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Wie ein Verleger gegen unsere Enthüllung vorgeht

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Wie ein Verleger gegen unsere Enthüllung vorgeht

Der Berliner Verleger Nicholas Werner und sein Firmenimperium, diese Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben. Zum einen, weil Werner sich ungewöhnlich heftig und mit zahlreichen falschen Behauptungen gegen unsere Berichterstattung wehrt. Zum anderen, weil unsere Recherchen seit der ersten Veröffentlichung einige interessante neue Erkenntnisse ergeben haben. Dazu zeigen wir – hier exklusiv – eine Reihe von Dokumenten. Doch der Reihe nach.

Von Uwe Müller und Marc Neller

 

I. Worum es geht

Die „Welt am Sonntag“ hat am 12. Mai 2013 in dem Stück „Russisches Roulette“ die fragwürdigen Geschäftspraktiken des Verlegers und Kaufmanns Nicholas Werner beschrieben. Werner, ein Deutsch-Russe mit bewegter Vita, hat in Berlin den nach eigener Darstellung „größten russischsprachigen Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Europas außerhalb der ehemaligen GUS-Staaten“ aufgebaut und eine Vielzahl von Firmen mit ganz unterschiedlichen Tätigkeitsprofilen gegründet. Mehrfach wurde er ins Kanzleramt zu den nationalen Integrationsgipfeln der Bundesregierung geladen.

Verleger Werner (Foto: Picture-Alliance/dpa)

Verleger Werner (Foto: Picture-Alliance/dpa)

Jetzt steht der vermeintlich erfolgreiche Unternehmer im Zwielicht. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Geldwäsche. Gegen seinen Verlag liegen mehrere Pfändungsbeschlüsse eines Berliner Amtsgerichts vor. Auch das Berliner Landgericht beschäftigt sich mit dem heute 44-Jährigen, der sich im Zusammenhang mit einem Kreditgeschäft als Beklagter verantworten muss. Wie die „Welt am Sonntag“ darüber hinaus berichtete, hat Werner bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Methoden gegriffen, die erhebliche Zweifel an seiner Seriosität begründen.

Solch einen Beitrag wollte Nicholas Werner offenbar verhindern. Jedenfalls schrieb sein Chefredakteur Michail Goldberg kurz vor der Veröffentlichung einen Brief an Jan-Eric Peters, den Chefredakteur der „Welt“-Gruppe. Der Journalist behauptete in dem Schreiben, der geplante Artikel ziele darauf ab, Werner und seine Zeitungen „in den Dreck“ zu ziehen: „Wir haben schon mehrere Gerichtsprozesse diesbezüglich geführt, die zum großen Teil zu unseren Gunsten ausgegangen sind.“ Goldberg vermutet außerdem, die „Welt am Sonntag“ lasse sich von Werners Konkurrenten instrumentalisieren und spricht von einer „Aktion“, deren größten Profiteure im „Kreml“ und im „antisemitischen Milieu“ zu suchen seien. Dann erfolgt erneut der Hinweis auf „Rechtsmittel“, zu denen Werners Verlag wohl greifen werde, und der Schlusssatz an Chefredakteur Peters: „Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass Ihre Professionalität und Berufserfahrung ausreichende Garantie dafür sind, dass Sie die richtige Entscheidung treffen.“

Der Artikel erschien natürlich wie geplant.

Werners Verlag reagierte prompt: „Selbstverständlich leiten wir jetzt gerichtliche Schritte ein“, hieß es auf der Website. Werner will in dem „Informationskrieg“ (so nennt das sein Verlag) bis „zu einem endgültigen Sieg“ kämpfen. Er habe bereits Strafanzeige „wegen Verleumdung und unlauteren Wettbewerbs“ erstattet. Sollte er dabei durch die Entscheidungen der deutschen Gerichte nicht zufriedengestellt werden, habe er die feste Absicht, sich auch im Ausland „mit diesen Zeitungsschreibern und den Zeitungen gerichtlich auseinanderzusetzen“.

"Welt am Sonntag", "Jüdische Zeitung": Wer verdreht die Fakten?

“Welt am Sonntag”, “Jüdische Zeitung”: Wer verdreht die Fakten?

