzlich bezahlt bekommen. Man sagte mir, die Fotos würden im Internet veröffentlicht.” Schließlich setzt die tschechische Polizei dem Treiben ein Ende.

Nach einem Verfahren durch alle Instanzen wird der damals 21-Jährige Huspek im September 2006 vom höchsten Gericht in Prag zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Nach der Entlassung heiratet er und nimmt den Nachnamen seiner Frau an. Bald darauf zieht es ihn nach Berlin – zu seinem Freund Klaus S., dem Betreiber von “AlexBoys”.

Fehlende Altersnachweise bei Darstellern

Zu Huspek befragt, sagt S.: “Ich kenne den, ja, er ist ein Freund von mir, ja, ich habe dem eine Zeit lang geholfen.” Heute habe Huspek nichts mehr mit “AlexBoys” zu tun: “Der ist raus.” Eine Frage lässt S. offen: Befindet sich auch in der “Villa Mirov” produziertes Material auf “AlexBoys”?

Genau das vermutet ein Kenner des Unternehmens. Und noch mehr. Klaus S. soll gesagt haben, Huspek habe ihn vor dem Gefängnis bewahrt, denn dieser habe ihn nach seiner Verhaftung in Tschechien nicht belastet. Bei älterem pornografischem Material, das sich weiterhin auf der Seite “AlexBoys” befinde, verfüge Klaus S. vielfach nicht über notwenige Altersnachweise der Darsteller.

Damit konfrontiert schweigt S. Schriftlich teilt er lediglich mit: “Ich betreibe Internetseiten für Erotikmodels, und das Gewerbe wird unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen betrieben.” Er könne die durch Recherchen der “Welt am Sonntag” gewonnenen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen “nicht bestätigen”.

Strafrechtlich nicht relevant

Muss sich ein Kunde von “AlexBoys” wie Sebastian Edathy für solche Zusammenhänge interessieren? Nein, sagt sein Anwalt. Das Webangebot sei “öffentlich zugänglich und nicht verboten”, es handele sich “allem Anschein nach” um eine legale Seite, deren Nutzung “damit strafrechtlich nicht relevant” sei, teilt Noll mit.

Strafrechtlich nicht relevant: Dieses Argument hatte der Jurist schon nach Bekanntwerden von Edathys Kanada-Käufen ins Feld geführt. In einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover führt Noll aus: “Was legal ist, ist auch immer privat. Was jemand in seinen vier Wänden macht, geht die Öffentlichkeit nichts an, auch nicht bei dieser Thematik.”

Als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren darf Edathy selbstverständlich so argumentieren. Für den Politiker Edathy allerdings wirkt diese Verteidigung bestenfalls naiv. Der Sozialdemokrat gehörte nicht nur gut anderthalb Jahrzehnte dem Deutschen Bundestag an und war zuletzt Vorsitzender des politisch so wichtigen NSU-Ausschusses, und das sehr erfolgreich. Schon 2005 ließ er sich zum Vorsitzenden des Innenausschusses ernennen, an dessen Spitze er vier Jahre stand. Danach war er Mitglied im Rechtsausschuss. In diesen Funktionen hatte er immer wieder mit Themen aus dem Bereich Kinder- und Jugendpornografie zu tun.

Keine eindeutigen Belege

Edathy war etwa beteiligt, als der Bundestag 2008 den “Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie” umsetzte. Er dürfte zahlreiche parlamentarische Anfragen und Debatten mitbekommen haben, in denen es um kommerzielle sexuelle Gewalt und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen ging. Eines jedenfalls kann der routinierte Politiker kaum für sich in Anspruch nehmen: nicht zu wissen, dass Material, wie es auf “AlexBoys” zu sehen ist, meist unter höchst fragwürdigen Umständen hergestellt wird.

Und die strafrechtliche Dimension? Paragraf 184c des Strafgesetzbuches stellt den Besitz von jugendpornografischen Schriften unter Strafe. Ein Besitz ist schon dann gegeben, wenn das Material auf dem Computer zwischengespeichert wird.

Dafür, dass auf “AlexBoys” allerdings Personen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren bei sexuellen Handlungen zu sehen sind, gibt es keine eindeutigen Belege. Und selbst wenn es sie geben würde, könnten Käufer der Aufnahmen sich damit herausreden, dass die Minderjährigkeit für sie nicht erkennbar war.

Offenbar befindet man sich wieder in einem jener Grenzbereiche, auf die die Staatsanwaltschaft Hannover im Verfahren gegen Edathy hingewiesen hat.

Klarheit hätte möglicherweise das Bundeskriminalamt schaffen können. Bei der Wiesbadener Behörde ging nach Informationen der “Welt am Sonntag” am 5. Mai 2012 ein anonymer Hinweis zu angeblichen Rechtsverstößen im Zusammenhang mit “AlexBoys” ein. Doch Folgen hatte das offenbar nicht. Hätte man genauer hingeschaut, wäre man vielleicht schon früher auf den Namen von Edathy gestoßen.

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Herr Niemand, das Phantom des deutschen Fernsehens

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Herr Niemand, das Phantom des deutschen Fernsehens

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Manche Geschichten sind so absurd, dass man sie für eine Fiktion halten muss. Diese hier handelt von einem der wichtigsten deutschen Fernsehproduzenten, dessen Sendungen von so vielen Millionen Deutschen gesehen werden, dass fast jeder seine Sendungen kennt oder zumindest ihren Namen schon einmal gehört haben muss. Weil der Produzent dubiose Geschäfte mit einem früheren TV-Macher eines großen Senders gemacht hat, hat ihn ein Leipziger Gericht Anfang des Jahres mit einem Strafbefehl belangt.

Diese Geschichte handelt außerdem von drei Kölner Richterinnen, die mal eben aus diesem Fernsehproduzenten praktisch ein Phantom gemacht haben. Einen Mann ohne Gesicht, Namen und Firma. Nennen wir ihn einfach Herrn Niemand, denn es ist jetzt verboten, seinen tatsächlichen Namen zu nennen. So haben es die Richterinnen beschlossen. Deshalb empfiehlt es sich auch, den Namen des großen Senders nicht mehr zu nennen. Denn sonst könnte man ja leicht herausfinden, wer Herr Niemand wirklich ist.

Die Geschichte fängt so an: Im Juni 2011 wurde der bis dahin sehr einflussreiche Unterhaltungschef des großen Senders suspendiert. Er hatte – freundlich formuliert – sehr freihändig mit Geldzahlungen von Zigtausenden Euro jongliert, Schulden gemacht, Schulden begleichen lassen, alles im Namen seines Senders, aber ohne dessen Wissen. Wir hatten – vor allem in der „Welt“ – wesentlich dazu beigetragen, die Hintergründe und Details dieser Affäre aufzudecken. Als schließlich die Staatsanwaltschaft Leipzig anfing, in der Sache zu ermitteln, hatten fast alle namhaften deutschen Medien über die Affäre berichtet: Spiegel, Süddeutsche Zeitung, FAZ, Bild und viele mehr.

In vielen dieser Berichte tauchte der Name des Fernsehproduzenten Herr Niemand auf. Denn auch Herr Niemand hatte dem Unterhaltungschef Geld gezahlt und man wusste nicht so genau wofür eigentlich. Herr Niemand, der auch Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande ist, wollte es auch nicht erklären, jedenfalls nicht der Presse. Herr Niemand war eigentlich immer im Urlaub oder saß gerade im Flugzeug, wenn man in seinem Büro anrief. Auch auf Mails und SMS reagierte er nicht. Herr Niemand schien sich offenbar nicht weiter daran zu stören, dass sein Name ständig in den Medien war.

Dann gab es eine bundesweite Razzia. Beamte schauten auch bei Herrn Niemand vorbei, der plötzlich Erklärungsbedarf hatte. Sein Firmensprecher räumte ein, dass Ermittler „im Büro sowie in der Wohnung“ von Herrn Niemand waren und „zwei Leitz-Ordner mit Unterlagen zu Geschäftsvorgängen mit dem [im Zitat steht hier das Kürzel des großen Senders, das man aber besser nicht mehr nennt, weil dadurch Herr Niemand identifiziert werden könnte] mitgenommen” hatten. Herr Niemand, dem Bestechungsdelikte vorgeworfen wurden, wolle „vollumfänglich“ kooperieren wolle.

