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Wer Böses dabei denkt

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Wer Böses dabei denkt

Ein Dresdner Richter hat beantragt, die Immunität von Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow aufzuheben. Warum jetzt?

Von Claudia Ehrenstein , Uwe Müller , Miriam Hollstein , Claus Christian Malzahn

Kaum im Amt, bahnt sich ein Kleinkrieg zwischen dem neuen Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) und einem Richter aus der sächsischen Landeshauptstadt Dresden  an. Der Vorfall, um den es geht, liegt zwar fünf Jahre zurück. Dass er gerade jetzt, kurz nach der Inthronisierung Ramelows zum ersten linken Regierungschef, politisch und juristisch relevant wird, sorgt für wilde Spekulationen.

Am 13. Februar 2010 hatte Ramelow an einer Demonstration gegen einen “Trauermarsch” der rechtsextremen Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland anlässlich der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 protestiert. Daraufhin leitete die Dresdner Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Blockade gegen ihn ein. Ramelow hätte die Gegendemonstration maßgeblich mitorganisiert und in besonderem Maße die genehmigte Demonstration der Landsmannschaft behindert, so der Vorwurf.

Das Angebot, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen, lehnte Ramelow jedoch ab. Schließlich wurde das Verfahren im April dieses Jahres wegen Geringfügigkeit eingestellt, unter Auflage der Kostenteilung. Ramelow sollte für seine eigenen Anwaltskosten aufkommen. Dagegen hatte er sich gewehrt und Rechtsmittel eingelegt. “Ich akzeptiere keinen Freispruch zweiter Klasse”, sagte Ramelow. “Es geht hier nicht um mich, sondern um die Frage, ob man zu Demonstrationen gehen kann oder nicht.” Das Dresdner Landgericht war der Beschwerde gefolgt und hatte die Einstellung aufgehoben. Seither ist das Verfahren wieder offen.

Nun – also acht Monate später – hat das Amtsgericht Dresden beim Präsidenten des Thüringer Landtags die Aufhebung von Ramelows Immunität beantragt. Darüber, dass dieser Antrag zwei Tage vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten abgeschickt wurde, sei er “irritiert”, sagte Ramelow der “Welt”. Nicht der Antrag auf Aufhebung der Immunität stört ihn dabei, sondern das Datum: “Ein Schalk, der Böses dabei denkt.”

Eine sächsische Intervention des Gerichts in die politische Willensbildung Thüringens? Das lässt sich kaum nachweisen. Ramelow verteidigt sich unter anderem mit dem Hinweis, er sei bei der Demo als “Vermittler” zwischen Polizei und Blockierern aufgetreten. Das hätte auch der Polizeieinsatzleiter ausgesagt. Deshalb habe er Widerspruch gegen die Übernahme der Anwaltskoseten eingelegt. Dann passierte monatelang nichts. Erst am 3. Dezember wandte sich der zuständige Richter in einem Brief an den Thüringer Landtagspräsidenten. Nun muss der Justizausschuss entscheiden, ob dem Antrag stattgegeben und Ramelows Immunität aufgehoben wird. Einem neuerlichen Verfahren sieht Ramelow “gelassen” entgegen: “Ich möchte, dass nichts an mir hängen bleibt.”

Wegen der bei den Linken festgeschriebenen Trennung von Amt und Mandat wird Ramelow sein Landtagsmandat ohnehin niederlegen. Das Amt des Ministerpräsidenten allein bietet keine Immunität. Gregor Gysi, der Fraktionschef der Linken im Bundestag, forderte den Thüringer Landtag nun auf, der Aufhebung der Immunität nicht zuzustimmen. “Der Antrag des Richters, die Immunität von Bodo Ramelow aufzuheben und das Strafverfahren fortzusetzen, zeigt eine politische Motivation. So etwas ist immer schlecht”, sagte Gysi der “Welt”. Der Richter hätte das monatelang tun können und sei nun erst zur Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten tätig geworden, kritisierte Gysi. Verfahren gegen Linke, die gegen Nazi-Aufmärsche demonstriert haben, halte er grundsätzlich für “völlig daneben”.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wies den Vorwurf Gysis zurück und verteidigte die Unabhängigkeit der sächsischen Justiz im Zusammenhang mit dem beantragten Verfahren. “Eine der Errungenschaften der Friedlichen Revolution ist die Unabhängigkeit der Justiz. Die wird auch in Sachsen gewahrt. Alles andere wären Unterstellungen, die zu beweisen sind”, sagte Tillich der “Leipziger Volkszeitung”. Eine Sprecherin des Dresdner Amtsgerichts bestätigte auf Anfrage der “Welt” lediglich, dass der Antrag zur Aufhebung der Immunität Ramelows beim Thüringer Landtag eingereicht wurde.

Zu der Frage, warum das Verfahren gerade jetzt weitergeführt werden soll, machte die Sprecherin zunächst keine Angaben. Später erklärte sie, der Antrag sei gestellt worden, da Ramelow nach den Wahlen in Thüringen als Landtagsabgeordneter erneut Immunität besitze. Diese stehe dem anhängigen Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht entgegen. Eine Entscheidung über die Eröffnung einer Hauptverhandlung sei damit nicht gefallen.

Ramelow ist nicht der einzige Politiker, der wegen der Teilnahme an der Gegendemonstration am 13. Februar 2010 ins Visier der Ermittler geraten war. Auch gegen den Fraktionsvorsitzenden der Linken im hessischen Landtag, Willi van Ooyen, war ein Verfahren eingeleitet worden. Auch ihm drohte zunächst eine Geldbuße, später wurde das Verfahren eingestellt. Van (Link: http://www.welt.de/motor/fahrberichte-tests/vans/) Ooyen sollte lediglich seine Anwaltskosten zahlen, was er, anders als Ramelow, akzeptierte. Ebenso wie seine Co-Vorsitzende im hessischen Landtag, Janine Wissler, gegen die auch ein Verfahren eingeleitet worden war. Nur für den sächsischen Linken André Hahn, der ebenfalls an der Demonstration teilgenommen hatte, wurden die Anwaltskosten von der Staatskasse übernommen.

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