Bemerkenswert ist auch, wie Nicholas Werner Axel Springer, die „Welt am Sonntag“ und die Autoren von „Russisches Roulette“ auch mit Veröffentlichungen in seinen Medien und auf Facebook angreift. Dabei macht er allerdings etliche irreführende und falsche Angaben. Schon Werners Versuch, die Berichterstattung über ihn ins Licht einer „schlecht getarnten antisemitische Kampagne“ zu rücken, ist unsinnig. Bekanntermaßen haben die Journalisten der Axel Springer AG die Aussöhnung mit dem jüdischen Volk sogar in ihren Arbeitsverträgen stehen.

Das Investigativ-Ressort der „Welt“-Gruppe hat sich angesichts der Vorwürfe entschlossen, in der Causa Nicholas Werner den Verlauf der bisherigen juristischen Auseinandersetzung ausführlich zu dokumentieren. So kann sich jeder selbst ein Bild machen.

II. Das juristische Vorgehen Werners

Neun Tage nach Erscheinen des Stücks „Russisches Roulette“ ging in der Rechtsabteilung von Axel Springer ein Schreiben von Werners Anwälten ein. Darin heißt es, der Beitrag in der „Welt am Sonntag“ verletze gleich in mehrfacher Hinsicht die Persönlichkeitsrechte des Mandanten. Der Anlass der Berichterstattung – unter anderem das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche – wird als „nichtig“ bezeichnet. Der Artikel stelle das Lebenswerk Werners in Frage. Er sei nicht nur ruf-, sondern auch geschäftsschädigend. Zahlreiche, auch internationale Zeitungen hätten die Darstellung der „Welt am Sonntag“ ungeprüft übernommen.

Nach Darstellung von Werners Kanzlei färbt der Bericht der „Welt am Sonntag“ über die schlechte Bonität von Werners Verlag auch auf die anderen Unternehmungen des Mandanten ab und schädige so deren Ruf nachhaltig. Werners Kanzlei teilt deshalb mit, man behalte sich die Geltendmachung materieller Schadenersatzansprüche ausdrücklich vor. Hierzu stellen wir fest: Bislang hat Nicholas Werner keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht.

Werners Kanzlei behauptet außerdem, die „Welt am Sonntag“ habe zahlreiche unwahre Tatsachenbehauptungen über ihren Mandanten verbreitet. Ihm stünde in insgesamt neun Punkten ein Unterlassungsanspruch zu. Das ist ebenfalls falsch. Die „Welt am Sonntag“ hat inzwischen die Ansprüche geprüft und ihre Darstellung in lediglich einem Punkt berichtigt.

Ursprünglich hatten wir geschrieben: „Zudem wechseln Geschäftsführer, Firmenadressen und Gesellschafter häufig.“ Tatsächlich wechseln oft die Firmierungen der Unternehmen, nicht aber die Firmenadressen. In der berichtigten Version heißt es nun: „Zudem wechseln Geschäftsführer und Gesellschafter häufig.“ Diese kleine Korrektur in dem doppelseitigen Beitrag hätten wir auch ohne Androhung juristischer Schritte vorgenommen. Zudem war – allerdings nur in der Online-Variante des Textes – im Produktionsprozess eine Zwischenzeile eingefügt worden, wonach Werner von der Staatsanwaltschaft „gesucht“ werde. Richtig ist: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Die Zwischenzeile wurde sofort nach dem Hinweis von Werners Kanzlei ersatzlos gestrichen.

Internationale Beachtung: Die Deutsche Welle und andere Medien berichteten über die Recherchen der "Welt am Sonntag"

Internationale Beachtung: Die Deutsche Welle und andere Medien berichteten über die Recherchen der “Welt am Sonntag”

In den sieben übrigen Punkten hat sich Axel Springer geweigert, die geforderten Unterlassungen abzugeben. Daraufhin hat Werner von sich aus einen Punkt zurückgezogen: In dem Stück „Russisches Roulette“ heißt es, manche Journalisten Werners hätten „jahrelang“ kein Geld bekommen. Diese Darstellung kann die „Welt am Sonntag“ mit Dokumenten, darunter sogar einem Gerichtsurteil, belegen. Das wusste wohl auch Werner, dessen Kanzlei deshalb beim Landgericht Berlin nur noch in sechs Punkten „den Erlass einer einstweiligen Verfügung, der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung“ beantragte.

