Dubiose Geschäfte: Wie das Geld heimlich durch Berlin geschleust wird
Jedes Jahr fließen Zigmilliarden Euro unter dubiosen Umständen aus Russland ab. Wie die Finanzjongleure vorgehen, zeigt ein Geschäft, bei dem Geld nach Berlin geschleust wird.

Komplexes System: Die Legende (siehe unten im Artikel) enthält wichtige Informationen Foto: Infografik Die Welt
Von Uwe Müller, Marc Neller und Julia Smirnova
Alexandre Rene Garese trägt das Haar halblang, ein Kinnbärtchen, mehr Extravaganz ist nicht. Nicht aufzufallen ist Teil seines Jobs. Die Rechtsberatung Garese & Partners in Moskau läuft unter seinem Namen.
Garese, ein Meister undurchsichtiger Firmenkonstruktionen, ist ein bevorzugter Ansprechpartner, wenn russische Oligarchen diskret Geld anlegen wollen. Roman Abramowitsch, der viele Milliarden, Gemälde, Yachten und den englischen Fußballverein Chelsea London besitzt, soll enge Kontakte zu ihm haben.
Ein Geschäftspartner Gareses ist Nicholas Werner, ein Mann von Mitte 40 mit alt gewordenem Bubengesicht, Deutsch-Russe. Seit Mitte der 90er-Jahre lebt Werner in Berlin, er hat dort ein kleines Verlagsimperium aufgebaut: Die Werner Media gibt Zeitungen und Zeitschriften für die russischsprachige Gemeinschaft in Deutschland und Europa heraus.
Kriminelle Netzwerke – 28 Milliarden außer Landes
Werner war ein gern gesehener Gast der Bundesregierung, scheinbar ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Es gibt Fotos, die ihn unter anderem mit Kanzlerin Angela Merkel zeigen. Jetzt interessieren sich Strafverfolger für ihn. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Werner, wegen Geldwäsche.
Diese beiden Männer, Garese und Werner, machen gemeinsame Sache in einem Schattenreich der Weltwirtschaft, in dem Geld hin- und hergeschoben wird, im Grenzbereich zwischen Legalität und Illegalität. Über das Ausmaß dieses Schattenreiches gibt es keine verlässlichen Angaben.
Allein das Volumen der Geldwäsche weltweit beträgt bis zu fünf Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, schätzt der Internationale Währungsfonds. Finanzminister und Notenbankchefs rufen auf G-20-Treffen regelmäßig den Kampf gegen Geldwäsche zu einer der wichtigsten Aufgaben aus.
Aus Russland, dem Land, in dem Garese wohnt und aus dem Werner kommt, sind nach Angaben des scheidenden russischen Zentralbankgouverneurs im vergangenen Jahr 41 Milliarden Euro abgeflossen, davon rund 28 Milliarden Euro über kriminell operierende Netzwerke – häufig mithilfe von Scheinfirmen und fingierten Geschäften, meist in kleinen Tranchen.
Legal oder illegal? Ermittler tun sich schwer
Die Geschäfte zwischen Garese und Werner zeigen beispielhaft, wie Geld außer Landes gebracht wird. Und warum es selbst für Strafverfolger oft so schwierig ist zu entscheiden, welches Geschäft nur anrüchig ist und welches schon strafbar.
Der “Welt am Sonntag” liegen zu diesen Geschäften Dutzende Verträge, Vereinbarungen, Urkunden und Schreiben vor, die teilweise als “streng vertraulich” deklariert sind. Sie lassen ein System erkennen, das offenbar ersonnen wurde, um 30 Millionen Euro unbekannter Herkunft in eine rechtlich einwandfreie Struktur zu lenken.
Werner sagt, er habe “niemals gegen Gesetze verstoßen”. Während seines gesamten Geschäftslebens habe er sein Geld “ausschließlich mit ehrlicher und legaler Arbeit verdient”. Garese hat keine Fragen dieser Zeitung beantwortet.
Dabei ist er derjenige, der den Geldfluss nach Berlin organisiert. Am Ende wird das Geld auf wundersame Weise dorthin zurückfinden, wo es herkam: zu einer Firma, die Garese vertritt. Ein Teil zumindest. Es wird so aussehen, als sei das Geld legal verdient worden. Ausgeheckt wurde das ausgeklügelte Geschäft in den Jahren 2006 und 2007. Doch es scheint bis heute zu funktionieren.