So gingen mehr als zwei Jahre ins Land.

Im Oktober 2013 klagte die Staatsanwaltschaft Leipzig mehrere Männer an, die in die Affäre verstrickt sind. Einer bekam einen Strafbefehl: Herr Niemand, wie sich herausstellte. Darüber haben wir Anfang des Jahres berichtet. Wir haben in unserem Beitrag unter anderem den Sprecher des Amtsgerichts Leipzig zitiert: „Der Strafbefehl gegen Herrn [ab sofort: Niemand] ist am 3. Januar erlassen und seinen Anwälten am 8. Januar zugestellt worden.” Oder den führenden Kopf einer TV-Anstalt: „Der Strafbefehl hat das Spiel verändert. Wird die Entscheidung des Gerichts rechtskräftig, dann ist eine Zusammenarbeit mit Herrn [Niemand] schwierig.“

Der Strafbefehl brachte Herrn Niemand erneut in die Schlagzeilen, viele Medien berichteten: die Nachrichtenagentur dpa, Süddeutsche Zeitung, Berliner Zeitung, taz, Berliner Morgenpost, Bild. Herr Niemand hat den Strafbefehl angefochten, deshalb könnte es bald zu einem Prozess kommen. Das würde bedeuten: wieder Schlagzeilen. Davon hat Herr Niemand jetzt offenbar genug, er schaltete einen Medienanwalt ein. Der ging zum Landgericht Köln und wollte verbieten lassen, dass Herr Niemand mit vollem Namen in den Zeitungen und im Internet steht und mit so unschönen Dingen wie einem Strafbefehl in Verbindung gebracht wird.

Das Landgericht Köln sah das nicht ein. Es entschied, eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei durch die identifizierende Berichterstattung nicht gegeben. Es handele sich um eine Berichterstattung über wahre Tatsachen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Produzenten stünden. Und daran habe die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse. Fotos von Herrn Niemand illustrierten ein zeitgeschichtliches Ereignis und dürften gedruckt werden.

Das wiederum sah Herrn Niemands Medienanwalt nicht ein. Er ging zum Oberlandesgericht Köln und trug sein Anliegen nun den drei Richterinnen vor. Die hatten ein Einsehen mit dem armen Herrn Niemand und seinem armen Medienanwalt. Deshalb darf Herr Niemand jetzt nicht mehr mit seinem richtigen Namen in den Medien auftauchen und Fotos von ihm dürfen nicht mehr veröffentlicht werden. Die Presse darf auch keine Details nennen, mit denen Herr Niemand identifiziert werden könnte. Nicht den Namen seiner Firma, obwohl die sich allerlei Tricks einfallen ließ, damit Herr Niemand rein formal nicht mehr die Geschäfte führt. Und es ist besser, auch seine Auftraggeber nicht namentlich zu nennen. Wenn man Herrn Niemand deshalb identifizieren könnte, würde das bis zu 250.000 Euro kosten.

Das ist, als hätte man in der Berichterstattung über die hinterzogenen Steuern des ehemaligen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß weder seinen Namen noch seinen Verein noch die Tatsache erwähnen dürfen, dass dieser Verein Deutscher Meister ist und die  Champions League gewonnen hat. Denn dann könnte man ja ganz leicht darauf kommen, dass der (inzwischen: Ex-) Präsident in Wirklichkeit Herr Hoeneß ist. Jedenfalls hätten Medien solange nicht identifizierend berichten dürfen, bis das Urteil rechtskräftig wurde.

Doch das beirrte die drei Richterinnen nicht. Es beirrte sie auch nicht, dass es an den berichteten Tatsachen gar keinen Zweifel gibt. Herr Niemand behauptet nämlich nicht, dass irgendetwas an unserer Berichterstattung nicht stimme. Es ist nur so, dass er seine Verfehlung plötzlich wie eine Privatsache behandelt wissen will. Ausgerechnet jetzt, da es den Strafbefehl gibt. Die drei Richterinnen des Kölner Oberlandesgerichts finden das in Ordnung. Sie haben beschlossen, dass solche Veröffentlichungen Herrn Niemand in seiner Sozialsphäre betreffen. Die sei wichtiger als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Deshalb darf Herr Niemand nun ein Anonymus sein, unbehelligt Fernsehsendungen machen, übrigens auf Kosten der Gebührenzahler. Die erfreulichen kleinen Geschichten über Herrn Niemand dürfen weiterhin erzählt und gezeigt werden, natürlich auch mit Fotos von Herrn Niemand und seinem richtigen Namen. Und natürlich darf man dann auch den Namen seiner Firma nennen. Die weniger schönen Geschichten darf man nicht erwähnen. Wer über sie berichten will, muss Namen und Fernsehsender und Orte verfremden bis zur Unkenntlichkeit. Bis man kaum noch weiß, ob diese Geschichte in Deutschland spielt oder in Absurdistan, heute oder vor langer, langer Zeit.

Fortsetzung folgt, auch an dieser Stelle.

 

 

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Strafanzeige gegen das Bundeskriminalamt

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Strafanzeige gegen das Bundeskriminalamt

Die Edathy-Affäre beschert dem Behördenchef des BKA, Jörg Ziercke, nichts als Ärger. Nun hat er es auch noch mit einer Strafanzeige zu tun – wegen des Verdachts auf Veruntreuung von Haushaltsgeldern.

Von Manuel Bewarder , Martin Lutz und Uwe Müller

Wird ein Polizist mit Kinderpornos erwischt, kennt der Dienstherr keine Gnade. So geschehen bei einem Hauptkommissar der Bundespolizei: Er wurde sofort aus dem Dienst entfernt, obwohl er die Tat in der Freizeit begangen hatte. Der Beamte klagte dagegen – und verlor krachend in allen Instanzen. Zuletzt im September vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Seine berufliche Existenz liegt in Scherben. Und statt einer stattlichen Beamtenpension wird er einmal eine karge Rente beziehen.

Ganz ähnlich gelagert ist der Fall eines leitenden Kriminaldirektors. Dieser Mann, hier mit D. abgekürzt, hatte sich ebenfalls privat strafrechtlich relevantes Material beschafft. Er wurde allerdings weder entlassen, noch wurde ihm die Pension aberkannt. Stattdessen versetzte man den 58-Jährigen in den gut bezahlten vorzeitigen Ruhestand. Das Pikante dabei: D. war Spitzenbeamter im Bundeskriminalamt (BKA)  und hatte Kinder-Nacktbilder beim selben Anbieter in Kanada bestellt wie der SPD-Politiker Sebastian Edathy.

BKA-Präsident Jörg Ziercke ist in der Edathy-Affäre schwer in Bedrängnis geraten. Zwei Jahre lang will niemand in seiner Behörde bemerkt haben, dass auf der innerhalb des BKA kursierenden Liste von 800 deutschen Kunden des kanadischen Kinderporno-Händlers auch der Name eines prominenten Bundestagsabgeordneten stand. Das sorgt schon für genug Ärger. Doch dann ist auch noch der Fall D. publik geworden.

Verdacht auf Veruntreuung von Haushaltsgeldern

Ziercke hatte das Vergehen des Kollegen bei seinen Befragungen im Innenausschuss des Bundestages mit keiner Silbe erwähnt. Das empörte die Abgeordneten. Weil es auch anschließend nur dürftige Antworten gab, hat die Opposition in dieser Woche beschlossen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Das ist noch nicht alles: Der “Welt” liegt eine Strafanzeige vor, die jetzt bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingereicht wurde. Der Verdacht: Veruntreuung von Haushaltsgeldern im Zusammenhang mit D.

Die Anzeige richtet sich gegen “unbekannt”, betrifft aber das BKA und das zuständige Bundesinnenministerium von Thomas de Maizière (CDU). Eine Fachanwältin für Verwaltungsrecht einer Freiburger Kanzlei unterstellt einen Vermögensschaden. Dieser sei dem Staat entstanden, weil D. in unangemessener Weise versorgt wurde. Es ist ein schwerer Vorwurf: Untreue wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet.