Das Landgericht Berlin hat jedoch, wie sich aus einer Mitteilung vom 30. Mai ergibt, in keinem der Punkte eine einstweilige Verfügung erlassen. Daraufhin überarbeiteten Werners Anwälte ihren Antrag, konnten damit die Richter aber offenbar erneut nicht überzeugen. Ob zwischenzeitlich ein erneuter Verbotsantrag gestellt wurde, ist uns derzeit nicht bekannt. Doch ganz unabhängig davon: Werner greift keinen einzigen wesentlichen Inhalt des Artikels an, was einer Bestätigung unserer Recherchen gleichkommt. Wir werden unsere Leser über den Fortgang des Rechtsstreits informieren.

Auch bei seinen Gegendarstellungsansprüchen hat Werner inzwischen einen Teilrückzug angetreten. Zunächst hatte er von der „Welt am Sonntag“ den Abdruck einer Gegendarstellung mit fünf Punkten verlangt, jetzt sind es nur noch drei Punkte. Bei Gegendarstellungen geht es ohnehin nicht um Wahrheit oder Unwahrheit. Nach dem Gesetz muss sogar eine unwahre Gegendarstellung abgedruckt werden. Dem Betroffenen steht ein reines Entgegnungsrecht zu.

III. Das publizistische Vorgehen Werners

In der Juni-Ausgabe der „Jüdischen Zeitung“ – die Monatszeitung gehört mit dem „Evropa-Ekspress“ oder der „Berlinskaja Gazeta“ zu den Titeln des Verlags Werner Media – hat Nicholas Werner in einem ganzseitigen Interview Stellung zur Veröffentlichung der „Welt am Sonntag“ genommen. Die Überschrift lautet: „Tatsachen entstellen, Fakten verdrehen – wem nützt das falsche Spiel?“. In diesem Gespräch macht Werner genau das, was er der „Welt am Sonntag“ vorwirft: Tatsachen entstellen und Fakten verdrehen. Exemplarisch sei das hier an drei Interviewaussagen dargestellt.

Werner, Kanzlerin Merkel: gern gesehener Gast auf den Integrationsgipfeln der Bundesregierung (Quelle Merkel-Foto: A. Schafirov / Werner Media Group)

Werner, Kanzlerin Merkel: gern gesehener Gast auf den Integrationsgipfeln der Bundesregierung (Quelle Merkel-Foto: A. Schafirov / Werner Media Group)

Werner: „Nichtsdestotrotz hat meine Assistentin dem Journalisten der ‚Welt am Sonntag’ mitgeteilt, dass ich bereit wäre, alle Fragen zu beantworten, unter einer Bedingung: Dass meine Antworten ohne Veränderungen veröffentlicht würden [...]. Eine solche Zusicherung wurde uns jedoch nicht gegeben.“

Unser Kommentar: Diese Darstellung ist falsch. Die „Welt am Sonntag“ hat sich bereits mehrere Wochen vor der Veröffentlichung um ein Interview mit Nicholas Werner bemüht. Seine Assistentin stellte anfangs ein persönliches Gespräch in Aussicht, doch selbst ein zwischenzeitlich avisiertes Telefoninterview wurde abgesagt. Herr Werner hat sein diesbezügliches Gegendarstellungsbegehren zurückgezogen. Er wird wissen warum.

Werner [zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen]: „Selbst diese Information ist verfälscht dargestellt. Tatsächlich führt die Berliner Staatsanwaltschaft eine Überprüfung [...] durch und keine ,Ermittlungen’, wie es in dem Artikel heißt.“

Kommentar: Auch diese Darstellung ist falsch. Werner ist Beschuldigter in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin. Dies hat nicht nur die Anklagebehörde der „Welt am Sonntag“ bestätigt, sondern auch Werners Anwalt persönlich. Der Strafverteidiger teilte uns mit Schreiben vom 7. Mai mit: „Mein Mandant, Herr Nicholas Werner, bat mich, Ihre Anfrage bzgl. eines Ermittlungsverfahrens zu beantworten. Es trifft zu, dass die Staatsanwaltschaft Berlin gegen Herrn Werner wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt.“ Gegen die Darstellung, dass die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt, hat Werner denn auch weder einen Unterlassungs- noch einen Gegendarstellungsanspruch geltend gemacht.

