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Deutschen Separatisten auf der Spur

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Deutschen Separatisten auf der Spur

Deutsche Österreichische Kämpfer im Donbass FOTO[1]

Man spricht deutsch. Separatisten bedanken für Spenden – in ihren Reihen kämpfen auch etliche Bundesbürger

Es war der Anfang einer langwierigen Recherche: Ein Kollege hatte erfahren, dass sich ein Deutscher über Russland ins Kriegsgebiet aufgemacht hatte. Wir durchforsteten daraufhin russische und deutsche soziale Netzwerke und stießen auf immer mehr Bundesbürger, die für die von Russland unterstützten Separatisten kämpften. Wir holten Melderegister- und Bonitätsauskünfte ein, besorgten uns alte Zeitungsartikel über die Personen, versuchten mit ihren Bekannten und Verwandten in Kontakt zu kommen und mit ihnen zu sprechen.

Mehr als ein Dutzend deutscher Staatsangehöriger, die in der Ostukraine auf Seiten der Separatisten kämpfen, konnten wir identifizieren. Sie stammen aus Frankfurt am Main, aus Essen, dem Raum Aachen oder dem hessischen Wetzlar. Sie nehmen an einem Krieg teil, der bereits mehr als 6000 Tote, meist Zivilisten, gefordert hat. Ihnen auf die Spur zu kommen und ihre Biografie zu rekonstruieren, war ein langer Weg. Das Ergebnis unserer wochenlangen Recherche haben wir trimedial aufbereitet und auf allen Kanälen der WELT-N24 Gruppe präsentiert: Ein großer Bericht in der “Welt am Sonntag”, die Nachricht auf Welt Online, und ein Film über den ersten gefallenen Deutschen in der Ostukraine auf N24 und auf welt.de.

Besonders berührt hat uns der Fall des Mannes aus Schweinfurt, der durch einen Granatsplitter sein Leben verlor. Um seiner Geschichte nachzuspüren, machten wir uns auf an seinen Heimatort Schweinfurt – wo wir uns mit früheren Weggefährten und seinem ehemaligen Kampfsporttrainer trafen.

Traueranzeige für den gefallenen Vitalij Pastuchow: Er wurde in Moskau beerdigt; seine deutschen Freunde zahlten die Überführung des Leichnams dorthin

Traueranzeige für den gefallenen Vitalij Pastuchow: Er wurde in Moskau beerdigt. Seine deutschen Freunde zahlten die Überführung des Leichnams dorthin

Aber auch der Fall eines erst 21 Jahre jungen Mannes aus Essen, der sich den Kampfnamen „Stierlitz“ gegeben hat und auf Facebook als „Nikolaj Blagin“ auftritt und von seinen „Heldentaten“ im Kriegsgebiet berichtet, hat uns bewegt. Seinen bürgerlichen Namen Blagaderov verschweigt er üblicherweise, an seiner ehemaligen Schule konnten sich aber noch viele gut an ihn erinnern. Blagaderovs Mutter zeigt sich uns gegenüber verschlossen – verständlich, wenn  das eigene Kind sein Leben leichtfertig aufs Spiel setzt. Nikolaj Blagaderov ist dagegen völlig unbeschwert. Noch vor einigen Wochen tauchte er im RheinRuhr Berufskolleg in Essen auf, wo er vor zwei Jahren seinen Hauptschulabschluss abgelegt hatte. Blagaderov war auf Fronturlaub. „Er kam in Uniform und war unheimlich stolz auf seinen Kampfeinsatz“, sagte uns eine Lehrerin.

Von unseren Recherchen zeigten sich sowohl das Bundesjustizministerium als auch das Auswärtige Amt überrascht. Angeblich haben sie überhaupt keine „belastbaren Erkenntnisse“ darüber, dass Bundesbürger 2500 Kilometer von ihrer Heimat entfernt für selbsternannte Volksrepubliken ihr Leben riskieren. Das ist wenig glaubwürdig: In Gesprächen mit Vertretern deutscher Sicherheitsbehörden wurde uns dann aber bestätigt, was wir zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon vermuteten: Mehr als 100 deutsche Kämpfer gibt es offenbar in der Ostukraine. Der vermutlich erste und bislang einzige von ihnen, der für die Mission der Rebellen sein Leben ließ, ist der 33-jährige Vitalij Pastuchow – die Hauptfigur in unserer Geschichte.

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