Das BKA hat rund 5000 Mitarbeiter. Der Familienvater D. gehörte zur Elite des Amtes. Zuletzt leitete er die Rauschgifteinheit mit vier Referaten. Schon als 33-Jähriger verfasste er einen Text für die Festschrift zum 75. Geburtstag des legendären Behördenleiters und RAF-Jägers Horst Herold. Kurz darauf war er Chef der BKA-Schnittstelle zu Interpol. Dann folgte mit A 16 der Aufstieg in eine Besoldungsgruppe, mit der auch Professoren ausgezeichnet werden. Eine Bilderbuchkarriere, bis zum 10. Januar 2012.

D.s Welt bricht zusammen

An jenem Dienstag sichtet eine BKA-Sachbearbeiterin die Kundenliste aus Kanada. Dabei sticht ihr der Name von D. ins Auge. Die junge Beamtin ist entsetzt. Sie arbeitet in der gleichen Abteilung wie der leitende Kriminaldirektor, aber in einer anderen Gruppe. Ziercke wird umgehend informiert. Interne Ermittler machen sich an die Arbeit, am 1. Februar übernimmt die Staatsanwaltschaft Mainz das Verfahren.

Kurz nach Ostern, am 13. April 2012, wird das Haus von D. durchsucht. Seine Welt bricht zusammen. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft hatte er zweieinhalb Jahre lang sowohl kinder- als auch jugendpornografisches Material bestellt. Der Beamte akzeptiert Ende 2012 die vergleichsweise schwere Strafe von 120 Tagessätzen. Er ist damit vorbestraft. Bemerkenswert ist, wie nun das disziplinarrechtliche Verfahren abläuft.

Anders als jener Hauptkommissar der Bundespolizei, der ohne Vorstrafe davonkam, wird D. nicht umgehend entlassen. Vielmehr wird er Ende vergangenen Jahres in den Ruhestand geschickt und bezieht jetzt selbstverständlich Ruhegehalt. Dieses ist nur etwas gekürzt worden. Und das nicht etwa für unbestimmte Zeit, sondern befristet, wie diese Zeitung erfuhr. Laut Gesetz ist ein solcher Einschnitt auf höchstens 20 Prozent begrenzt und kann für maximal drei Jahre verhängt werden. Selbst dieser Rahmen soll nicht ausgeschöpft worden sein.

D. habe sein Handeln bedauert

Warum kam D. so glimpflich davon? Mehrere Anfragen dieser Redaktion wollten BKA und Innenministerium nicht beantworten. Allerdings hat diese Redaktion von einem nicht öffentlichen Rechtfertigungsschreiben des parlamentarischen Innenstaatssekretärs Günter Krings (CDU) erfahren. Darin heißt es, der Beamte sei geständig sowie dienstrechtlich nicht vorbelastet gewesen. Er habe sein Handeln bedauert. Das Vorgehen sei auch im Vergleich zu ähnlichen Fällen verhältnismäßig. Der ehemalige Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche sagte Abgeordneten, auch “Gesundheitsgründe” hätten eine Rolle gespielt.

In der Strafanzeige der Anwältin aus Süddeutschland wird diese Argumentation auf sechs Seiten auseinandergenommen. Die Juristin listet alle möglichen Beweggründe von BKA und BMI auf – am Ende bleibt jedes Mal der Verdacht der Haushaltsuntreue: “Der hochrangige Beamte des BKA hat zweifelsfrei ein schweres Dienstvergehen begangen, das grundsätzlich mit einer Entfernung des Beamten aus dem Dienst zu ahnden gewesen wäre.” Weiter heißt es in der Anzeige, dies entspreche “ständiger höchstrichtlicher Rechtsprechung”.

Die Staatsanwaltschaft Berlin wird diesem Vorwurf nachgehen müssen. “Bei den dienstrechtlichen Konsequenzen infolge der Begehung von Straftaten durch Polizeibeamte legt die Rechtsprechung besonders strenge Maßstäbe an. Gerade von diesen Beamten wird eine besondere Rechtstreue verlangt”, unterstreicht Wolfgang Bosbach (CDU), der Innenausschusschef im Bundestag. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz kündigt an: “Bezüglich des Falls von D. sehen wir weiteren Aufklärungsbedarf.”

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Deutscher Putin-Unterstützer gibt den Russland-Experten

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Deutscher Putin-Unterstützer gibt den Russland-Experten

Keiner ist in den deutschen Medien so oft als Russland-Experte vertreten wie Alexander Rahr. Der Historiker ist der sichtbarste Vertreter eines Netzwerks von Experten, die dem Kreml nahestehen.

Von Dirk Banse, Florian Flade und Uwe Müller

Alexander Rahr ist sichtlich bemüht, nicht als Kreml-Propagandist wahrgenommen zu werden. Es ist Mittwoch, und Rahr tritt im ZDF-”Morgenmagazin” auf. Der Medienstar unter den Russland-Experten wählt seine Worte mit Bedacht, als er zur Ukraine-Krise befragt wird, übt Kritik an beiden Konfliktparteien. “In der Tat zündelt Russland im Osten der Ukraine. Andererseits leben dort viele Menschen, die sich von der Zentralregierung in Kiew im Stich gelassen fühlen”, sagt er.

Gegenüber russischen Medien spricht der 55-Jährige ganz anders. Da agitiert er auf Linie der Moskauer Führung und greift den Westen scharf an. Erst vor wenigen Tagen sagte er der russischen Duma-Zeitung “Parlamentskaja Gazeta”, die Europäische Union beabsichtige nicht nur die Ukraine für sich zu gewinnen, sondern auch “Georgien und Armenien und sogar Weißrussland vom russischen Einfluss zu befreien”.

Die EU ist also der Aggressor, der sich sogar das vom Autokraten Lukaschenko regierte Weißrussland einverleiben will. Das hat zwar keinen Bezug zur Realität, emotionalisiert aber die russische Bevölkerung. Solche Sätze hört man im Kreml gern.

Rahr gilt auch in Deutschland als idealer Gesprächspartner. Er hat russische Wurzeln, spricht beide Sprachen perfekt, argumentiert klar und deutlich. Und noch etwas macht ihn zu einem gefragten Experten für die Medien: Er hat einen direkten Draht zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Rahrs Netzwerk interessiert Moskau

Der Kreml interessiert sich aber nicht nur deshalb für Rahr, weil er ständig auf Sendung ist. Der in Taipeh geborene und in Deutschland aufgewachsene Historiker ist ein Netzwerker. So koordiniert er im Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs die Arbeitsgruppe Zukunftswerkstatt und ist Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums.

Allerdings stehen beide Formate, in denen Rahr eine wichtige Rolle spielt, in der Kritik. “Diese Organisationen waren einst gegründet worden, um den Dialog zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder zu fördern”, sagt Stefan Meister, Osteuropa-Experte des European Council on Foreign Relations. “Ziel war es auch, unsere westlichen Werte wie Demokratie, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln. Doch inzwischen werden die Organisationen auch missbraucht, um Lobbyarbeit für Wirtschaftsinteressen zu betreiben und ein positives Russland-Bild in der deutschen Öffentlichkeit zu präsentieren.”

Beim Blick auf die Mitgliederlisten des Führungspersonals fällt auf, dass insbesondere Repräsentanten der Wirtschaft gut vertreten sind. Im Vorstand des Deutsch-Russischen Forums sitzt beispielsweise mit Michael Sasse der Presse- und Kommunikationschef des Kasseler Öl- und Gaskonzerns Wintershall. Die BASF-Tochter kooperiert seit 1990 eng mit Gazprom. Der weltgrößte Erdgasproduzent übernimmt gerade von den Deutschen das Handels- und Speichergeschäft, die dafür im Gegenzug Explorationrechte in Sibirien erhalten.

CDU und Grüne kritisieren den Historiker

Mit Wintershall steht auch Rahr in Verbindung. Er ist seit Juni 2012 “Senior Adviser” des Unternehmens. Einen Interessenkonflikt zwischen Beraterjob und seinem wissenschaftlichen und medialen Engagement kann er allerdings nicht erkennen. “Ich trenne diese Tätigkeit strikt von meiner ehrenamtlichen Aufgabe als Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums”, versichert Rahr im Gespräch mit der “Welt am Sonntag”.

Die Europapolitiker Werner Schulz von den Grünen und Elmar Brok von der CDU wollen daran nicht glauben. Für Brok ist Rahr kein unabhängiger Wissenschaftler, sondern ein Lobbyist des Kreml. “Die Institutionen wie das Deutsch-Russische Forum und der Petersburger Dialog sind begrüßenswert. Allerdings sollten sie nicht durch Leute wie Rahr unterwandert werden”, sagt Brok.