Werner: „In dem Artikel jedoch wird alles miteinander vermischt und unter einem für uns nachteiligen Blickwinkel dargestellt. Außerdem erstaunt mich die Eile, in der der Artikel verfasst wurde.“

Kommentar: Das Investigativ-Ressort hat mit den Recherchen zu Nicholas Werner im Dezember begonnen – mehrere Monate vor der Veröffentlichung also. Der Artikel ist also keineswegs in „Eile“ verfasst worden, was übrigens auch Werner ganz genau weiß. Denn spätestens am 1. Februar teilte ihm das Berliner Landes-Einwohnermeldeamt mit, dass die „Welt am Sonntag“ zu seiner Person eine erweiterte Melderegisterauskunft beantragt und erhalten habe. Am 8. April baten wir den Verleger dann um ein Gespräch und übermittelten ihm schließlich am 22. April einen Fragenkatalog, den er angeblich nicht in der gesetzten Frist beantworten konnte. Wir haben die Veröffentlichung von „Russisches Roulette“ deshalb extra um eine Woche verschoben.

IV. Weitere Fakten und Hintergründe

Für alle Leser, die mehr über den Verleger und Kaufmann Nicholas Werner erfahren wollen als in dem Beitrag der „Welt am Sonntag“ stand, präsentiert das Investigativ-Ressort nachfolgend einige weitergehende Rechercheergebnisse.

Verlagsgebäude der Werner Media: Undurchsichtige Konstruktion  (Foto: Uwe Müller)

Verlagsgebäude der Werner Media: Undurchsichtige Konstruktion
(Foto: Uwe Müller)

Werners Verlag, die Werner Media Group GmbH, befindet sich seit einigen Jahren in einer finanziell desaströsen Situation. Aktuell listet die Auskunftei Creditreform fünf Haftanordnungen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auf und rät ihren Kunden von einer Geschäftsverbindung ab. Eine russische Geschäftsfrau hat bei einem Berliner Amtsgericht wegen einer offenen Forderung in Höhe von 1,079 Millionen Euro Euro zuzüglich Zinsen und Kosten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt. Die frühere Druckerei des Verlags hat ein Inkassounternehmen beauftragt, Außenstände in Höhe von rund einer halben Million Euro einzutreiben. Eine Krankenkasse und ein Dienstleister haben Titel, mit denen gepfändet werden kann. Das Eigenkapital der Gesellschaft ist laut Creditreform negativ. Dies hatten wir teilweise schon in unserem Beitrag im Mai dargestellt.

Neu ist: Schon im November 2010 hatte das Amtsgericht Charlottenburg vorübergehend die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Werner Media Group GmbH angeordnet. Die Zwangsverwaltung (AZ: 36w IN 4891/10) wurde nach gut einer Woche wieder aufgehoben. Damals konnte der Verlag offenbar kurzfristig Geld mobilisieren. Die Werner Media Group GmbH erhielt aus einem Kreditvertrag mit der Liechtensteiner Centrum Bank AG einen Zufluss von 6,64 Millionen Euro. Das Arrangement sah beachtliche 15 Prozent Jahreszinsen vor. Die Firma konnte das Geld anschließend jedoch nicht innerhalb der vereinbarten Laufzeit bis zum 31. Oktober 2011 komplett zurückzahlen. Offen blieb ein Millionenbetrag, der Verlag war erneut in einer prekären Lage.

Vor diesem Hintergrund gründete Nicholas Werner im April 2012 die Werner Media Verlags GmbH. Die neue Gesellschaft hat mittlerweile offenbar damit begonnen, das Verlagsgeschäft der alten Werner Media Group GmbH zu übernehmen. Allerdings ist das nicht ohne weiteres erkennbar, weil der Verlag in der Öffentlichkeit vielfach noch unter der alten Firmierung auftritt. Ein geschichtlicher Abriss auf der Internetpräsenz des Unternehmens verschweigt diese wichtige Veränderung. Dort wird im Impressum die Handelsregister-Nr. HRB 80337 und damit die alte Werner Media Group GmbH als verantwortliche Gesellschaft genannt.

