Quantcast
Channel: Uwe Müller – investigativ.de
Viewing all articles
Browse latest Browse all 70

Reaktionen: Die Wahrheitsliebe der Staatsplünderer

$
0
0

Reaktionen: Die Wahrheitsliebe der Staatsplünderer

Es war klar, dass die Enthüllungen der „Welt am Sonntag“ über die sechs politischen Stiftungen in Deutschland selbst nicht gerade Begeisterungsstürme auslösen werden. Einige Reaktionen zu dem Titelthema „Die Staatsplünderer“ haben uns dann aber doch überrascht: Mit einer Pressemitteilung versucht die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung, den sie betreffenden Skandal zu bagatellisieren. Die Heinrich-Böll-Stiftung wiederum hat auf ihre Internetseite eine Philippika gestellt. Beide Wortmeldungen verdienen eine Kommentierung.

Die Seidel-Stiftung mit Sitz in München betreibt zwei Bildungsstätten: in Wildbad Kreuth und Kloster Banz. Für solche Tagungs- und Hotelbetriebe hatte der Bundesrechnungshof bereits in den 90er-Jahren verfügt, dass eine Mindestauslastung von 80 Prozent mit „Maßnahmen der politischen Bildung“ erreicht werden muss – ansonsten entfällt der Anspruch auf Förderung. Weder Kreuth noch Banz erreichten die Mindestauslastungs, was die Stiftung allerdings nicht davon abhielt, weiterhin Steuermittel einzusetzen. Als das herauskam, musste sie 1,8 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen. Das geht aus internen Unterlagen des Bundesinnenministeriums hervor, die der „Welt am Sonntag“ exklusiv vorliegen.

HSS BMI

Diese Fakten werden von der Seidel-Stiftung keineswegs bestritten. Allerdings weist sie den „Vorwurf der vorschriftswidrigen Verwendung“ von Steuermitteln „als unzutreffend zurück“. Die vom Rechnungshof vorgegebene Quote sei „rechtlich und faktisch umstritten“, sie sei sogar „fiktiv“ . Diese Argumentation erstaunt dann doch: Denn das ist so, als ob ein Steuerhinterzieher sein Vergehen damit begründet, dass ihn die Gesetze nicht überzeugen. Die Regeln, die der Rechnungshof für Bildungsstätten in ganz Deutschland festgelegt hatte, sind eindeutig. Und sie waren den Verantwortlichen der Stiftung laut den Dokumenten aus dem Innenministerium auch bekannt. Sie seien darauf „wiederholt hingewiesen worden“, heißt es in den Papieren. Dennoch fühlte sich die CSU-nahe Organisation an solche Vorschriften offenkundig nicht gebunden.

Unseren Informationen zufolge ist die Summe der von der Seidel-Stiftung eingesetzten Steuermittel durchaus stattlich: Je nach Berechnung kommt man auf einen Betrag von 8,7 Millionen bis 22 Millionen Euro. Das Innenministerium setzte mit Zustimmung der Stiftung allerdings nur bescheidene zwölf Millionen Euro an, von denen die Stiftung wiederum lediglich 15 Prozent zurückzahlen musste: 1,8 Millionen Euro, die zudem auch noch in drei Raten abgestottert werden durften. Die Seidel-Stiftung stellt dazu fest: „Der außergerichtliche Vergleich ist für alle Beteiligten zukunftsorientiert.“ Den Steuerzahler hat sie dabei wohl außer acht gelassen.

Gleiches gilt für die Böll-Stiftung, die statt Detailkritik gleich Fundamentalkritik übt. Sie unterstellt unserem Artikel in der „Welt am Sonntag“ in ihrer Pressemitteilung „viel Lärm, wenig Substanz“: „Bei Lichte betrachtet, kocht der Artikel im Wesentlichen bereits bekannte und längst geklärte Vorwürfe neu auf.“ So könne von einer „weitgehend unkontrollierten Mittelverwendung” keine Rede sein. Genau dafür haben wir in unserem Beitrag über „Die Staatsplünderer“ jedoch viele Beispiele angeführt. Dokumentiert sind sie in internen Unterlagen von Bundesministerien, die wir erstmals einsehen konnten.

HBS BRH Illu

Ferner will die Böll-Stiftung der Öffentlichkeit weismachen, dass die politischen Stiftungen nicht „bevorzugt aus dem Bundeshaushalt bedient würden“. Das ist allerdings nicht wahr: Tatsächlich kennen die Etats der Stiftungen seit Jahren nur eine Richtung – steil nach oben. Seit Merkels Amtsantritt sind die Mittel um fast 50 Prozent emporgeschnellt, während der Bundesetat gerade einmal um 14 Prozent gestiegen ist.

Wir haben die Stiftungsgeschäftsführerin Livia Cotta während unseres Treffens sogar mit den Zahlen konfrontiert. Sie rechtfertigte dies und und veranschaulichte damit erneut die Hybris der Stiftungen, deren Einnahmen sich völlig von der Entwicklung bei den Löhnen und Gehältern oder von den Preisen abgekoppelt haben.

Schließlich beschwert sich die Böll-Stiftung darüber, dass die „Welt am Sonntag“ Unregelmäßigkeiten bei ihr aufgegriffen hat.  Wir haben aus einer 30 Seiten umfassenden Mitteilung des Bundesrechnungshofes zitiert, der „die Ordnungsmäßigkeit bei der Abrechnung von Global- und Projektmitteln“ bei der Böll-Stiftung in zahlreichen Fällen moniert und dies dem Innenministerium mitgeteilt hatte. Das Ressort ließ die Vorwürfe durch das Bundesverwaltungsamt prüfen. Laut Rechnungshof stellte die Behörde fest, die Böll-Stiftung habe „grob gegen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Wirtschaftsführung verstoßen“. Doch die Stiftung stellt das so dar, als ob es bloß „um rund 20 Euro“  gegangen sei. So viel zum Thema Wahrheitsliebe.

 

DWO_Muster

Streng vertraulich! Das WELT Investigativ Blog


Viewing all articles
Browse latest Browse all 70