Schulz sieht Rahr ebenfalls kritisch. Er propagiere die Strategie von Putin, Russland als strategische Rohstoffmacht auszurichten. “Herr Rahr agiert in Deutschland als eine Art Einflussagent des Kreml”, sagt Schulz. Ein schwerer Vorwurf. Gegnerische Mächte nutzen Einflussagenten, um Organisationen im Auftrag der jeweiligen Regierung gezielt zu unterwandern und Desinformation zu betreiben.

Rahr weist die Anschuldigung, von Moskau gesteuert zu sein, entschieden zurück. “Es wäre mir zutiefst zuwider, ein Agent zu sein”, sagte er. Er habe während des Kalten Krieges bei dem von den USA finanzierten Rundfunksender Radio Liberty gearbeitet und damals gelernt, sich in die “Köpfe des Gegners” hineinzuversetzen. Ganz in diesem Sinne wolle er heute den Deutschen erklären, wie Moskaus Führung ticke. So verstehe er seine Aufgabe.

“Im Grunde zeigt uns Putin den Spiegel”

Tatsächlich übernimmt Rahr häufig Putins Rhetorik. Mit Russlands mächtigstem Mann verbindet ihn ein besonderes Erlebnis. Rahr berichtet von einem langen Abendessen mit Putin, dem er dabei von seinem Vater erzählt habe. Gleb Rahr, ein Mann der russisch-orthodoxen Kirche, floh einst vor der Roten Armee und wurde anschließend von Nazis ins Konzentrationslager gesteckt.

Nach 1945 profilierte er sich im Westen als Gegner des Kommunismus, der sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs über seine Kirche wieder seiner Heimat annäherte. Putin habe damals spontan beschlossen, seinem Vater die russische Staatsbürgerschaft zu verleihen, sagt der Sohn. So etwas verbindet. So etwas macht dankbar.

Moskau jedenfalls scheint auf Rahr zu setzen, zumal dieser manchmal klare Kante zeigt. So ließ er 2012 eine Journalistin der “Komsomolskaja Prawda” wissen, dass die Amerikaner “den Deutschen das Hirn amputiert” hätten. Der Westen verhalte sich ebenso aggressiv wie die einstige Sowjetunion, wenn es darum gehe, sein Wertesystem in andere Regionen der Welt zu exportieren.

So etwas würde ihm in Deutschland nie passieren. Selten rutschen ihm hierzulande so polarisierende Sätze heraus wie kürzlich in der ARD-Talkshow “Anne Will”: “Im Grunde genommen zeigt uns der Putin den Spiegel. Und sagt das, was ihr vom Westen her in Kiew gemacht habt, Leute in Uniformen umgezogen und Kampftruppen auf dem Maidan aufgestellt, das zeige ich euch, dass das bei mir auf der Krim auch möglich ist.” Und er legte nach, indem er behauptete: “Ja, die Politik von Putin, gegen Amerika gerichtet, dem Westen die Faust zu zeigen, unterstützen viele.”

Ehrenprofessur an der Moskauer Diplomatenschule

Da wundert es nicht, dass für Rahr in Russland die Türen offen stehen. Er ist etwa Ehrenprofessor der Moskauer Diplomatenschule und Mitglied des Konsultativrates des Valdai-Klubs, der einmal im Jahr Russland-Experten ein Treffen mit hochrangigen russischen Politikern ermöglicht. Die Debattierrunde wurde 2004 auf Anregung der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti und des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik Russlands ins Leben gerufen. Präsident Putin schaut gern vorbei.

Putin hat auch den Petersburger Dialog ins Leben gerufen, im Jahr 2001, zusammen mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Dieses Diskussionsforum, das die Verständigung zwischen den Zivilgesellschaften Deutschlands und Russlands fördern soll und auch von Rahr repräsentiert wird, sorgt seit geraumer Zeit für viel Frust auf deutscher Seite.

So hat sich erst jüngst die renommierte Hamburger Körber-Stiftung nach zwölf Jahren als Sponsor zurückgezogen. Begründung: Auf russischer Seite habe sich der Ton derart verschärft, dass ein Dialog kaum noch möglich gewesen sei.

Ähnliche Vorbehalte werden mittlerweile auch gegenüber dem Deutsch-Russischen Forum mit seinem Forschungsdirektor Rahr laut. In dem illuster besetzten Kuratorium, dessen Vorstandsvorsitz jetzt der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) übernommen hat, findet sich unter anderem der Name von Hans-Joachim Gornig, dem ehemaligen stellvertretenden DDR-Minister für Energie und Kohle, der später als Chef von Gazprom Germania hartgesottene Stasi-Spitzel in Führungspositionen beschäftigte.

Ex-Stasi-IMs im Deutsch-Russischen Forum

Die russische Seite wiederum hat den Präsidenten der staatlichen russischen Eisenbahn, Wladimir Jakunin, in das Gremium entsandt. Der Putin treu ergebene Manager steht seit März auf der Sanktionsliste der USA. Dazu sagte Jakunin vor wenigen Tagen dem “Handelsblatt”: “Diese ganze Propaganda-Kampagne ist darauf gerichtet, den Präsidenten unseres Landes zu desavouieren.” Die Amerikaner seien einer langjährigen Gehirnwäsche unterzogen worden.

Für das Deutsch-Russische Forum stellt diese Einlassung offenbar kein Problem dar. Der “Welt am Sonntag” teilte das Forum mit, dass Jakunin als Präsident des World Public Forum – Dialog of Civilizations wirke, eine internationale NGO. “Dieses Forum engagiert sich seit zehn Jahren für den Dialog der Kultur der ganzen Welt”, heißt es.

Zum Kuratorium des Deutsch-Russischen Forums gehört auch der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, den das Ministerium für Staatssicherheit als Inoffiziellen Mitarbeiter mit dem Decknamen “Czerny” geführt hatte. Der 74-Jährige, der eine Spitzeltätigkeit bestreitet, hat zudem den Vorsitz des Lenkungsausschusses des Petersburger Dialoges inne.

Dort wirkt André Brie mit, der fast zwei Jahrzehnte als IM “Peter Scholz” für Mielkes Spionageabwehr im Einsatz war. Dazu teilt eine Sprecherin des Petersburger Dialoges mit, Brie sei im Jahr 2001 von der PDS in seiner Funktion als Abgeordneter des Europäischen Parlaments nominiert worden. Der Lenkungsausschuss bestehe aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus allen Bereichen der Gesellschaft, die sich ehrenamtlich engagierten.

“Kein unabhängiges Gesprächsforum mehr”

Der frühere Russland-Beauftragte der Bundesregierung und stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Andreas Schockenhoff, selbst Mitglied des deutschen Lenkungsausschusses, sieht das anders: “Der Petersburger Dialog ist kein unabhängiges Gesprächsforum mehr.” Der Kreml steuere, wer am Petersburger Dialog von russischer Seite teilnehme und wer nicht.

Putin-Kritiker kämen nicht zu Wort. “Die Breite der russischen Zivilgesellschaft ist dort nicht vertreten. Gerade darin aber läge die Chance, über Politik und Wirtschaft hinaus mit Russland Beziehungen aufzubauen. Diese Chance wird von der russischen Führung nicht nur nicht gewollt, sondern auch unterbunden”, kritisiert Schockenhoff.

Er habe mehrfach versucht, Gesprächspartner mit kritischerem Ansatz in den Petersburger Dialog zu holen. Das sei allerdings auf wenig Gegenliebe gestoßen. Vor allem von russischer Seite werde dieses Forum missbraucht. “Deren Vertreter sind gesteuert, um die Politik Moskaus salonfähig zu machen”, sagt Schockenhoff.

Hingegen hält der Petersburger Dialog an Rahr fest. Die von ihm geleitete Arbeitsgruppe Zukunftswerkstatt setze sich aus jungen Nachwuchskräften beider Länder zusammen, die einen intensiven Gedankenaustausch über die Zukunft des deutsch-russischen Verhältnisses führen, heißt es auf Anfrage.

“Russland-Experten” im öffentlich-rechtlichen TV

Rahr braucht Plattformen wie den Petersburger Dialog und das Deutsch-Russische Forum, um seinen Einfluss nicht zu verlieren. Noch vor zwei Jahren war er Leiter des renommierten Berthold-Beitz-Zentrums in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), für die er 18 Jahre gearbeitet hatte.