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1. Marschallinseln, Amsterdam, Berlin: Firmen werden gegründet
Palmen, türkisfarbenes Wasser, azurblauer Himmel. Die Marschallinseln im westpazifischen Ozean sind ein Paradies für Taucher, Abenteuertouristen und findige Geschäftsleute. Denn Offshore-Gesellschaften, die Ausländer hier gründen, müssen keine Ertragsteuern zahlen, keine Bilanzen veröffentlichen. Zahllose Finanzdienstleister preisen den Standort für die garantierte Anonymität. Die “Internetkanzlei GmbH” schwärmt auf ihrer Homepage: “Aus dem diskreten Register kann kein Schnüffler irgendetwas Bedeutendes entnehmen. Weder die Eigentümer der Gesellschaften noch die Direktoren oder Funktionsträger.”
Majuro, Hauptstadt der Marschallinseln, Ajeltake Road. Hier, im “Trust Company Complex” sitzt die Rosetta Associates S.A, eine Briefkastenfirma. Die Gesellschaft wird 2005 gegründet. Dass Garese hinter der Firma steht, weiß nur, wer interne Verträge kennt.
Amsterdam, Keizersgracht 62-64. Hier, in bester Lage, steht ein altes Stadthaus im Patrizierstil, brauner Backstein. Diese Adresse gibt die AG BE Holding B.V. als Geschäftssitz an. Es ist November 2006, als sie ins niederländische Handelsregister eingetragen wird. Zwischen der Keizersgracht und der Ajeltake Road liegen 15.000 Kilometer, doch es gibt eine Verbindung. Garese ist auch in Holland der Mann hinter den Kulissen.
Berlin-Marienfelde, Großbeerenstraße 184–192. Nicholas Werner bereitet die Gründung zweier Firmen vor. Sitz soll ein Gewerbegebiet im Süden der Stadt sein, etwa 20 Autominuten vom Potsdamer Platz entfernt. Im August 2006 lässt Werner die Werner Grundbesitz GmbH und die Werner Group & Co. KG offiziell ins Berliner Handelsregister eintragen.
Alles ist bereit für den Deal.
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2. Dubiose Geldgeber spendabel. Erste Millionen auf Reisen
Wie sich Alexandre Rene Garese und Nicholas Werner kennengelernt haben, verraten sie nicht. Doch Werner scheint beeindruckt: “Ich kenne ihn als ausgesprochenen Fachmann, der sein Handwerk versteht”, sagt er über Garese. Jedenfalls vertrauen beide einander so sehr, dass sie eine heikle Operation planen. Zwei Männer, zwei unterschiedliche Erscheinungen. Feingliedrig, ein Yoga-Anhänger der eine: Garese. Der andere, Werner, ein Berg von einem Mann, ein Freund derber Sprüche. Was sie gemein haben, ist ihr Sinn für Geschäfte und ihr zweifelhafter Ruf.
Garese ist sogar ins Visier von Geheimdiensten geraten. Der Chef des litauischen Dienstes hat darüber im Parlament seines Landes Auskunft gegeben. Man habe, sagte er im Oktober 2003, “Informationen über den französischen Staatsbürger Alexandre Rene Garese”, der auch anderen Diensten bekannt sei.
Demnach soll Garese eine “direkte Verbindung” zur Luschniki-Gruppe haben, die russische Medien hinter diversen Auftragsmorden vermuten. In Deutschland ist das Syndikat im Sommer 2012 in die Schlagzeilen geraten, weil es kurz vor der Fußball-EM in der Ukraine mit maskierten Schlägerbanden Hotels unter seine Kontrolle brachte und von den Fans astronomische Zimmerpreise verlangte.
Zwei Männer mit zweifelhaftem Ruf
Auch Werner, in der Sowjetunion aufgewachsen, hat seine Vergangenheit. Er hat in Berlin außer dem Verlag mehr als ein Dutzend Firmen gegründet und mehrheitlich wieder dichtgemacht oder abgestoßen. Einige seiner Geldgeber fühlen sich von ihm betrogen, mehrere sind vor Gericht gezogen. In einem Urteil des Landgerichts Berlin steht, dass Werner Geschäfte macht, die “absolut sittenwidrig” sind.