Alleinige Anteilseignerin der neuen Werner Media Verlags GmbH ist seit Dezember 2012 Werners langjährige Lebensgefährtin Natalja Huneke. Nicholas Werner selbst hat laut Handelsregister keine Funktion mehr in dieser Gesellschaft. Er hat – ebenfalls im Dezember 2012 – die über die Werner Media Group GmbH gehaltenen Anteile an der WM Broadcasting GmbH an Frau Huneke abgetreten. Wir haben sie dazu schriftlich befragt. In ihrer Antwort legte Frau Huneke Wert auf die Feststellung: „Ich wurde nicht als ,Strohfrau’ eingesetzt, sondern habe vom Anfang an im Unternehmen mitgearbeitet.“

Werner, Begleiterin Huneke: "Ich wurde nicht als Strohfrau eingesetzt" (Foto: Picture-Alliance/dpa)

Werner, Begleiterin Huneke: “Ich wurde nicht als Strohfrau eingesetzt” (Foto: Picture-Alliance/dpa)

Mit diesem Winkelzug, der Übertragung von Firmenvermögen der alten GmbH auf eine neue GmbH, hat sich der Verlag vorläufig etwas Luft verschafft. Creditreform bescheinigt der Werner Media Verlags GmbH, gewissermaßen dem Auffangbecken der Werner Media Group GmbH, „mittlere Bonität“ und empfiehlt ein Kreditlimit von 7.500 Euro. Handelsrechtlich könnte aus der Konstruktion folgen, dass die neue Werner Media Verlags GmbH für Verbindlichkeiten der alten Werner Media Group GmbH haftet.

Die alte Firma, jüngst in Wermon Media Group umbenannt, hat noch 2011 nach Darstellung von Creditreform mit rund 70 Mitarbeitern einen Umsatz von 4,2 (2008: 7,2) Millionen Euro erzielt. Inzwischen hat die Gesellschaft nach eigener Darstellung kein Personal mehr und übt auch keine Tätigkeit mehr aus. Allerdings hat sie sich bis zum 30. September 2032 das Erbbaurecht am Grundstück Großbeerenstraße 186-192 im Berliner Süden gesichert. Dort residiert der Verlag. Laut einer Urkunde aus dem Jahr 2004 betrug der Kaufpreis 1,2 Millionen Euro. Grundstückseigentümerin ist die Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co.KG. Gläubiger von Werners Verlagsfirma erwägen inzwischen, das Erbbaurecht pfänden zu lassen.

Abgesehen davon stand Nicholas Werner in Verbindung mit mehr als einem Dutzend weiteren Gesellschaften, die zumindest ihren Sitz auf dem Gelände in der Großbeerenstraße 186-192 hatten oder haben – oder aber nach Werner benannt sind (siehe Übersicht: „Nicholas Werner – Das Firmengeflecht”). In keiner dieser Firmen ist Werner noch Gesellschafter, etliche sind längst liquidiert; nach einem regelmäßig wiederkehrenden Muster und unter Einschaltung von Vertrauten Werners. Bei einigen Firmen fand nach merkwürdigen Geschäftsvorgängen ein nicht weniger merkwürdiger Eigentümerwechsel statt. Dazu zählt die Werner Group GmbH & Co.KG.

Als diese im August 2006 ins Handelsregister eingetragen wurde, war Nicholas Werner Kommanditist. Nicht einmal ein Jahr später stellte die Firma, vertreten durch Nicholas Werner, dem Privatmann Nicholas Werner laut einem Kreditvertrag für zehn Jahre ein zinsloses Darlehen über sechs Millionen Euro zur Verfügung. Der Vertrag trägt also gleich zwei Mal die Unterschrift von Werner, der sowohl als Darlehensgeber als auch als Darlehensnehmer unterzeichnete. Das In-sich-Geschäft wirft viele Fragen auf. Etwa die, ob die Gesellschaft durch das zinslose Darlehen vorsätzlich geschädigt wurde oder ob es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung vorbei am Finanzamt handelte. Auch dazu hatten wir Werner Fragen gestellt, die unbeantwortet blieben. Der Darstellung in der „Welt am Sonntag“ hat er nicht widersprochen.

Die Werner Group GmbH & Co.KG, die „genehmigungsfreie Finanzdienstleistungen“ erbringt, hatte bereits im ersten Geschäftsjahr enorme Verbindlichkeiten aufgetürmt – Ende 2006 laut Bilanz ein Betrag von 9,5 Millionen Euro. Inzwischen haben uns mit Werners Geschäften vertraute Personen berichtet, über die GmbH & Co.KG seien damals angeblich über acht Darlehensverträge insgesamt 8,1 Millionen Euro an die Werner Media Group GmbH, die Werner Grundbesitz GmbH, die MW Trade GmbH Import-Export und die Refrq GmbH geflossen. Die Informanten nennen präzise Details zu den angeblichen Verträgen und behaupten, die Darlehen seien bis heute nicht getilgt worden. Dazu befragt, ließ Werner ausrichten: „Die von Ihnen erwähnten Gesellschaften haben weder mit Herrn Werner noch mit der Werner Media Verlags GmbH zu tun.“ Die der „Welt am Sonntag“ vorliegenden Informationen seien „nicht vollständig und bruchstückhaft“. Sämtlichen vertragliche Beziehungen zwischen den Gesellschaften und den Partner seien erfüllt worden, heißt es in der Stellungnahme.