Sein Nachfolger wurde Ewald Böhlke. Dessen Biografie wirft ebenfalls Fragen auf. So studierte er bis 1989 Philosophie an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. 1992 schrieb er mit Michael Brie, der wie sein Bruder André Stasi-IM war, das Buch “Russland wieder im Dunkeln”.

Aus diesem Milieu wechselte er 1995 zur Daimler AG – als Zukunftsforscher. Böhlke wollte sich dazu nicht äußern. Die DGAP lobt ihn in den höchsten Tönen: “Ewald Böhlke wurde unter einer Vielzahl von Bewerbern aufgrund seiner ausgezeichneten Russland-Expertise und seiner Berufserfahrung als langjähriger Mitarbeiter in einem internationalen Konzern ausgewählt.”

Das meinen offenbar auch die Fernsehsender. Nachdem Rahr am Mittwoch zum Ukraine-Konflikt im ZDF-”Morgenmagazin” befragt worden war, trat am Donnerstag Böhlke mit ähnlichen Thesen wie am Vortag Rahr auf. Auch er war “Russland-Experte”. Was für ein Zufall.

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Brisante Dateien auf Edathys Laptop

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Brisante Dateien auf Edathys Laptop

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Hat er sich strafbar gemacht oder nicht? Der Fall Sebstian Edathy könnte eine neue, brisante Wende nehmen. Bislang hatte sich der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete stets darauf berufen, sich niemals strafrechtlich relevantes Kinderporno-Material beschafft zu haben. Ein Abschlussbericht des Landskriminalamtes (LKA) Niedersachsen sieht dies offenbar anders. Die “Süddeutsche Zeitung” und der NDR meldeten am Freitag unter Berufung auf den Bericht, dass von Edathys Bundestags-Laptop aus im Internet mehrfach Bilder und Filme mit strafbaren Kinder-Darstellungen aufgerufen worden seien.

Die Computer-Verbindungsdaten des Bundestagsservers hätten den Nachweis erbracht, dass alleine im November 2013 mindestens 21 Bilddateien mit strafbarem kinderpornografischen Inhalt über Edathys Laptop aufgerufen wurden. Den Laptop hatte Edathy im Februar gestohlen gemeldet. Allerdings konnten die LKA-Ermittler offenbar auf die Serverdaten zugreifen, da diese drei Monate gespeichert werden. Ob die neuen Erkenntnisse ausreichen, um Edathy anzuklagen, muss sich allerdings erst noch herausstellen.

Zu den rekonstruierten Daten schreibt die SZ:

“Dabei handelt es sich nicht um die bereits bekannten Bestellungen Edathys bei dem kanadischen Anbieter “Azovfilms”, die als strafrechtlich irrelevant gelten.”

Die Darstellung ließ uns aufhorchen, bestätigt sie doch unsere Recherchen. Bereits im Februar hatten wir in einem Artikel in der “Welt am Sonntag” darüber berichtet, dass Sebastian Edathy eben nicht nur bei Azovfilms Kunde war, sondern auch bei dem Porno-Anbieter “AlexBoys”. Dieser dubiose Online-Shop bietet pornografisches Foto- und Videomaterial an. Nach unseren Recherchen besteht der Verdacht, dass die Darsteller, durchweg Jungen, zum Zeitpunkt der Aufnahmen jünger als 18 Jahre waren. Teilweise soll das Material in Osteuropa produziert worden sein. Auch durch den Missbrauch von Minderjährigen.

Interne Firmendokumente zeigte, dass Sebastian Edathy sich im Zeitraum von 2007 bis 2009 mindestens zweimal einen kostenpflichtigen Zugang zu “AlexBoys” gekauft hatte. Unter dem Kundennamen “Bastian”. Ab September 2012 wurde ein “Bastian” für einen längeren Zeitraum Kunde bei “AlexBoys”. Ob es sich bei dem nun im LKA-Abschlussbericht erwähnten Käufen um das Material von “AlexBoys” handelt, ist bislang unklar. Weder die Staatsanwaltschaft noch das LKA wollen sich zum Inhalt des Abschlussbericht äußern.

In Hannover scheint man über die jüngste Berichterstattung alles andere als erfreut zu sein. Die Staatsanwaltschaft teilte am Montag mit, es werde ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats gegen unbekannt geführt.

Edathy selbst ließ bereits am Freitagabend über Facebook verlauten:

“Aufgrund mehrerer Medienanfragen ist davon auszugehen, dass ein vertraulicher Bericht des LKA Niedersachsen einer Reihe von Journalisten übermittelt worden ist. Dies geschah, bevor dieser meinem Anwalt vorgelegen hat und geprüft werden konnte.

Es ist davon auszugehen, dass es sich – erneut – um eine gezielte Indiskretion der Ermittlungsbehörden handelt. Dies ist eine Straftat. Es ist offenkundig, dass kein rechtsstaatliches Verfahren intendiert ist, sondern ausschließlich eine öffentliche Vernichtung meiner Person, einhergehend mit einer beabsichtigten Vor-Verurteilung.

Vom niedersächsischen Justizministerium erwarte ich Aufklärung, wie es dazu kommen konnte, dass zum wiederholten Mal interne Unterlagen rechtswidrig weitergegeben worden sind und Auskunft darüber, wie vor diesem Hintergrund noch ein den Anforderungen des Rechtsstaats genügendes Verfahren gewährleistet werden kann.”

Am Wochenende wurde zudem bekannt, dass beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde des niedersächsischen SPD-Mannes einging. Edathy will sich so gegen die seiner Meinung nach rechtswidrigen Durchsuchungen in seiner Wohnung zur Wehr setzen. Eine entsprechende Beschwerde beim Landgericht Hannover war zuvor gescheitert.

Im Juni wird sich der Untersuchungsausschuss des Bundestages mit der Causa Edathy befassen. Geklärt werden sollen dann die bislang ungeklärten Fragen:

Hat das Bundeskriminalamt (BKA) die Ermittlungen gegen Edathy verschleppt?
War Edathy vorab über die Ermittlungen gegen ihn informiert? Falls ja, wer hatte ihm dies verraten?

Der Fall Edathy scheint noch lange nicht abgeschlossen.

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WamS-Bericht: Russische Spionage im Fokus der Politik

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WamS-Bericht: Russische Spionage im Fokus der Politik

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Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (l) und Thomas Kremer (r), Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG, Datenschutz, Recht und Compliance

Er habe vor kurzem einen Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand versetzt, erzählte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am Donnerstag auf einem Symposium seiner Behörde in Berlin. Der inzwischen pensionierte Verfassungsschützer hatte jahrzehntelang für die Spionageabwehr des Inlandsdienstes gearbeitet. 

Maaßen war neugierig. Er fragte den erfahrenen Beamten, „was sich denn seiner Meinung nach in diesem Bereich in den letzten Jahren geändert habe.“ Der antwortete trocken: „Eigentlich nichts.“ Froh sei er allerdings darüber, dass die Spionageabwehr jetzt in der öffentlichen Debatte wieder einen höheren Stellenwert einnehme.

Maaßen sagte dazu, das Thema Spionage habe lange Zeit nicht auf der Agenda der Politik gestanden. Nach dem Ende des Kalten Krieges hätten die Machenschaften fremder Geheimdienste in Deutschland kaum noch Beachtung gefunden. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei dann die Bekämpfung des islamistische Extremismus in den Vordergrund gerückt.

Russische Agenten? Chinesische Spione? Das interessierte kaum noch jemand.

Damit ist es nun vorbei. Spionageabwehr wird plötzlich wieder groß geschrieben. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt die NSA-Affäre. Sie hat dramatisch vor Augen geführt, wie leicht scheinbar sichere Daten in die Hände von Dritten geraten können.

Das beunruhigt natürlich auch die Wirtschaft. Deshalb war das diesjährige Symposium des Verfassungsschutz auch dem Thema „Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz“ gewidmet.

Das Fazit der Veranstaltung: Ausländische Geheimdienste sind in der Bundesrepublik so aktiv wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Sie spähen die Wirtschaft, das Militär, die Politik und die Verwaltungen aus. Am aktivsten dabei: Russlands Spione.