Im Frühjahr 2006 aber gilt Werner als integrer Unternehmer, prominente Politiker lassen sich gerne mit ihm fotografieren. Er hat gezeigt, dass man sich in Deutschland auch als Zugewanderter bestens zurechtfinden kann. Die Bundesregierung wird ihn schon bald ins Kanzleramt einladen, zu ihrem ersten nationalen Integrationsgipfel.
30 Millionen werden um die Welt gelotst
Etwa zu dieser Zeit bereiten Garese und Werner ihr Geschäft vor. Rund 30 Millionen Euro werden auf die Reise geschickt. Von verschiedenen Orten wird dieses Geld in acht Tranchen nach Berlin gelangen, zu einer der beiden von Werner neu gegründeten Firmen. Das geht aus den Dokumenten hervor, die der “Welt am Sonntag” vorliegen.
Zunächst lenkt die Firma Timoty Participations S.A. insgesamt 7,5 Millionen Euro an die Werner Group, deren Geschäftszweck laut Handelsregister “genehmigungsfreie Finanzdienstleistungen” sind.
Durch die Werner Group werden nach und nach die gesamten 30 Millionen Euro geschleust, mit mehreren Darlehensverträgen. Woher das Geld kommt, verschleiert Werner. Selbst Vertrauten sagt er die Unwahrheit.
Raffiniertes Konstrukt: Geldgeber im Dunkeln
Ein Viertel der 30 Millionen stellt also Timoty zur Verfügung. Wo die Firma ihren Sitz hat und was ihr Geschäftszweck ist, lässt sich keiner einschlägigen Datenbank entnehmen. Andere von Garese dirigierte Firmen geben auf ihren Korrespondenzpapieren eine Anschrift an, diese Gesellschaft nicht – zumindest nicht auf den Geschäftsunterlagen, die diese Zeitung eingesehen hat.
Timoty ist raffiniert konstruiert. Ihr Geschäftsführer ist eine juristische Person, eine Firma namens A.G. Nominees Ltd. Dass diese Ltd. von Garese vertreten wird, er also über Timoty gebietet, erschließt sich aus internen Aufzeichnungen. Doch auch die verraten nicht, wer hinter Garese steht, in wessen Auftrag er handelt. Das heißt, die Geldgeber haben kein Gesicht, sie bleiben im Dunkeln. Und Garese gibt sich alle Mühe, ihre Anonymität zu wahren.
Garese und Werner sind diejenigen, die handeln. Sie haben die meisten Dokumente persönlich unterschrieben, die für ihre Deals eine Rolle spielen. In diesen Dokumenten ist auch ein Vorvertrag erwähnt, mit dem Timoty und die Werner Group das Darlehen besiegelt haben – und zwar schon im Mai 2006. Da ist die Werner Group noch nicht einmal im Handelsregister eingetragen.
Das System wird noch undurchsichtiger
Die zweite Garese-Firma, die Geld nach Berlin überweist, ist die Rosetta Associates S.A., die Briefkastenfirma auf den Marschallinseln – im Dezember 2006: eine Million Euro, angeblich ebenfalls als Darlehen. Auch bei Rosetta ist der Direktor kein Mensch, sondern eine Firma: die AG Interfin B.V. Der Mann hinter Interfin: Garese.
Am 14. Dezember 2007 wird das System noch etwas undurchsichtiger. An diesem Tag tritt Timoty ihre Forderung über die 7,5 Millionen Euro, die sie der Werner Group geliehen hat, vollständig an Rosetta ab. Das bedeutet, dass Werners Firma jetzt der Briefkastenfirma im Pazifik die gesamten 8,5 Millionen Euro schuldet.
Timoty kann nun nicht mehr mit dem Geld in Verbindung gebracht werden, das in Berlin angelandet ist. Denn die Firma ist in keinem Dokument zu finden, das Außenstehenden oder einer Behörde zugänglich wäre.
