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“Schon der Vorwurf wiegt schwer”

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“Schon der Vorwurf wiegt schwer”

Thomas Strobl (CDU), Vorsitzender des Immunitätsausschusses im Bundestag, über Ermittlungen gegen Abgeordnete und den Vorwurf gegen Gregor Gysi, über Stasi-Kontakte gelogen zu haben.

Von Uwe Müller

In der Parlamentshierarchie ist es der erste Ausschuss, der über Geschäftsordnung, Wahlprüfung und die Immunität von Parlamentariern berät. Sein Vorsitzender ist seit 2005 Thomas Strobl, Jurist aus Baden-Württemberg und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender.

Welt am Sonntag: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen Gregor Gysi eingeleitet. Kommt es oft vor, dass gegen Bundestagsabgeordnete ermittelt wird?

Thomas Strobl: Zunächst: Als Vorsitzender des Immunitätsausschusses des Deutschen Bundestages achte ich aufmerksam darauf, dass wir mit Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete sehr diskret und sensibel umgehen und die Vorschriften genau eingehalten werden. Dazu gehört auch, dass die Beratungen grundsätzlich vertraulich sind. Schließlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung. Daher prüfen wir bei eingehenden Anträgen der Staatsanwaltschaft nur, ob es Anhaltspunkte für ein willkürliches oder sachfremdes Vorgehen der Staatsanwälte gegen einen Abgeordneten gibt. Ist dies, wie üblich, nicht der Fall, können die Ermittlungen gegen den Abgeordneten beginnen. Ohne dass ich da zu viel preisgebe, kann ich sagen, dass das im Laufe einer Wahlperiode nicht nur einmal vorkommt.

Welt am Sonntag: Wiegt so ein Vorwurf bei einem Rechtsanwalt besonders schwer, der weiß, dass bei einer eidesstattlichen Versicherung jedes Wort auf die Goldwaage zu legen ist?

Strobl: Man darf von jedem Bürger, egal ob Abgeordneter, Rechtsanwalt oder beispielsweise Handwerker, schon erwarten, dass er in einem Rechtsstreit die Wahrheit sagt. Wenn es sich dann noch um eine Aussage in Form einer eidesstattlichen Versicherung handelt – deren Bedeutung gerade einem Rechtsanwalt besser als einem Handwerker bekannt ist –, muss natürlich jedes Wort wohlbedacht sein. Eine falsche eidesstattliche Versicherung kann also gerade einem Rechtsanwalt nicht unbedacht “herausrutschen”.

Welt am Sonntag: Die “Welt am Sonntag” hatte bereits im April 2012 über den Verdacht berichtet, dass Gysi eine falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben haben könnte. Erst jetzt wird die Staatsanwaltschaft aktiv. Stimmt der Satz, wonach die Mühlen der Justiz langsam mahlen?

Strobl: Es kommt gerade in Strafverfahren wegen der enormen Auswirkungen, die vor allem eine Verurteilung mit sich bringt, in erster Linie auf ein rechtsstaatlich einwandfreies Vorgehen und eine sorgfältige Prüfung aller be- und entlastenden Beweismittel an. Insofern ist Schnelligkeit kein geeigneter Gradmesser für ein Strafverfahren.

Welt am Sonntag: Damals haben Sie unserer Redaktion gesagt: “Ich bin davon überzeugt, dass er die Abgeordneten über seine Kontakte zur Staatssicherheit belogen hat.” Daraufhin soll Gysi mit rechtlichen Schritten gedroht haben. Stimmt das und was wurde daraus?

Strobl: Ich habe mich seinerzeit auf das vom Bundestag durchgeführte Stasi-Überprüfungsverfahren gegen den Abgeordneten Gregor Gysi wegen der Vorwürfe einer informellen Mitarbeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR bezogen. Der Bundestag hatte nach einer sorgfältigen Prüfung bereits in der 13. Wahlperiode eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeordneten Dr. Gysi für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR als erwiesen festgestellt (Bundestagsdrucksache 13/10893). Diese Tätigkeit hat Herr Dr. Gysi stets bestritten und bestreitet sie noch heute. Aber die Feststellungen des Bundestages stehen dem entgegen, das ist festzuhalten.

Welt am Sonntag: Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch hatte vor dem Rücktritt von Annette Schavan erklärt, die Bildungsministerin sei nicht mehr handlungsfähig, weil die Düsseldorfer Universität ihr den Doktortitel entzogen hat. Ist Gysi noch handlungsfähig?

Strobl: Eine gerichtliche Entscheidung, dass die eidesstattliche Aussage von Gysi falsch war, liegt noch nicht vor. Aber natürlich wiegt schon der Vorwurf schwer. Und er wirkt in einem Strafverfahren auch schwerer als in einem Stasi-Überprüfungsverfahren, das ja keine Sanktionen gegen einen als Stasi-Spitzel überführten Abgeordneten kennt.

Welt am Sonntag: Kennen Sie in der Geschichte der Bundesrepublik den Fall eines anderen Fraktionschefs, der so wie jetzt Gysi ins Visier der Ermittlungsbehörde geriet?

Strobl: Aus meiner Zeit im Immunitätsausschuss ist mir ist kein solcher Fall bekannt.

Das Interview auf welt.de

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