Bereits im April hatten wir in der „Welt am Sonntag“ über das Treiben der russischen Geheimdienste hierzulande berichtet. Der Beitrag beleuchtet die Anwerbung von Personen aus dem Umfeld des Bundestages, handelt von Agenten, die als Diplomaten getarnt auftreten und thematisiert die sogenannten „Illegalen“, eingeschleuste Spione, die teilweise Jahrzehnte unter falscher Identität in der Bundesrepublik leben.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hatte nach unserer Berichterstattung eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) zur russischen Spionage gefordert. Daraufhin mussten am Mittwoch sowohl Verfassungsschutzpräsident Maaßen als auch der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, den Mitgliedern des Gremiums Rede und Antwort stehen.

Wie aus Abgeordnetenkreise berichten, bestätigten sowohl Maaßen als auch Schindler massive Anwerbeversuche Aktivitäten der russischen Dienste in Deutschland. Eine zentrale Rolle dabei spiele die russische Botschaft in Berlin. Allerdings sei die Zahl der erfolgreichen Anwerbungen überschaubar, wurde vorgetragen.

BND-Präsident Schindler betonte, dass die russische Führung derzeit in hohem Maße auf Propagandaarbeit setze, um den öffentlichen Diskurs zur Ukraine-Krise in einer Vielzahl von Ländern zu beeinflussen.

Auf dem Symposium warnte Verfassungsschutzchef Maaßen: „Deutschland ist ein wichtiges Aufklärungsziel.“ Die deutsche Wirtschaft müsse sich besser schützen. Dafür sei auch eine stärkere Kooperation von Unternehmen und Verbänden mit seiner Behörde zum Schutz deutscher Forschung und Innovation wünschenswert. „Informationen sind das digitalen Gold des 21. Jahrhunderts“, sagte Maaßen.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte auf der Veranstaltung ein größeres Augenmerk auf feindliche Spionage zu legen. „Sicherheit ist ein Wettbewerbsvorteil“, so der Minister. „Wir werden die Spionageabwehr ausbauen müssen.“

Die Ankündigung des Ministers wurde von Verfassungsschützer positiv aufgenommen. „Wir hoffen auf mehr Personal“, sagte ein Nachrichtendienstler. Allerdings sei noch längst nicht klar, ob das Parlament die Mittel für neue Stellen bewilligen werde.

Minister de Maizière stellte klar, dass sich an der bisherigen Kooperation der deutschen Dienste mit der amerikanischen NSA wenig ändern werde. Trotz Abhörskandal. „Die Vereinigten Staaten von Amerika sind unser wichtigster Verbündeter“, sagte der CDU-Politiker. Man werde die enge Zusammenarbeit beibehalten und sogar intensivieren.

Verfassungsschutzpräsident Maaßen machte wenig Hoffnung auf umfangreiche Aufklärung der amerikanischen Spähaktionen durch den NSA-Untersuchungsausschuss. „Wir wissen nicht wirklich, was die NSA tut“, erklärte Maaßen.

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Nur jeder vierte Internet-Kriminelle wird gefasst

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Nur jeder vierte Internet-Kriminelle wird gefasst

Cyberkriminalität boomt. Vor allem bei der Computersabotage haben die deutschen Behörden Schwierigkeiten, mit den Tätern Schritt zu halten. Dabei wird überhaupt nur jede zehnte Tat bekannt.

Von Martin Lutz, Uwe Müller, Lars-Marten Nagel

Vor dem Internetzeitalter funktionierte Schutzgelderpressung nach der immer gleichen Masche: Ein Gastwirt bekam Besuch von ein paar kräftigen Männern, die ihm nahelegten, sich gegen allerlei Unglück zu versichern. Weigerte sich der Wirt, regelmäßig eine Prämie zu zahlen, flog irgendwann ein Ziegelstein durchs Fenster – oder eine Gruppe Rocker veranstaltete ihr Grillfest vor dem Eingang. Gäste blieben fortan fern.

Die Zeiten haben sich geändert, längst gibt es bei der Schutzgelderpressung neue Methoden. Verbrecher müssen nicht mehr persönlich beim Gastwirt vorbeischauen. Es reicht, sich an den Computer zu setzen. Onlineerpressungen sind ein einträgliches Geschäftsmodell. Das zeigt auch ein Prozess, der in dieser Woche vor der Großen Kammer des Landgerichts Gießen beginnt. Am Donnerstag müssen fünf Männer im Alter zwischen 20 und 26 Jahren auf der Anklagebank Platz nehmen. Ihnen wird vorgeworfen, Dutzende Onlineshops erpresst zu haben.

Die Beschuldigten hatten sich laut Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main in einem Chatforum kennengelernt, dort entwickelten sie vermutlich auch ihre Geschäftsidee. Dabei sind sie offenbar so vorgegangen: Sie bombardierten gezielt Webseiten von Onlineshops so lange mit Klicks, bis diese zusammenbrachen. Kunden konnten nicht mehr bestellen. Diese Überlastungsmethode bezeichnet man als Distributed Denial-of-Service (DDoS) Attack. Die mutmaßlichen Täter bedienten sich dafür eines Netzwerks gekaperter Computer – ein sogenanntes Botnetz.

64.500 Fälle, Tendenz steigend

Cyberattacken von digitalen Schutzgelderpressern ereignen sich immer häufiger. Sie sind Teil der Internetkriminalität, die als Kriminalität mit Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) erfasst wird. Auch hier häufen sich die gemeldeten Straftaten, Fahndungserfolge sind aber eher selten. Das zeigt die neueste Kriminalstatistik,  die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin vorstellen will und der “Welt” bereits vorliegt.

Deutschlands Ermittler zählten im vergangenen Jahr bundesweit rund 64.500 Fälle von Internetkriminalität im “engeren Sinn”. Die Internetkriminalität liegt damit auf Rekordniveau, gegenüber den bereits hohen Vorjahreszahlen ist sie nochmals um 0,7 Prozent angestiegen. Aufgeklärt werden konnte 2013 nur jeder vierte Fall, die Aufklärungsquote fiel sogar leicht.

Unter dem Oberbegriff der Internetkriminalität fasst die Polizei verschiedene Delikte zusammen: etwa Computerbetrug, die Computersabotage oder wenn Kriminelle Daten abfangen oder ausspähen. Auf Computersabotage stehen bis zu drei Jahre Haft, in besonders schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren. Das ist keine gute Botschaft für die Angeklagten in Gießen, denn in der 84 Seiten starken Anklageschrift wird ihnen “Erpressung in Tateinheit mit Computersabotage” vorgeworfen.

Schutzgelddrohung per E-Mail

Ihr Vorgehen ähnelte wohl dem der Rockergangs, die noch selbst beim Wirt im Lokal vorstellig werden. Kurz nach dem DDos-Warnschuss erhielt der Shopbetreiber eine E-Mail mit der Drohung: Wenn er wolle, dass seine Seite im Internet erreichbar bleibe, müsse er einen Geldbetrag per Paysafe-Karte verschicken. Solche Karten kann man an vielen Tankstellen kaufen, sie haben einen 16-stelligen PIN-Code, den man im Internet zur Bezahlung einsetzen kann. Paysafe-Karten funktionieren anonym, für Geldtransfers werden weder Konto noch persönliche Angaben benötigt. Der Nachteil: Die mit ihnen übertragbaren Summen sind eher niedrig.

Die Erpresser, denen jetzt der Prozess gemacht wird, forderten allerdings keine großen Beträge. Mal waren es 100 Euro, mal 500 Euro. Ein ranghoher deutscher Ermittler sagt, das habe Methode: “Der Laden darf nicht kaputt gemacht werden. Forderungen werden der Leistungsfähigkeit der Firma angepasst.” Ob analog oder digital, bei der Schutzgelderpressung gilt: Die Kuh wird gemolken, nicht geschlachtet.

Deutlich höher als die Schutzgeldforderungen war der Schaden, der durch den Ausfall der Webseiten entstand. Die Staatsanwälte gehen von einem sechsstelligen Betrag aus. Ein Onlinehändler bezifferte seinen Umsatzausfall allein auf 40.000 Euro pro Stunde. Die Täter sollen mit der Masche insgesamt 44 Onlineshops erpresst haben, darunter einen Computerhändler aus Gießen. Der Ermittlungserfolg ist vor allem der Arbeit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) zu verdanken, der Außenstelle der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main, in Gießen. Die Beamten hatten bemerkt, dass sich die Mitglieder der Bande unvorsichtig im Internet bewegten. Ihnen gelang es offenbar, eine IP-Adresse dem Computer eines Verdächtigen zuzuordnen. Daraufhin wurde erst sein Telefon überwacht, dann die Wohnung durchsucht.