Zwei Wochen später, am 28. Dezember 2007, regeln Garese und Werner die Konditionen für das Rosetta-Darlehen. Nachträglich, denn die 8,5 Millionen Euro sind längst ausgezahlt. Noch merkwürdiger sind die Bedingungen. Sie sind in einer dreiseitigen “Vereinbarung” fixiert und alles andere als marktüblich.
Ein Darlehen zu Fabelkonditionen
Die Werner Group muss das Darlehen erst nach zehn Jahren zurückzahlen, “am 31. Dezember 2017″. Und vor allem braucht Rosetta für den Millionenkredit keinen einzigen Cent Zinsen zu zahlen. “Wegen des Charakters der Zahlungen als Wagniskapital”, so steht es in der Vereinbarung. Das sind Fabelkonditionen, die keine Bank einem Kunden gewähren würde. Gerade für Wagniskapital bezahlt man in der Regel besonders hohe Zinsen. Das Risiko, Geld zu verlieren, ist groß. Warum Gareses Großzügigkeit?
Garese beantwortet, wie gesagt, gar keine Fragen. Werner beantwortet keine einzige Frage zu Timoty und Rosetta. Warum? Garese sei integer, richtet Werner nur aus: “Wenn ich auch nur den geringsten Zweifel an ihm selbst, seinen Partnern oder den von ihm investierten Mitteln gehabt hätte, wäre ich mit ihm keine Partnerschaft eingegangen.”
Es fehlt noch die dritte Zahlung, die restlichen 21,5 Millionen, dann sind die 30 Millionen komplett. Dieses Geld fließt über Amsterdam nach Berlin. In vier Tranchen, zwischen Januar und Mai 2007. Als Darlehensgeber tritt die Firma an der Keizersgracht auf, die AG GE Holding B.V., die dritte von Garese gesteuerte Firma. Es ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts. Nichts, was schon auf den ersten Blick anrüchig wirken könnte wie Timoty oder Rosetta.
Auch der Notar erfährt nicht die Wahrheit
Doch auch in diesem Fall weiß man nicht, wem dieses Geld tatsächlich gehört. Und Garese und Werner tun auf einmal sogar so, als hätte die Amsterdamer Firma die gesamten 30 Millionen Euro lockergemacht. Als hätte es Rosetta und Timoty nie gegeben. Selbst gegenüber ihrem Notar behaupten Garese und Werner, die AG GE Holding sei die einzige Geldgeberin. Das ist gelogen.
Ein Anwalt lotst also über drei Firmen viel Geld zu einem Berliner Verleger mit russischen Wurzeln. An eine Firma, deren Geschäft “genehmigungsfreie Finanzdienstleistungen” sind und die viele Jahre lang keine Bilanzen veröffentlichen wird. So geht die Geschichte bisher, kurz zusammengefasst.
Doch in Berlin soll mit den 30 Millionen Euro ja noch etwas geschehen. Werner beginnt, das Geld zu verteilen.
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3. Unansehnliches Grundstück – gekauft und wieder verscherbelt
Die Großbeerenstraße im Berliner Stadtteil Marienfelde ist eine Gegend, in der Berlin langsam ausfranst. Die wenigen Wohnhäuser sind ergraut, eingezwängt zwischen Autohändlern, Möbeldiscountern und Autowaschanlagen mit aufdringlicher Außenwerbung. Hier hat Nicholas Werner bis heute seine Firmenzentrale. Sie grenzt an ein Grundstück, auf dem ein mächtiger Fabrikkomplex steht, früher eine Baumwollspinnerei, heute wird er als Lagerhalle genutzt. Die Wellblechfassade hat lange keine frische Farbe mehr gesehen. In einem vierstöckigen Bürohaus war mal die Verwaltung der Spinnerei untergebracht. Alles ist ein wenig heruntergekommen.
Im Jahr 2006 fließt gut die Hälfte der 30 Millionen Euro, die in der Werner Group anlanden, in den Kauf genau dieses Areals. Es ist nicht bloß ein Immobilienkauf. Kern des Geschäftes ist ein trickreicher “Asset-Deal”: Ein Unternehmensverkauf, bei dem außer der Firma auch ihre Wirtschaftsgüter an den neuen Eigentümer gehen, zum Beispiel ihre Grundstücke.
