Quantcast
Channel: Uwe Müller – investigativ.de
Viewing all articles
Browse latest Browse all 70

Gewinnt Barlach die wichtige Schlacht?

$
0
0

Gewinnt Barlach die wichtige Schlacht?

Suhrkamp-Minderheitsgesellschafter Hans Barlach gewinnt im Kampf gegen Ulla Unseld-Berkéwicz zwar ständig vor Gericht. Das bringt ihm aber bislang nichts. Am Mittwoch könnte sich das ändern.

Suhrkamp-Miteigentümer Hans Barlach                                                               Foto: dpa


Von Sven Clausen und Uwe Müller

Hans Barlach ähnelt König Pyrrhus I. So wie der Herrscher von Epirus, der den Römern eine Niederlage nach der anderen zufügte, eilt der Suhrkamp-Minderheitseigner von Sieg zu Sieg. Sein Schlachtfeld ist der Gerichtssaal. Dort aber konnte er seine Widersacherin, die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz, schon beachtlich oft bezwingen. Allein: Es waren jedes Mal teuer erkaufte Erfolge, die den Hamburger Unternehmer seinem Ziel, der (Mit-)Herrschaft über den traditionsreichen Literaturverlag, bislang nicht wirklich näher gebracht haben. Es sind Barlach-Siege. “Teilerfolge”, wie es immer so schön heißt. Den Krieg droht er trotzdem zu verlieren.

Am Mittwoch dieser Woche könnte Barlach jetzt mit seiner Medienholding AG vielleicht erstmals einen nachhaltigen Sieg erringen. Einen Sieg, der ihn richtig voran bringt. Denn entschieden wird eine fundamentale Frage, die von großer Tragweite ist: ob seine Mitgesellschafterin, die Familienstiftung von Ulla Unseld-Berkéwicz, aus dem Suhrkamp-Verlag ausgeschlossen wird. Die beiden Eigner werfen sich wechselseitig geschäftsschädigendes Verhalten vor. Verhandelt wird vor dem Landgericht Frankfurt, 3. Kammer für Handelssachen. Der Vorsitzende Richter Norbert Höhne hatte sich bereits im Februar mit dem Fall beschäftigt und damals bemerkt: “Beide Gesellschafter sehen sich offenbar wechselseitig als Inkarnation des Bösen”. Er ist also gut im Thema drin.

Sticht Insolvenzrecht das Gesellschaftsrecht?

Richter Höhne hatte den Kombattanten Anfang des Jahres eine Gnadenfrist eingeräumt und ihnen sieben Monate Zeit gegeben, sich gütlich zu einigen. Bekanntlich ist daraus nichts geworden: Statt sich zusammenzuraufen, sind Barlach und Unseld-Berkéwicz zerstrittener denn je. Der Verlag meldete, angetrieben von Siegfried Unselds Witwe, Insolvenz an. Einen Insolvenzplan gibt es auch schon. Er sieht vor, den Verlag von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Damit würde Barlach zahlreiche Sonderrechte verlieren, die er sich in den vergangenen Jahren ausverhandelt hatte. Die zuständige Amtsrichterin in Berlin-Charlottenburg hat dem Insolvenzplan bereits zugestimmt. Wenn die Gläubiger es ihr auf ihrer Versammlung in den kommenden Wochen nachtun, wäre Barlachs Schicksal wohl besiegelt.

Es ist diese Entscheidung der Berliner Amtsrichterin Mechthild Wenzel, die Barlachs zahlreiche Erfolge vor Gericht zu Pyrrhus-Siegen hat werden lassen. Denn Barlach gewinnt immer nur die gesellschaftsrechtlichen Prozesse. Die müssen aber nach aktueller Rechtsprechung die insolvenzrechtliche Auseinandersetzung überhaupt nicht beeinflussen. Denn das Insolvenzrecht, nach dem der Suhrkamp Verlag behandelt wird, ist noch so neu, dass es zu Wechselwirkungen mit etwaigen gesellschaftsrechtlichen Urteilen bislang keine höchstrichterlichen Entscheidungen gibt. Es ist unklar, ob das Gesellschaftsrecht das Insolvenzrecht sticht, oder umgekehrt – oder ob es auf den Einzelfall ankommt. Barlach ist der erste, der diese Untiefen austestet. Am Ende, in einigen Jahren, könnte er zwar höchstrichterlich Klarheit erhalten, selbst aber davon gar nicht mehr profitieren.

Nun allerdings kann Barlach darauf hoffen, dass Richter Höhne ihm die Möglichkeit gibt, eine Brücke zu dem Insolvenzverfahren zu schlagen. Sollte der Vorsitzende der Frankfurter Handelskammer ein Urteil fällen, dass positiv für Barlach ausfällt, bleibt Unseld-Berkéwicz zwar die nächste Instanz. Aber möglicherweise fällt der Richter ein Urteil, das gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. “Wenn es so kommt, würden wir alles tun, um das Urteil zu vollstrecken”, sagte Hans Barlach der “Welt”. “Sollte es zum Ausschluss der Familienstiftung kommen, würden wir diese entschädigen und die berechtigten Gläubiger der Gesellschaft sofort befriedigen.” Gut möglich, dass dann das Insolvenzverfahren für den Suhrkamp Verlag rasch beendet wäre.

Wie hoch wären die Abfindungen?

Sollte entweder die Familienstiftung von Unseld-Berkéwicz oder die Medienholding von Barlach aus dem Suhrkamp-Verlag ausgeschlossen werden, müsste die unterlegene Seite abgefunden werden. Das lässt sich in etwa so überschlagen: Während der mündlichen Verhandlung hatte Richter Höhne den “mittleren Unternehmenswert” von Suhrkamp auf 20 Millionen Euro taxiert. Auf dieser Basis müssten für den 61-Prozent-Anteil der Familienstiftung 12,2 Millionen Euro und für den 39-Prozent-Anteil der Medienholding 7,8 Millionen Euro gezahlt werden.

Unseld-Berkéwicz hatte den Antrag, Barlach als Suhrkamp-Eigner auszuschließen, damit begründet, dass dieser die wirtschaftliche Situation des Verlages schlecht geredet habe. Nachdem nun allerdings für Suhrkamp Insolvenzantrag gestellt worden ist, hat sich diese Argumentation selbst den Boden weggezogen und dürfte vor Gericht kaum noch verfangen. Demgegenüber kann Barlach auf gleich mehrere erstinstanzliche Entscheidungen von Gerichten – in Berlin und Frankfurt – verweisen, die Unseld-Berkéwicz attestieren, beispielsweise “grob treuwidrig” gehandelt oder ihre Pflichten als Verlagsgeschäftsführerin verletzt zu haben.

Wie Richter Höhne diese Urteile bewerten wird, ist freilich noch völlig offen. Immerhin ist es für Barlach zuletzt am Landgericht Frankfurt gut gelaufen. Claudia Müller-Eising, Richterin an der 9. Kammer für Handelssachen, urteilte erst vor wenigen Wochen, die Familienstiftung von Unseld-Berkéwicz habe mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens eine “Treuepflichtverletzung” begangenen und dürfe deshalb dem Insolvenzplan keineswegs zustimmen. Tut sie es doch, riskiert sie ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder sechs Monate Ordnungshaft. Das Insolvenzverfahren aber konnte das auch nicht aufhalten. Für Barlach war es nur ein weiterer Barlach-Sieg.

Der Artikel auf welt.de

Streng vertraulich! Das WELT Investigativ Blog


Viewing all articles
Browse latest Browse all 70