Alles in Ordnung also? Die Frage ist, woher stammten die Mittel, mit denen die Werner Group GmbH & Co.KG ihre Geschäfte betrieben hat.

Werner-Publikationen: "Der größte russischsprachige Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Europas   außerhalb der ehemaligen GUS-Staaten"

Werner-Publikationen: “Der größte russischsprachige Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Europas
außerhalb der ehemaligen GUS-Staaten”

Die Gesellschaft war in ihrer Anfangszeit offenbar eine gigantische Geldverteilmaschine. Vor diesem Hintergrund sagen frühere Mitarbeiter, der Verlag diene in Wahrheit nur als Fassade, tatsächlich lebe Werner „vom Schwarzgeldzufluss aus kriminellen Quellen“. Die Informanten nennen dazu viele Details, Beweise gibt es aber nicht. Werner erklärt dazu: „Die angeblichen Behauptungen früherer Mitarbeiter sind falsch.“

Im Sommer 2009 schied Nicholas Werner als Kommanditist aus der Werner Group GmbH & Co.KG aus, neuer Kommanditist wurde ein Mann, der in Werners Firmenimperium immer wieder einspringen musste: sein Vertrauter Georgy Peredelskiy. Der gebürtige Russe ist der deutschen Sprache nicht mächtig und hat in Werners Firmen immer wieder in schneller Folge Funktionen als Geschäftsführer, Liquidator oder Gesellschafter übernommen. Unter der Berliner Adresse, die Peredelskiy heute im Handelsregister angibt, findet sich an der Haustür nicht einmal eine Klingel mit seinem Namen, zumindest bis vorvergangener Woche. Dafür ist dort der Name von Werners langjähriger Lebensgefährtin Huneke zu finden, die allerdings ihren Hauptwohnsitz anderswo hat.

Peredelskiy veröffentlichte im vergangenen Sommer den letzten Jahresabschluss für die Werner Group GmbH & Co.KG, bevor auch er die Firma weiterreichte. Danach hatte sie Ende 2011 Verbindlichkeiten in Höhe von 18,6 Millionen Euro – bei Forderungen von angeblich 9,9 Millionen Euro. Die Finanzanlagen wurden mit 75.000 Euro angegeben, der Kassenbestand mit 64 Euro. Bald nach Vorlage dieser Zahlen stand der nächste Vertraute Werners als Kommanditist parat: Und damit ist man bei der Transnistrien-Connection angelangt.

Ghenadi Gorelovschi, der neue Verantwortliche, lebt in Tiraspol, der Hauptstadt der völkerrechtlich nicht anerkannten Transistrischen Moldauischen Republik. Gorelovschi und Werner sind alte Freunde. Gorelovschi hat die Werner Group GmbH & Co.KG inzwischen in Gorelgen GmbH & Co.KG umbenannt. Er sagte auf unsere Anfrage hin, die Gesellschaft habe keinen einzigen Euro Schulden, „weder zum Zeitpunkt des Kaufs noch jetzt“. Diese Darstellung ist schwer nachvollziehbar.

Gorelovschi hat zwei Brüder, Andrei und Alexsandr. Ghenadi und Andrej sind an der Nictory GmbH beteiligt (Alexsandr Gorelovschi hat seinen Anteil jüngst an Werners langjährige Lebensgefährtin Natalja Huneke veräußert). Diese Gesellschaft – und Transnistrien – spielen eine Rolle bei dem eingangs erwähnten Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin: Die Anklagebehörde ermittelt gegen Nicholas Werner und seinen Gefolgsmann Georgy Peredelskiy wegen des Verdachts der Geldwäsche beziehungsweise der Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte (Paragraf 261 StGB).