Doch der Reihe nach. Zunächst einmal stellt die Werner Group, die Geldverteilmaschine, der Werner Grundbesitz GmbH – der zweiten neu gegründeten Werner-Firma – viel Geld zur Verfügung: erst 1,3, dann 15,98 Millionen Euro, macht insgesamt rund 17,3 Millionen. Damit kauft die Werner Grundbesitz das Nachbargrundstück mit dem Fabrikgebäude und Bürohaus. Sie bezahlt 13 Millionen Euro. Das heißt, es bleiben gut vier Millionen übrig. Doch auch die werden schon bald gebraucht. Sie sollen dorthin transferiert werden, wo sie herkamen. An eine Garese-Firma.
Eine absurd hohe Grundschuld: 30 Millionen Euro
Wenig später, im März 2007, lässt Nicholas Werner seinen Notar eine Urkunde aufsetzen. Er macht etwas, was bei einem normalen Geschäft halsbrecherisch erschiene. Er bestellt für das Anwesen in der Großbeerenstraße eine Grundschuld in Höhe von 30 Millionen Euro. Das ist mehr als das Doppelte des Kaufpreises. Üblicherweise wird ins Grundbuch höchstens eine Grundschuld in Höhe des Kaufpreises eingetragen.
Für die AG BE Holding, der von Garese gesteuerten Firma in Amsterdam, ist dieser ungewöhnliche Zug eine feine Sache. Die Grundschuld wird nämlich zu ihren Gunsten eingetragen. Werner sichert der AG GE Holding traumhafte Konditionen zu. Er verpflichtet sich dazu, dass seine Werner Grundbesitz sofort eine “einmalige Nebenleistung” überweist, zehn Prozent der Grundschuld. Das heißt, drei Millionen Euro fließen von Berlin gleich wieder zurück nach Amsterdam. Dazu kommt, dass die Werner Grundbesitz der AG BE Holding jedes Jahr drei Millionen Zinsen zahlen muss. Die sind laut Urkunde “jeweils zum 31. Dezember nachträglich fällig”.
Die Amsterdamer AG GE Holding hat also, zusammen mit Timoty und Rosetta, insgesamt 30 Millionen Euro nach Berlin verliehen – Geld, von dem keiner weiß, woher es wirklich kommt. Und durch den komplizierten Immobilien-Deal hat sie plötzlich einen Anspruch auf ganz legale Einnahmen. Und was passiert als Nächstes?
Amsterdam zeigt sich sehr spendabel
Unmittelbar nachdem Werner die Grundschuld bestellt hat, zeigt sich die AG GE Holding sehr spendabel. Zum 30-Millionen-Euro-Darlehen hatte sie 21,5 Millionen Euro beigesteuert. Davon erlässt sie der Werner Group jetzt 16 Millionen. Schon für das 8,5-Millionen-Euro-Darlehen von Rosetta hatte Garese ihm Traumkonditionen eingeräumt. Keine Zinsen, zehn Jahre Laufzeit. Ob das Geld je zurückgezahlt wird, ist unklar. Vielleicht will sich Garese bloß erkenntlich zeigen. Denn es folgt der Schlusspunkt im Geschacher um die Immobilie an der Berliner Großbeerenstraße: der Asset-Deal.
Nicholas Werner verkauft die GmbH-Anteile seiner Werner Grundbesitz für 25.000 Euro, Grundstück inklusive. Die AG GE Holding übernimmt 94 Prozent, die restlichen sechs Prozent landen aus steuerlichen Gründen bei einer Firma mit Sitz in Lanarca auf Zypern, die von dem russischen Geschäftsmann Dimtri Gimmelberg gesteuert wird.
Der delikateste Teil des Geschäfts
Dieser Teil ist der delikateste des gesamten Geschäfts zwischen Werner und Garese. Was genau ist da geschehen? In Berlin-Marienfelde hat Nicholas Werner die neu gegründete Werner Grundbesitz mit viel Geld ausgestattet. Die Gesellschaft hat eine Immobilie gekauft und wurde mit einer absurd hohen Grundschuld belastet. Sie muss nun Jahr für Jahr drei Millionen Euro Zinsen zahlen. Dazu ist sie aber dauerhaft gar nicht in der Lage. Ihre Einkünfte, Mieteinnahmen, spielen einen Bruchteil der Zinsverpflichtung ein. Das wissen Werner und Garese. Ihnen ist klar, dass die Firma bald wieder entlastet werden muss, weil sonst die Überschuldung droht.
