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De Maizière verliert gegen “Welt”

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De Maizière verliert gegen “Welt”

Bundesinnenminister Thomas de Maizière gilt als penibel, rechtschaffen und preußisch korrekt. Mit diesem speziellen Image kokettiert er gern.  „Manche sagen, ich wirke wie eine Büroklammer“, sagte der Christdemokrat einmal über sich selbst. Doch mitunter agiert der Jurist überraschend anders. Wenn es ihm in den Kram passt, setzt er sich schon mal über das Grundgesetz hinweg.

Was de Maizière nicht leiden kann: Journalisten, die darauf bestehen, Informationen über brisante Vorgänge zu erhalten. Ihre Fragen lässt sein Haus oft unbeantwortet. Besonders restriktiv zeigte sich die Pressestelle des Ministers bei der Kinderporno-Affäre um den Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy. Dabei ist über die pikante Angelegenheit de Maizières Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) gestolpert und das ihm unterstehende Bundeskriminalamt (BKA) wiederholt in Erklärungsnot geraten.

Vielleicht hat das Ministerium gerade deshalb der „Welt“-Gruppe gleich mehrfach Auskünfte verweigert. Das ließ sich das Investigativteam nicht gefallen und zog vor das Berliner Verwaltungsgericht. Mit durchschlagendem Erfolg: Die Richter der 27. Kammer haben jetzt entschieden, dass „die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Inneren“ einen Fragenkatalog der Redaktion vollumfänglich beantworten muss. (Az.: VG 27 L 169.14)

Worum ging es? Im Rahmen der Affäre kam ein Skandal ans Licht, der selbst Abgeordneten verheimlicht worden war: Ebenso wie Edathy hatte sich auch ein leitender BKA-Kriminaldirektor einschlägiges Material bei einem Kinderporno-Händler in Kanada bestellt. Der Spitzenbeamte wurde bereits Ende 2012 zu 120 Tagessätzen verurteilt und verlor den Job. Allerdings bezieht er eine ungewöhnlich üppige Beamtenpension, wie die Welt herausfand.

Deshalb wollte wir von de Maizières Ministerium wissen, wie in vergleichbaren Fällen verfahren worden ist.

Das Innenministerium sei „nicht berechtigt, die begehrte Auskunft zu verweigern“, hat nun das Gericht entschieden. Berührt sei „der Schutzbereich der Pressefreiheit in Artikel 5“ des Grundgesetzes.  Diese Entscheidung stärkt die Pressefreiheit – und dürfte für andere Journalisten eine Ermutigung sein, ihre legitimen Rechte durchzusetzen. De Maizières Haus, das die Kosten des Verfahrens tragen muss, hat sich inzwischen der Entscheidung des Gerichts gebeugt und die erwünschten Auskünfte erteilt.

Beendet ist die Aufklärung damit allerdings noch längst nicht. Denn auch die Opposition im Bundestag fühlt sich durch das Innenministerium schlecht informiert. Seit Anfang Juli beschäftigt sich daher ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Edathy-Affäre. Voraussichtlich werden dort jene Fragekomplexe vertieft, zu denen die „Welt“-Gruppe jetzt erste Antworten erhalten hat.

Der Gerichtsbeschluss:

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