Durchsuchungen bei 111 Verdächtigen

Das ZIT hat zuletzt mehrfach mit Schlägen gegen die Internetkriminalität auf sich aufmerksam gemacht. Erst im Mai durchsuchten Beamte von ZIT und Bundeskriminalamt (BKA) Wohnungen von 111 Verdächtigen, die die Schadsoftware Blackshades gekauft haben sollen. Blackshades ist ein Trojaner, mit dessen Hilfe Computersysteme ausspioniert und ferngesteuert werden können. Auch den Betreibern von ZeroAccess, einem Botnetz aus mehr als zwei Millionen manipulierten Computern, sind die ZIT-Fahnder auf der Spur.

Ermittlungserfolge sind im Bereich der Internetkriminalität aber eher selten. Insbesondere dem Delikt der Computersabotage stehen die Strafverfolger recht hilflos gegenüber. Die Zahl dieser Fälle ist laut Kriminalstatistik von 10.857 auf 12.766 gestiegen, während die Aufklärungsquote von 17,5 Prozent auf 9,2 Prozent zurückging.

Neben der Internetkriminalität im engeren Sinn gewinnen auch Straftaten an Bedeutung, die mit Hilfe des Internets begangen werden. Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr rund 257.000 solcher Delikte. Das bedeutet eine Zunahme um 12,2 Prozent. Dabei handelte es sich überwiegend um Betrugsdelikte, bei denen das Internet zur Hilfe genommen wurde. Ein Beispiel: Ein Betrüger bestellt per PC Waren, lässt sie sich liefern, zahlt aber nicht.

Polizeidienstellen ohne Internetzugang

Die Zahlen in der aktuellen Statistik bilden Experten zufolge aber bei Weitem nicht die Realität vollständig ab. Denn viele Taten werden nicht angezeigt. Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, erklärt sich das so: “Bei manchen Bürgern ist die Scham über die eigene Dummheit und Gier das treibende Motiv des Schweigens. Denn wer gesteht schon gerne, Tausende Euro versenkt zu haben.”

Geschäftsleute befürchteten beispielsweise für ihre Unternehmen einen Imageschaden, wenn sie eine Attacke bei der Polizei melden. Für Wendt zeigt die Statistik daher nur einen “Bruchteil” dessen, was sich im Internet tatsächlich abspielt.

André Schulz, der Vorsitzende vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) beziffert die Dunkelziffer auf 90 Prozent: “Die Täter sitzen oft im Ausland. Ihre Verbrechen werden dann statistisch in Deutschland gar nicht erfasst.” Der Polizei fehle es nach wie vor an Spezialisten: “In vielen Dienststellen haben die Ermittler immer noch keinen oder einen sehr langsamen Internetzugang.”

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Phantom des Fernsehens: Etappensieg vor Gericht

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Phantom des Fernsehens: Etappensieg vor Gericht

Die MDR-Korruptionsaffäre um Udo Foht, den geschassten Chef der Fernsehunterhaltung, hat uns in den vergangenen drei Jahren viel beschäftigt. Zuletzt haben wir in diesem Zusammenhang über einen der wichtigsten deutschen TV-Produzenten berichtet, Werner Kimmig (Bambi, Echo, Verstehen Sie Spaß?) – und über ein befremdliches Urteil des Oberlandesgerichts Köln. Auch hier. Jetzt hat das Landgericht eine einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts Köln vom 20. März 2014 aufgehoben – nachdem wir Widerspruch eingelegt hatten. Es findet: Die identifizierende Berichterstattung verletzte das Interesse des Produzenten „nicht rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht“. Es ist die nächste Pointe in einer an Volten reichen Geschichte.

Was bisher geschah: Im Oktober 2013 klagte die Staatsanwaltschaft Leipzig mehrere Männer an, die in die Affäre verstrickt sind. Einer bekam einen Strafbefehl: Kimmig, wie sich herausstellte. Darüber haben wir Anfang des Jahres berichtet. Das brachte den Produzenten erneut in die Schlagzeilen, viele Medien berichteten: die Nachrichtenagentur dpa, Süddeutsche Zeitung, Berliner Zeitung, taz, Berliner Morgenpost, Bild.

Kimmig hat diesen Strafbefehl angefochten, deshalb könnte es bald zu einem Prozess kommen. Das würde bedeuten: wieder Schlagzeilen. Er schaltete einen Medienanwalt ein. Der wollte vom Landgericht Köln verbieten lassen, dass der Produzent mit vollem Namen in den Zeitungen und im Internet steht und mit so unschönen Dingen wie einem Strafbefehl in Verbindung gebracht wird.

Das Landgericht Köln sah das nicht ein. Daraufhin ging der Medienanwalt zum Oberlandesgericht Köln und trug sein Anliegen vor. Drei Richterinnen befanden, der Produzent dürfe nun nicht mehr mit seinem richtigen Namen in den Medien auftauchen und Fotos von ihm dürfen nicht mehr veröffentlicht werden.

Nun, wie gesagt, bewertet das Landgericht Köln die Sache anders als das Oberlandesgericht: „Die Berichterstattung ist weder vorverurteilend, noch anprangernd oder den Antragsteller stigmatisierend.“ Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Fall sei erheblich, denn es gehe um einen Bestechungsskandal im gebührenfinanzierten Rundfunk. Das gelte auch für die in den Fall verstrickten Personen. Zumal, wenn sie – wie der Produzent – erheblichen Einfluss auf das Programm hätten. Er sei außerdem nicht so unbekannt, wie er vorgegeben habe, um eine einstweilige Verfügung gegen die Berichterstattung zu durchzusetzen.

Die Kammer entschied, dass die Presse im vorliegenden Fall ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht erfüllen könne, wenn sie den Namen des Produzenten nicht nennen dürfe. Aus unserer Sicht ist diese Begründung erst einmal eine gute Nachricht im Sinne der Pressefreiheit. Gut möglich allerdings, dass es demnächst eine Fortsetzung gibt.

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Vom Stasi-Lehrling zum Topmanager in Russland

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Vom Stasi-Lehrling zum Topmanager in Russland

Ein Sachse steigt in Moskau zum Vizeverlagschef auf. Jüngst löste er den Vertrag mit einem Redakteur auf: Ein Eklat, der durch die Stasi-Vergangenheit des Managers in neuem Licht erscheint.

Von Dirk Banse, Michael Ginsburg und Uwe Müller

Andreas Setzepfandt hat ein Herz für Russland. Der Leipziger lebt seit rund 15 Jahren in Moskau, wo er Vizegeneraldirektor und Personalchef von Burda Russland ist. Der Ableger des Münchner Verlags beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter, gibt Luxus-, Lifestyle- sowie Computer-Zeitschriften heraus. Setzepfandt engagiert sich zudem ehrenamtlich in der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer. Dort ist er stellvertretender Vorsitzender und leitet das Komitee für Personalfragen.

Der 44-Jährige lässt kaum eine Gelegenheit aus, um deutsche Arbeitgeber darauf hinzuweisen, dass sie ihre Angestellten in Russland pflegen sollten. Er empfiehlt, Betriebskindergärten zu gründen, eine Ausweitung der Telearbeit zu prüfen und an Klimaanlagen für die Mitarbeiter zu denken. Vor einem halben Jahr allerdings hat das Bild vom verständnisvollen Personaler einen hässlichen Kratzer erhalten.

Kritik an der Feindseligkeit auf Facebook

Es war im Februar 2014, als Setzepfandt in eine Affäre geriet und einen öffentlichen Proteststurm auslöste. Damals sagte der Moskauer Journalist Dmitri Schulgin, er habe aus politischen Gründen seinen Job bei Burdas Magazin “Computerbild Russia” verloren. Der Redakteur hatte auf seinem Facebook-Profil die Feindseligkeit gegenüber der Ukraine kritisiert: “Mein Land ist krank, wie die Deutschen in den 30er- bis 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts.” Solche Kommentare seien ihm zum Verhängnis geworden, behauptete Schulgin anschließend.