Trotzdem haben Werner und Garese die Konstruktion mit der immensen Grundschuld gewählt. So konnten rasch und unverdächtig Millionen von Berlin nach Amsterdam transferiert werden, als ganz legale Einnahmen. Und von dort womöglich in andere Hände. Zur Erinnerung: Garese ist es gewohnt, reichen Russen bei ihren Geschäften zu helfen.
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4. Werner verteilt Millionen im Firmenreich – und auch an sich
Berlin, Sommer 2013. Nicholas Werner macht als Geschäftsmann eine schwierige Zeit durch. Gläubiger sind hinter ihm her, sie haben Inkassounternehmen und Gerichte eingeschaltet. Vielleicht hat er deshalb sein Verlagsgeschäft auf seine langjährige Lebensgefährtin übertragen, formal jedenfalls. Er hat nur noch ein einziges Unternehmen, und auf dem lasten enorme Schulden. Aber er hatte Zeiten, in denen es richtig gut lief. Mit Garese zum Beispiel.
Berlin, 2006. Es ist das Jahr, in dem der Deal mit Garese beginnt. Werner beschäftigt damals mehr als 300 Mitarbeiter, er peilt einen Umsatz von 20 Millionen Euro an. Fünf Jahre nach seinem Start als Unternehmer in Berlin ist das eine stolze Bilanz. Die “Berliner Zeitung” und der “Spiegel” veröffentlichen wohlwollende Porträts.
Aus der russischen Warenhauskette wird nichts
In dieser Phase schließt Werner die Verträge mit Timoty, Rosetta und der AG GE Holding. Dadurch erhält Werner die Mittel für seine Expansionspläne. Über seine Geldverteilmaschine, die Werner Group, lenkt er 6,7 Millionen Euro an drei seiner Firmen, für günstige fünf Prozent Zinsen. Ein Teil des Geldes ist für seinen Verlag Werner Media bestimmt, wo man von einem Radiosender und einem Hochglanzmagazin träumt.
Werner will sich aber nicht nur als Medienunternehmer beweisen, er ist auch in den Handel mit russischen Produkten eingestiegen. Jetzt plant er, eine Lebensmittel- und Warenhauskette für russischsprachige Kunden aufzubauen: mindestens 110 Niederlassungen, dort sollen eigene Restaurants und ein eigenes Reisebüro untergebracht werden. Werner kann sich vorstellen, das Unternehmen an die Börse zu bringen. So erklärt Werner, wie es zu dem 30-Millionen-Deal kam.
Er habe Investoren gesucht, um die Idee mit den Supermärkten zu verwirklichen. So sei er auf die von Garese vertretene Firma in Amsterdam gestoßen. Allerdings habe man sich letztlich in wichtigen Fragen nicht einigen können.
Außerdem hätten ungünstige Umstände das Projekt plötzlich sehr risikoreich erscheinen lassen: die Finanz- und Wirtschaftskrise, die harte Konkurrenz im Handel, stark gestiegene Personalkosten und Raummieten. Die Partner hätten sich entschlossen, die Sache zu stoppen. Die Frage, ob er sich daran beteiligt hat, Geld ungewisser Herkunft in eine legale Struktur zu bringen, weist Werner von sich. Alles sauber also?
Sechs Millionen Euro für den Privatmann
Der Plan einer gemeinsamen Handelskette scheitert. Aber es ist schon Geld geflossen. Werner steckt es nicht nur in drei seiner Firmen. Er kümmert sich auch um sein eigenes Wohl. Sechs Millionen Euro gönnt sich Werner selbst, angeblich ebenfalls als Darlehen. Das läuft so: Die Werner Group, deren Kommanditist Werner ist, stellt das Geld dem Privatmann Nicholas Werner zur Verfügung. Zu schamlos günstigen Konditionen: zehn Jahre Laufzeit, keine Zinsen. Den entsprechenden Vertrag unterschreibt Werner zweimal, im Namen der Firma und in seinem Namen.