Hintergrund der Ermittlungen sind Lieferungen von Computertomographen der Firma Siemens über eine Zwischenfirma im Zusammenhang mit der Nictory GmbH nach Transnistrien. Eine Geschäftsbank hat Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Berlin bestätigte der „Welt am Sonntag“ die Ermittlungen, wollte aber keine Angaben zum Stand des Verfahrens machen. Nicholas Werner betont, er sein „kein Miteigentümer“ der Nictory GmbH. Dies mag zutreffen. Tatsächlich aber werden Mitarbeiter der Nictory GmbH ausweislich einer internen Organisationsunterlage, die der „Welt am Sonntag“ vorliegt, wie Mitarbeiter der Werner Media geführt. So lautet ihre E-Mail-Endung „@wernermedia.de“. So entsteht der Eindruck: Im Außenverhältnis sind am Sitz des Verlages zwar etliche verschiedene GmbH tätig, die im Innenverhältnis aber offenbar wie ein einheitlicher Konzern gesteuert werden.

Zu guter Letzt ist Nicholas Werner aktuell Beklagter in einem Zivilgerichtsverfahren, das vor dem Landgericht Berlin anhängig ist (Az.: 28 O 76/12). Ein russischer Geschäftsmann fordert von Werner insgesamt 1,2 Millionen Euro zurück, die er ihm 2004 und 2005 als Darlehen gewährt haben will. Werner bestreitet, das Geld als Darlehen erhalten zu haben und behauptet, die Unterschrift unter einem entsprechenden Vertrag stamme nicht von ihm. Das Landgericht hat dazu einen Beweisbeschluss erlassen und Werner jüngst aufgefordert, Unterschriften und Schriftproben aus den Jahren 2004-2009 vorzulegen, „jeweils zehn im Stehen und Sitzen angefertigte.“ Voraussichtlich wird bis Jahresende ein Urteil ergehen. Sollte Werner in dem Rechtsstreit unterliegen, wäre er als Privatperson in der Pflicht.

Auffällig ist, dass der Geschäftsmann Werner wiederholt seinen Pflichten als Darlehensnehmer nicht nachgekommen ist. Schon vor Jahren hatte das Landgericht Berlin ihm dabei besonders dreistes Vorgehen bescheinigt (Az.: 22 O 118/06). Ein spanischer Geschäftsmann hatte der Werner Media Group GmbH und der MW Trade GmbH Import-Export zwei kurzfristige Überbrückungsdarlehen über insgesamt 200.000 Euro gewährt und verlangte vergeblich, das Geld innerhalb der vereinbarten Frist zurückzubekommen. Die Firmen, vertreten durch die Geschäftsführer Nicholas Werner und die Moskauerin Joulia M., behaupteten vor Gericht, es habe sich überhaupt nicht um Darlehen gehandelt. Vielmehr hätten sie mit dem spanischen Geschäftsmann einen Werkvertrag geschlossen und ihn für das Geld in rechtlichen und sonstigen Fragen beraten. Der spanische Geschäftsmann erklärte dem Gericht, seine Unterschriften unter den angeblichen Verträgen seien gefälscht.

Die Richter setzten sich damals nicht mit der Frage auseinander, ob Werner als Kopf einer Fälscherwerkstatt agiert hatte – sie urteilten nur darüber, was von den angeblichen Werkverträgen zu halten sei: Die von den Werner-Firmen angeblich für den spanischen Geschäftsmann erbrachten Leistungen seien „völlig wertlos“, ein „Nullum“. Zweck des Geschäfts sei es gewesen, den spanischen Geschäftsmann „ohne Gegenleistung zu einer Zahlung zu bewegen“ – und das sei „absolut sittenwidrig“. Der harsche Richterspruch zeigt, was Werner unter dem versteht, was er selbst „russisches Business“ nennt.

Nachtrag 19. Juni 2013: Nicholas Werner ist beim Berliner Landgericht mit seinem Unterlassungsanliegen gescheitert. Das Gericht hat seinen Antrag komplett abgewiesen.

Nachtrag 20. Juni 2013: Im Rechtsstreit Nicholas Werner ./. Axel Springer u.a. ist heute vor dem Landgericht Berlin die Gegendarstellung verhandelt worden. Dabei hat die 27. Zivilkammer unter dem Vorsitzenden Michael Mauck entschieden, dass die “Welt am Sonntag” keine einzige Gegendarstellung von Werner drucken muss. Eine zuvor ergangene einstweilige Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung mit drei Punkten wurde aufgehoben. Damit ist Nicholas Werner erstinstanzlich in allen gerichtlichen Auseinandersetzungen vollständig unterlegen.

 

 

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