In Deutschland ergriff die “tageszeitung” sogleich Partei für den Kollegen. “Burdas freiwillige Unterwerfung” titelte das Blatt und unterstellte damit dem Verlagshaus Duckmäusertum gegenüber dem Kreml. Der Buchautor Jürgen Roth fragte: “Burda-Verlagshaus als Handlanger des KGB/FSB in Moskau?”

Dafür gibt es keinen Beleg. Die “Welt” ist jetzt allerdings auf einen anderen Geheimdienstbezug gestoßen: Burdas Moskauer Statthalter Setzepfandt war als junger Mann hauptamtlicher Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und wurde darin geschult, wie man politische Gegner effektiv bekämpft.

Keine Veranlassung, die Stasi-Tätigkeit zu melden

Über diesen Teil seiner Vergangenheit hat Setzepfandt bis zur Anfrage dieser Redaktion weder seinen Arbeitgeber Burda noch die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer informiert. “Weil ich keine Veranlassung sah, diese Tätigkeit aus sehr frühen Jahren anzugeben”, begründet er sein Schweigen. Das Thema sei für ihn mit dem Zusammenbruch der DDR abgeschlossen gewesen. Der Sachse will auch nie seine Akte über die Zeit als MfS-Angehöriger eingesehen haben.

Die Dokumente aus dem Stasi-Unterlagenarchiv, die der “Welt” vorliegen, führen direkt zurück zu den Anfängen der Friedlichen Revolution in Leipzig. Während dieser Freiheitsbewegung stand Setzepfandt auf der falschen Seite der Geschichte. In der MfS-Kreisdienststelle Leipzig-Stadt wurde er ab Herbst 1988 an “ausgewählte Probleme der Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion (PID)/politischen Untergrundtätigkeit (PUT)” herangeführt, wie in seinem “Einarbeitungsplan” vermerkt ist. So wurde der Stasi-Lehrling darin geschult, “operative Ermittlungen und Beobachtungen” durchzuführen.

Exzellente Arbeit bei Ermittlungsberichten

Sein Vorgesetzter lobte in bürokratischem Deutsch, der neue Mitarbeiter habe beim “Anfertigen von Ermittlungsberichten, zusammengefassten Auskunftsberichten oder einer aus der Analyse gefertigten zusammengefassten Information” exzellente Arbeit geleistet. Setzepfandt lauschte auch Vorträgen von erfahrenen Kollegen zu Themen wie “Hauptaufgaben und Grundprinzipien der Arbeit des MfS”, “Erkennen von Anzeichen feindlicher Tätigkeit” und “Wachsamkeit, Geheimhaltung und Konspiration”.

Obwohl Stasi-Chef Erich Mielke seinerzeit in Leipzig “Provokateure, Randalierer, Rowdys und andere Kriminelle” wegen “Zusammenrottung” niederprügeln und ins Gefängnis stecken ließ, strebte Setzepfandt genau in dieser Phase eine Offizierskarriere in der Geheimpolizei an. Deshalb nahm er noch am 4. September 1989, als in seiner Heimatstadt immer mehr Bürger gegen das SED-Regime aufbegehrten, ein Studium an der MfS-eigenen Juristischen Hochschule auf. Doch schon im Januar 1990 wurde die Potsdamer Stasi-Universität abgewickelt.

Setzepfandt blieb in der Stadt und studierte Jura an einer gewöhnlichen Hochschule. “Für mich hat damals ein neues Leben begonnen”, sagt der Manager heute. Ein Leben, in dem er sich bestens etablierte: Im August 1999 wurde er in Dresden als Rechtsanwalt zugelassen. Dann ging es nach Moskau, er arbeitete dort zunächst für zwei namhafte Kanzleien, Beiten, Burkhardt, Mittl & Wegener sowie Lovells. Seine Stasi-Zugehörigkeit sieht er rückblickend als Fehler: “Heute würde ich anders entscheiden.”

Auslandshandelskammer bedauert den Vorfall

So einfach wird sich diese Sache aber nicht ad acta legen lassen. Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer, mit rund 850 Mitgliedsfirmen wichtigste Anlaufstelle im bilateralen Geschäft, zeigt sich überrascht von der Verstrickung ihres Vizechefs. Auf Anfrage schreibt sie: “Wir bedauern, dass Herr Setzepfandt sich nicht im Vorfeld zu seiner Vergangenheit geäußert hat”.

Rainer Seele, Präsident der Organisation und Vorstandschef des Kasseler Öl- und Gaskonzerns Wintershall, betont, Setzepfandts Stasi-Zugehörigkeit sei ihm “persönlich in keiner Weise bekannt” gewesen. Die Kammer stelle an die Kandidaten für den Vorstand sehr hohe Anforderungen. Allerdings sehe die Satzung keine Überprüfung von Personen durch Organe der Bundesrepublik Deutschland vor, schreibt Seele weiter.

Redaktionen scheuten Prozesse nicht

Für das Verlagshaus Burda ist der Vorgang besonders heikel. Magazine wie “Focus” und “Superillu” haben mehrfach Stasi-Fälle aufgedeckt. Um die Namen der Geheimdienstmitarbeiter publik machen zu können, scheuten die Redaktionen auch langwierige Prozesse nicht. Jetzt sieht sich ein Manager im eigenen Unternehmen mit seiner Stasi-Vergangenheit konfrontiert. “Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und führen mit Herrn Setzepfandt daher auch entsprechende Gespräche”, teilt die Münchner Zentrale mit.

Allerdings sieht der Verlag keinen Grund, die Affäre um den Redakteur Schulgin neu zu bewerten. Der Journalist hat seinen Job bei “Computerbild Russia” längst verloren. Obwohl Personalchef Setzepfandt das Ende des Arbeitsverhältnisses persönlich besiegelt hat, will Burda diese Akte nicht wieder aufmachen. In Schulgins Arbeitsbuch, einem Dokument, in dem alle beruflichen Stationen von Arbeitnehmern in Russland aufgeführt werden müssen und das der “Welt” vorliegt, prangt an der entsprechenden Stelle der Stempel des Managers: “Chef der Abteilung Arbeit mit dem Personal, A. Setzepfandt”.

Nach Darstellung von Burda ist der Verlag am 20. Februar mit dem Eintrag von Schulgin auf dessen privater Facebook-Seite konfrontiert worden. Dort habe der Angestellte allerdings angegeben, bei Burda Russland zu arbeiten. Laut Verlag ist ihm in einem Gespräch mitgeteilt worden, dass sich Burda Russland von seiner privaten Meinung distanziere. Daraufhin habe Schulgin seine Kündigung eingereicht, Druck sei nicht ausgeübt worden.

Aufforderung, das Unternehmen zu verlassen

Der Betroffene hingegen sagt, er sei von seinen Vorgesetzten zunächst gedrängt worden, öffentlich zu erklären, der Eintrag stamme nicht von ihm. Er könne ja sagen, man habe seinen Account gehackt. Er sei aber nicht bereit gewesen zu lügen, sagt Schulgin. Deshalb habe man ihm gedroht, dafür zu sorgen, dass er als “Extremist” kein Visum mehr für den europäischen Schengen-Raum erhalten werde. Das empfand der Redakteur als ultimative Aufforderung, Burda zu verlassen.

Ein weiterer Facebook-Eintrag, der ihm viel Ärger einbrachte, hat folgenden Wortlaut: “Wenn ich auf der Arbeit und in der Metro die Gespräche höre, habe ich den Eindruck, dass 99,9 Prozent der Russen gleich ein Loblied auf (den Ende Februar 2014 abgesetzten ukrainischen Präsidenten) Janukowitsch singen werden und dazu aufrufen, alle Ukrainer aufzuhängen.” Diese Einschätzung wurde im Netz diskutiert, und ein Nutzer drohte Burda Russland: “,Computerbild Russia’, in diesem Fall sucht Euch einen neuen Mitarbeiter. Wir schicken einen Brief an die Staatsanwaltschaft.”

Der Ex-Vorsitzende des russischen Journalistenverbandes, Igor Jakowenko, hat jetzt im Gespräch mit dieser Redaktion angekündigt, er werde wegen der Affäre Schulgin den Deutschen Journalisten-Verband einschalten. Mit Schulgin zusammen baue er gerade eine Interessenvertretung auf. Ihr Name: “Journalistische Solidarität”.

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