Werner sagt dazu: “Die Gewährung von Darlehen aus den Eigenmitteln des Unternehmens verstößt nicht gegen das Gesetz.” Er legt Wert darauf, dass viele Fachleute an der Konstruktion der Werner Group beteiligt waren, der Geldverteilmaschine: “Die gesamte Struktur der Holding, ihre Verträge und die sonstige Tätigkeit habe ich auf das Sorgfältigste mit Steuerberatern, Finanzanwälten und unabhängigen Experten besprochen, und alles wurde unter strenger Einhaltung der Gesetze umgesetzt.”
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5. Ein Grundbuchamt macht plötzlich Ärger
Berlin, Mai 2008. Zwei Jahre lang gab es kein Problem, keine Störung, die Deals zwischen Werner und Garese liefen wie geplant. Jetzt plötzlich kommt die Mitarbeiterin eines Berliner Grundbuchamts und stellt unangenehme Fragen. Es geht um den Immobilienkauf, das Grundstück in der Großbeerenstraße. Es sieht so aus, als ob Garese und Werner noch Ärger bekommen könnten. Die Konstruktion könnte Probleme machen.
Die AG GE Holding in Amsterdam will endlich die viel zu hohe Grundschuld löschen lassen, die 30 Millionen Euro, die auf der Berliner Tochterfirma lasten – der Werner Grundbesitz. Die Grundschuld hat keinen Sinn mehr, die Deals sind abgewickelt. Dafür drückt die Zinslast.
Der Mann aus dem Nichts
Wie aus dem Nichts tritt plötzlich ein Mann auf den Plan, der bisher überhaupt keine Rolle spielte. Ein Holländer, der sich dem Berliner Grundbuchamt als Bevollmächtigter einer niederländischen Firma vorstellt, deren Name bisher ebenfalls keine Rolle spielte. Diese Firma, behauptet der Holländer, sei Gesellschafterin der Amsterdamer AG GE Holding.
Der Mitarbeiterin des Grundbuchamtes kommt die Sache äußerst suspekt vor. Bisher hatte immer Garese für die AG GE Holding gesprochen. Sie schreibt deshalb einen Vermerk: “Bitte Frau Richterin vorlegen.” Auch die wird misstrauisch. Sie ordnet an, der Holländer müsse nachweisen, dass er tatsächlich die AG BE Holding vertrete.
Es dauert gut ein Jahr, bis die Formalitäten geklärt sind und die Grundschuld gelöscht ist. Garese und Werner können aufatmen. Wer sollte jetzt noch erfahren, was wirklich gelaufen ist? Die wirklich interessanten Vereinbarungen und Verträge sind vertraulich. Werner hat mit den beiden Firmen, die er neu gegründet hatte, bald nichts mehr zu tun gehabt.
Die eine, seine Werner Grundbesitz, hat er nach dem Immobiliendeal schnell verkauft. Die andere, die Werner Group, reicht er im August 2009 an einen Vertrauten weiter, der sie später nach Transnistrien veräußert. Damit ist Werner fein raus.
Die Spur des Geldes verliert sich
Im Sommer 2013 lässt sich auch kaum noch nachvollziehen, auf welch verschlungenen Wegen Garese die 30 Millionen Euro nach Berlin geschleust hat. Timoty, die rätselhafte Firma, mit deren 7,5-Millionen-Kredit alles begann, sucht man vergebens. Auf den Marschallinseln gibt es keine Rosetta mehr: aufgelöst 2008, drei Jahre nach der Gründung.
Und die Amsterdamer AG GE Holding hat einen schönen Kreislauf geschaffen, durch den sich etliche Millionen schleusen ließen, und etliche Millionen ihres angeblichen Darlehens aus Berlin zurückbekommen. Die Spur dieses Geldes verliert sich in Holland.
Garese hat seine Kanzlei in Moskau und tut, was er am besten kann: reichen Russen bei ihren Geschäften helfen. Diskretion garantiert. Er ist ein Dienstleister. Für wen? Wer waren die Hintermänner des 30-Millionen-Euro-Geschäfts? Es kursieren Namen, die Namen sehr bekannter Russen, mindestens einer davon hat eine kriminelle Vergangenheit. Werner schweigt auch dazu.